Markus Söder in der Coronakrise: Der falsche Held
Die Rolle als Virusbekämpfer spielt der bayerische Ministerpräsident überzeugend gut. Nach der Krise wird er wieder der alte eiskalte Stratege sein.
M arkus Söder scheint die Rolle seines Lebens gefunden zu haben: als Held der Stunde. Er ist Deutschlands Virusbekämpfer Nummer 1. Manche sehen in ihm schon den nächsten Kanzlerkandidaten der Union.
Söder beweist durchaus Qualitäten in der Coronakrise: Er reagiert schnell, richtet sich mit bedachten Worten an die Bürger*innen. Als einziger Ministerpräsident beweise er Tatkraft, loben ihn deshalb viele.
Dabei ist seine Tatkraft oft nicht viel mehr als kalkulierte Inszenierung: Wenn sich die Supermärkte wegen panischer Hamsterkäufe leeren, dann besucht Söder ein Logistikzentrum in Bayern, stellt sich, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, vor meterhohe Klopapaier-Regale und lässt sich so ablichten. So was wirkt.
Auf den Pflegenotstand in Bayern antwortet Söder mit kostenloser Verpflegung für Mitarbeiter*innen. Auf Twitter erhält er dafür über 18.000 Likes, in den Kommentaren finden sich Hunderte Dankesbekundungen. Vergessen scheint, dass es die CSU-Regierung selbst war, die die Lage im überlasteten Gesundheitswesen seit Jahren nicht ernst nahm oder an die Bundeskompetenz verwies.
Sein gewohntes Naturell
Noch vor Kurzem schien Söder das Wohl der bayerischen Bürger*innen auch gar nicht ganz so wichtig. Die Kommunalwahl am 15. März ließ er regulär stattfinden, dabei hatte er noch zwei Tage zuvor angekündigt, Schulen zu schließen und Großveranstaltungen zu verbieten. Wahlhelfer*innen berichteten später von fehlenden Vorsichtsmaßnahmen.
Dicht an dicht habe man die Stimmen ausgezählt. Keinen Mundschutz, keine Handschuhe habe es gegeben. Die etablierten Parteien, eben auch Söders CSU, gingen als Sieger aus dieser Wahl hervor: Die Angst vor dem Virus war’s – das muss Söder geahnt haben. Hier war er kein Held, er handelte wie ein eiskalter Stratege.
Krisen lenken den Blick auf das, was ist, und lassen vergessen, was mal war. Söder weiß das. Seine Fehler und Versäumnisse kaschiert er mit großen Gesten und Bildern. Irgendwann wird die Krise aber ausgestanden sein und der einstige Held der Stunde wird zu seinem gewohnten Naturell zurückkehren. Hängen bleiben sollten deshalb nicht die Bilder aus Logistikzentren, sondern die eines Politikers, der für Wähler*innenstimmen die Gesundheit anderer aufs Spiel setzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen