Wollen mit AfD zusammenarbeiten: CDU-Kreisverband fordert Ende der Brandmauer
In Sachsen-Anhalt stellt der CDU-Kreisverband im Harz den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD infrage. Es ist nicht der erste Versuch aus der Ecke.
Es ist zwar das erste Mal, dass ein CDU-Kreisverband konkret das Kooperationsverbot abschaffen möchte. Aber der Kreisvorsitzende im Harz, Ulrich Thomas, ist mit ähnlichen Äußerungen bereits aufgefallen.
Thomas ist nicht nur Kreisvorsitzender, sondern auch Mitglied des Landesvorstands und sitzt für die CDU im Landtag Sachsen-Anhalt. Schon im Sommer 2019 schlug er vor, CDU und AfD sollten zusammenarbeiten und eine Koalition eingehen.
Die Union solle sich auf ihren Kern zurück besinnen, stand damals in einer von Thomas mit verfassten Wahlanalyse: „Es muss wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen.“ Nicht sofort, hieß es, aber vielleicht in fünf Jahren. Nun scheint Thomas die Zeit offenbar reif – dabei stuft der Verfassungsschutz die AfD in Sachsen-Anhalt inzwischen als rechtsextrem ein.
„Keine gute Entwicklung“
Allerdings ist das nicht die einzige Veränderung. Bei der Bundestagswahl 2025 bekam die AfD 37,1 Prozent der Zweitstimmen in Sachsen-Anhalt – mehr als alle anderen und alle Direktmandate. Im kommenden Jahr stehen Landtagswahlen an. Wenn sich die bisherige Entwicklung fortsetzt, könnte es die AfD in die Landesregierung schaffen.
Der Extremismusexperte David Begrich sagt zu dem Vorstoß der CDU im Harz nur: „Das ist keine gute Entwicklung.“
Laut MZ heißt es im Beschluss des Kreisverbandes, in Folge der Bundestagswahl solle die Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses folgen. Außerdem fordere der Kreisverband im Harz, dass Friedrich Merz in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD die zentralen Wahlversprechen der CDU verteidigen und einen Koalitionsvertrag der Basis zur Abstimmung vorlegen solle.
Aktuell ist die Stimmung an der Basis in Sachsen-Anhalt wegen der Koalitionsgespräche nicht sonderlich gut. Wie etwa der MDR berichtet, spricht auch der Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes Börde von „einer gewissen Unzufriedenheit der Mitglieder“. Eine Petition von 100 Wirtschaftsunternehmen im Kreis Jerichower Land fordert, die CDU solle eine Minderheitsregierung im Bund führen, um so ihre Wahlversprechen umzusetzen. Die CDU-Interessenvertretung Mittelstands und Wirtschaftsunion im Kreis unterstützt diese Petition.
Doch mit der AfD zusammenarbeiten? Die SPD-Landesvorsitzende Juliane Kleemann warnt davor: „Die AfD will den Staat schwächen, die Gesellschaft spalten und das Vertrauen in unsere Demokratie zerstören.“ Ein Vorstoß wie der des CDU-Kreisverbands Harz werfe besonders in Sachsen-Anhalt Fragen auf, wo CDU und SPD im Land gemeinsam regieren. „So viel zum viel beschworenen Miteinander in der Koalition“, kommentiert Kleemann.
Auch die Grünen in Sachsen-Anhalt zeigten sich entsetzt. Landesvorsitzender Dennis Helmich kommentierte am Dienstagmittag: „Das ist ein offener Affront gegen alle Anständigen in der Union – allen voran gegen den Ministerpräsidenten.“ Die AfD verachte die Demokratie und wolle die CDU zerstören. „Wer das ignoriert, ist entweder brandgefährlich – oder unfassbar naiv.“
Von der CDU Sachsen-Anhalt antwortete auf eine Anfrage der taz der Landesgeschäftsführer Mario Zeising, die Beschlusslage zur Unvereinbarkeit sei klar: „Keine Zusammenarbeit mit der AfD und den Linken“.
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