Pressefreiheit in Sachsen: Der Mann vom LKA

Bei einer Anti-Merkel-Demo lässt ein Demonstrant einen ZDF-Kameramann von der Polizei aufhalten. Nun stellt sich heraus: Er arbeitet fürs LKA Sachsen.

Demonstranten mit Transparent "Sterben, Frau Merkel", davor Polizisten

Pegida-Demo vor Merkels Besuch auf dem Mediensommerfest der sächsischen CDU-Landtagsfraktion Foto: imago/Paul Sander

Die Nachricht, die der Medienservice Sachsen am Mittwoch um 19:54 Uhr auf einer Internetseite der Landesregierung veröffentlicht, trägt eine schlichte Überschrift: „Information des Innenministeriums“. Darunter steht ein langer Satz, der es in sich hat: „Das Sächsische Landeskriminalamt (LKA) hat heute das Innenministerium darüber informiert, dass es sich bei dem Bürger, der sich am vergangenen Donnerstag in Dresden verbal heftig gegen Filmaufnahmen eines TV-Kamerateams des ZDF-Politikmagazins ‚Frontal 21‘ gewehrt hat, um einen Tarifbeschäftigten des LKA handelt.“

Der Bürger ist inzwischen deutschlandweit bekannt. Es ist der Mann, der auf den Filmaufnahmen eine Sonnenbrille und einen schwarz-rot-goldenen Deutschlandhut trägt. Am Nachmittag des 16. August ist er bei einer Demonstration gegen den Besuch von Angela Merkel in Dresden auf einen Kameramann des ZDF losgegangen. Er wollte nicht gefilmt werden. Er ging auf den Kameramann zu und rief: „Sie haben mich ins Gesicht gefilmt. Das dürfen Sie nicht. Frontalaufnahme. Sie haben eine Straftat begangen. Wir klären das jetzt polizeilich.“ Dem Kameramann drohte er sogar an, ihn vorläufig festzusetzen.

Was wie eine leichte Überreaktion beginnt, endet in einem Politikum: Die Polizei hält den Kameramann und dessen in der Zwischenzeit am Ort eingetroffenen Reporterkollegen Arndt Ginzel etwa eine Dreiviertelstunde lang fest. Die Polizeibeamten kontrollieren ihre Ausweise. Sie teilen ihnen zunächst nicht mit, warum – und hindern sie so an ihrer Arbeit. Arndt Ginzel, der Reporter, fragt während der Polizeimaßnahme einen Beamten noch: „Was ist der Grund, was ist denn der Verdacht?“ In dem Video hat der Polizist keine Antwort.

Später beschuldigt ein weiterer Mann einen der beiden ZDF-Mitarbeiter, ihn beleidigt zu haben. Er stellt Strafanzeige. Ginzel sagt später der taz, er sei mit einem anderen verwechselt worden, Filmaufnahmen belegten dies. Die Polizei nimmt die Anzeige auf, auch in dieser Zeit werden die beiden ZDF-Mitarbeiter daran gehindert, ihre Arbeit zu machen. Die Polizei wird später erklären, der Journalist habe zwischendurch telefoniert, was Zeit gekostet habe.

Mann soll rassistischer Gruppe aus Freital angehören

Aber wer ist eigentlich der Mann, der die Anzeige wegen Beleidigung erstattete? An jenem Donnerstag ist das noch unklar. Der Berliner ZDF-Reporter Ulrich Stoll twittert jedoch später, es handle sich um René S., der einer rassistischen Gruppe aus der sächsischen Stadt Freital angehöre.

All das ist noch nicht bekannt, als der Journalist Arndt Ginzel am frühen Sonnabendmorgen ein kurzes Video der Ereignisse auf Twitter und Facebook stellt.

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Der Aufschrei ist groß: ZDF-Chefredakteur Peter Frey hält das Vorgehen für eine „klare Einschränkung der freien Berichterstattung“, Journalistenverbände reagieren empört und fordern eine „lückenlose Aufklärung“ der Vorkommnisse.

Es wird diskutiert, warum die Polizei überhaupt so lange auf die Beschwerden des Mannes mit dem Deutschlandhut einging. Wer in Deutschland die Öffentlichkeit sucht, muss sich auch damit abfinden, in der Öffentlichkeit zu stehen und von den Medien gefilmt zu werden. In Paragraph 23 des Kunsturhebergesetzes heißt es: „Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben“, dürften ohne Einwilligung verbreitet werden. Gegen das Argument, der Demonstrant habe sich gar nicht mehr auf einer Demonstration befunden, spricht, dass munter weiter skandiert wurde. In den Filmaufnahmen ist das dokumentiert.

Kretschmer kritisiert die Journalisten

Einer allerdings fällt ein schnelles Urteil: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, CDU, antwortet auf Ginzels Video-Tweet – noch ehe er alle Umstände kennt. Kretschmer schreibt am 18. August um 17:18 Uhr, der Vorfall werde aufgeklärt, aber: „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.“ Heißt: Die Journalisten sind nach Ansicht des Regierungschefs nicht seriös aufgetreten.

Dabei steht im Raum, dass die Polizei sich von den fadenscheinigen Behauptungen eines Pegida-Anhängers hat leiten lassen – auf Kosten der freien Berichterstattung des Fernsehens. Und damit zu Lasten der Pressefreiheit.

Am Mittwoch, den 22. August, um 16:39 Uhr, wiederholt Kretschmer seinen Standpunkt auf Twitter. Er schreibt: „Meine Meinung habe ich deutlich gesagt. Sie hat sich nicht geändert. (…) Den hashtag ‚Pegizei‘ halte ich für unverantwortlich!“ Wenige Stunden später veröffentlicht seine Landesregierung eine interessante Information.

Die „Information des Innenministeriums“ stammt von Mittwochabend, 19:54 Uhr. Darin heißt es, bezogen auf den Demonstranten mit dem Deutschlandhut, der alles ausgelöst hat: „Der Mitarbeiter war nach Informationen des LKA bei diesem Aufeinandertreffen nicht im Dienst gewesen, sondern habe als Privatperson an der vorangegangenen Versammlung teilgenommen.“ Der Mann mit dem Deutschlandhut, der die Polizei einspannte: Er arbeitet selbst bei der Polizei. In welcher Funktion ist noch unklar. Derzeit, erklärt das Innenministerium, befinde er sich im Urlaub.

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