Jüngste Aktionen der Klimabewegung: Besser alle mitnehmen

Seit Tagen wird ein Hörsaal von Klimaaktivisten besetzt. Der Strategiewechsel ist gut, andere Milieus werden dadurch aber nicht mobilisiert.

2 Klimaaktivistinnen haben sich an einen Bilderrahmen geklebt, ein Museumswächter steht vor ihnen

Klimaaktivistinnen in der Gemäldegalerie: Klebeaktion am Rahmen von Lucas Cranachs Bild Foto: Fritz Engel

Seit dem 24. Oktober besetzt eine Ortsgruppe der Kampagne „End Fossil: Occupy“ den größten Hörsaal der Universität Göttingen. Die Be­set­ze­r:in­nen wollen den Alltagstrott stören und somit mehr Aufmerksamkeit auf die Klimakrise richten. Das erhofften sich auch die Ak­ti­vis­t:in­nen von der Letzten Generation Potsdam, die am 23. Oktober Kartoffelbrei auf ein Gemälde von Claude Monet warfen. Aber wessen Aufmerksamkeit eigentlich? Und auf was genau?

Um soziale Bewegungen in Gang zu bringen, braucht es eines: Massen. Um Menschen aus unterschiedlichen sozialökonomischen Milieus zusammenzubringen braucht es Solidarität, aber auch ein tiefes gesellschaftliches Verständnis für die der Klimakrise zugrunde liegende Struktur: dem kapitalistische Wachstumszwang, der sowohl Naturzerstörung als auch so­zia­le Ungleichheit bedingt. Die Frage, welche Aktionen diese Massen mobilisieren, wird seit dem Wochenende aktiver diskutiert – endlich.

Eine Antwort wird wohl aber nicht gefunden werden, denn politische Kämpfe sind langwierige Prozesse. Gerade deshalb ist es wichtig, auf verschiedene Taktiken zurückzugreifen. Denn auch abschreckende Aktionsformen können einen positiven Effekt haben: Die Forderungen moderaterer Klimagruppen erscheinen umsetzbarer, wenn Menschen radikaleren Proteste ablehnen.

Die Bewegung muss sich aber eben auch der Realität stellen, dass weite Teile der Bevölkerung von den jüngsten Aktionen nicht angesprochen wird: jene, etwa, die nie einen Hörsaal betreten, oder jene, denen Geld, Zeit oder Muße fürs Museum fehlt. Dass soziale Gerechtigkeit den Ak­ti­vis­t:in­nen aus Göttingen wichtig ist, zeigen ihre Forderungen nach Vergesellschaftung und kostenlosem ÖPNV. Aber so lange Armutsbetroffene sich von Universitätsbesetzungen und Museumsaktionen nicht angesprochen fühlen, wird es die Bewegung nicht schaffen, die relevanten Gesellschaftsschichten für Proteste zu mobilisieren.

Vielleicht also könnte ein Teil der Bewegung mal für die überforderten Tafeln kochen und mit Menschen über den Zusammenhang zwischen Armut, gleichzeitiger Überproduktion und Naturzerstörung reden.

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ehemalige Praktikantin im Inlandsressort - jetzt nur noch frei unterwegs. Humanökologin und Mitglied der Forschungsgruppe Zetkin Collective mit den Schwerpunkten politische Ökologie der extremen Rechten in Deutschland, Ordoliberalismus, fossiler Kapitalismus und Energiepolitik.

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