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Weltflüchtlingsbericht des UNHCRFast 120 Millionen auf der Flucht

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der Bericht des UNHCR konstatiert für 2023 erneut stark gestiegene Zahlen von Geflüchteten. Die Weltgemeinschaft hat keine Strategie, um diese Zustände zu überwinden.

Flüchtlinge im Mittelmeer Foto: Maria Giulia Trombini/picture alliance/dpa

D ie höchsten Wachstumsraten auf der Welt haben nichts mit der Weltwirtschaft zu tun. Es sind die Zunahmen der Zahlen von Geflüchteten und Vertriebenen. Der neue Weltflüchtlingsbericht des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR, der die Lage zum Jahresende 2023 analysiert und an diesem Donnerstag veröffentlicht wurde, nennt die Zahlen: Acht Prozent mehr Flüchtlinge Ende 2023 als Ende 2022, zehn Prozent mehr Binnenvertriebene, die meisten davon in den ärmsten und gewalttätigsten Ländern der Welt, wo Menschen buchstäblich um ihr Überleben kämpfen.

Insgesamt waren Ende 2023 laut UNHCR weltweit 117,3 Millionen Menschen auf der Flucht, rund doppelt so viele wie neun Jahre zuvor. In den ersten Monaten 2024 dürfte die Zahl 120 Millionen überschritten haben, was vor allem an der immer weiter zunehmenden Massenflucht Verzweifelter aus der Hölle des Krieges in Sudan liegt – 12 Millionen Menschen, ein Viertel der Bevölkerung, sind dort jetzt inner- und außerhalb des Landes auf der Flucht.

Die Wachstumsraten von annähernd zehn Prozent verschleiern eigentlich das Ausmaß des Horrors, denn sie beziehen sich auf die Nettozahl – also Neuflüchtlinge, die vorher keine Flüchtlinge waren, abzüglich derjenigen, die den Flüchtlingsstatus überwinden konnten. Allein sechs Millionen Flüchtlinge und Vertriebene konnten 2023 in ihre Heimat zurückkehren, viele weitere erlangten einen anderen Aufenthaltsstatus – oder starben. Umgekehrt gibt es viele Neuvertriebene, die schon vorher Flüchtlinge waren, also in der Gesamtstatistik bereits gezählt waren. Zählt man einfach diejenigen, die im Jahr 2023 neu zur Flucht gezwungen wurden, wird laut UNHCR die horrende Zahl von 27,2 Millionen Menschen erreicht.

Das sind mehr als zwei Millionen im Monat oder annähernd 75.000 am Tag, die im Jahr 2023. Statistisch gesehen wurde also im vergangenen Jahr jeden Tag das Äquivalent der Bevölkerung von Bayreuth zur Flucht gezwungen. Und man wundert sich, dass das Elend, der Hass und die Verteilungskämpfe auf der Welt zunehmen, in den ärmsten wie in den reichsten Ländern.

Jeden Tag 75.000 Vertriebene mehr

Über die Hälfte der Neuvertriebenen kam aus gerade mal vier Ländern auf der Welt: Sudan (7,2 Millionen), Demokratische Republik Kongo (3.9 Millionen), Somalia (2,3 Millionen) und Myanmar (1,3 Millionen). Dazu kommen 1,7 Millionen Neuvertriebene im Gazastreifen. Somalia ist ein Sonderfall, da zwei Millionen der Neuvertriebenen Katastrophenflüchtlinge waren – das Land erlebte beispiellose Wetterextreme. Aber diese hätten nicht solche Folgen gehabt, wenn Somalia einen Staat hätte, der für seine Bevölkerung sorgt.

Insgesamt ist die Lehre klar: Krieg und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung sind die größten Treiber von Fluchtbewegungen auf der Welt. Seit 2021, sagt das UNHCR, ist die Zahl von Neuvertriebenen jedes Jahr deutlich höher n den Jahren davor. Getrieben vor allem von den Kriegen in der Ukraine und in Sudan, bei gleichzeitiger Intensivierung der älteren Konflikte in anderen Ländern, hat das Ausmaß der Fluchtbewegungen damit eine neue Qualität erreicht. Diese hat die Weltpolitik bisher nur unzureichend begriffen.

Wer Fluchtursachen bekämpfen will, muss dort ansetzen. Die vier genannten Länder haben eines gemeinsam: Überall gab es einmal Hoffnung auf Stabilisierung und Demokratisierung, gefördert von der internationalen Staatengemeinschaft.

Sudan erlebte eine für den arabischen Raum beispielhafte friedliche Revolution gegen die Militärdiktatur, Kongo hat eine Demokratisierung und Reihe von Friedensprozessen unter Schutz der größten UN-Blauhelmmission der Welt hinter sich. Somalia erhält intensive internationale Unterstützung beim Aufbau eines Staatswesens. Es gab einmal einen Nahost-Friedensprozess. Myanmar war einst unter Aung San Suu Kyi auf dem Weg zur Demokratie.

Überall zerschlug sich diese Hoffnung, zerstört von den lokalen Machthabern und Kriegsherren, die von Gewalt und Rechtlosigkeit leben und vom millionenfachen Leid profitieren.

Neu entfachte Konflikte

Sudans Militärherrscher haben erst mit ihrem Putsch und dann mit ihrem Machtkampf gegeneinander ihr Land in den Abgrund gerissen. Kongos politische Elite schürt Kriege und Elend zum eigenen Machterhalt. Somalia findet keine Grundlage für eine allseits anerkannte legitime politische Struktur. Der Krieg zwischen Israel und der Hamas im palästinensichen Gazastreifen hat nicht nur die Lebensgrundlagen der gesamten Bevölkerung dort zerstört, sondern auch politische Friedenshoffnungen vorerst zunichte gemacht. Myanmars Militär hat mit seinem Putsch die Demokratisierung beendet und Gewaltkonflikte im Land neu entfacht.

Nirgends gibt es auch nur den Ansatz einer Strategie seitens der Weltgemeinschaft, wie man diese Zustände überwinden könnte. Lokale Akteure, die sich den Gewaltherrschern mutig entgegenstellen, enden meist selbst als Flüchtlinge.

Die Weltpolitik muss erkennen: Flucht ist kein Ausnahmephänomen mehr. Es ist ein Dauerzustand und ein integraler Bestandteil der modernen Welt. Die staatliche Ordnung der meisten Länder ist nicht dafür geschaffen, damit umzugehen. Nirgends haben Geflüchtete und Vertriebene die gleichen Rechte wie die Bevölkerungen, bei denen sie leben.

Das ändert sich auch nicht im Laufe der Jahre. Millionen Kinder werden als Flüchtlinge geboren, sind also vom ersten Lebenstag an Außenseiter in der Gesellschaft, in die sie hineinwachsen. Wer schon bei der Geburt Außenseiter ist, dem kann man später nicht mangelnde Integration vorwerfen.

Rechtsfreie Räume

Daran etwas zu ändern, ist derzeit vor allem in Europa nicht mehrheitsfähig, wie die jüngsten EU-Wahlergebnisse zeigen. Aber Schutz fehlt nicht nur an den Zielorten der Flucht. Der Weltflüchtlingsbericht betont dieses Jahr vor allem den mangelnden Schutz auf den Flucht- und Migrationsrouten: aus Afrika nach Europa, aus Südamerika nach Nordamerika, aus asiatischen Bürgerkriegsländern in sichere Gebiete – überall müssen die Menschen rechtsfreie Räume durchqueren, in denen Gewalt an der Tagesordnung ist und viele spurlos verschwinden.

Das Mittelmeer birgt Zehntausende Leichen von Afrikanern, denen Europa den Rücken kehrte. Die Routen der Binnenvertriebenen in den Bürgerkriegsländern der Welt sind allesamt lebensgefährlich. Die Welt ist voller unbekannter Massengräber jener, die ihre Suche nach einem besseren Leben mit dem Leben bezahlt haben. 120 Millionen Menschen auf der Flucht? Die Zahl erscheint unfassbar hoch. Aber es sind nur die Wenigen, die es bis an ein Ziel geschafft haben.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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45 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • "Die Weltgemeinschaft hat keine Strategie, um diese Zustände zu überwinden."



    Welche Weltgemeinschaft?

  • "Die Weltgemeinschaft hat keine Strategie, um diese Zustände zu überwinden."

    Ich möchte noch einen Aspekt ergänzen: wie gehen wir vor, wenn eine Gruppe Geflüchteter sich nicht innerhalb eines anderen Staates ansiedeln will, sondern ihren eigenen Staat gründen. Auch dafür haben wir keine Strategie.

    Mir ist das bewussst geworden beim Nachdenken über den Nahost-Konflikt und den Zionismus. Im Fehlen solch einer Strategie sehe ich eine tiefere Ursache, dass sich der Nahost-Konflikt so hartnäckig seit Jahrzehnten hält.

  • Eine Strategie gibt es in Nordamerika und Europa sehr wohl und sie wird immer deutlicher ersichtlich: Abschottung!

    Speziell die "Festung Europa" hat den Focus jetzt nach innen verlegt. Man befasst sich vorwiegend damit wie man die "unliebsamen Gäste" die ab 2015 im Zuge der "Flüchtlingswelle" eingereist sind auf möglichst elegante Art und Weise wieder los wird und führt nach außen, mit der Verlegung von Asylverfahren in Drittländern, das Asylrecht ad absurdum.

    In Bezug auf die Eindämmung der Ursachen der Flüchtlingsbewegung hat man schon längst resigniert, wohlwissend das in naher Zukunft die "Klimaflüchtlinge" diese "Welle" noch verstärken werden.

    Hoffen kann man nur, das die humanitäre Hilfe und Unterstützung vor Ort intensiviert wird und in Europa und den USA nicht den Rechtspopulisten zum Opfer fällt.

    • @Sam Spade:

      "In Bezug auf die Eindämmung der Ursachen der Flüchtlingsbewegung hat man schon längst resigniert"

      Weil Europa schlicht nicht die Macht hat das Klima oder den Frieden dort zu sichern.

      • @Chris McZott:

        Das Europa dort keinen Einfluss hat, ist purer Blödsinn. Wirtschaftlich und Geopolitisch nimmt Europa ständig Einfluss und trägt wesentlich zu den Zuständen bei. Deutschland hat zum Beispiel lange Zeit wesentlich zur Aufrüstung des Sudan beigetragen und Personal im Geheimdienst- und Militärbereich ausgebildet. Unser Wirtschaftsminister ist auch der Meinung das die Wahrung der Menschenrechte in den ärmsten Ländern für uns, die global drittgrößte Volkswirtschaft, wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Den Klimawandel hat der globale Süden auch nicht verursacht.

        • @Andreas J:

          Rüstungshilfe und Ausbildung von Militärs und Geheimdienst vor 30-40 Jahren oder mehr soll dazu beigetragen haben, dass Generäle heute das Land in Bürgerkrieg reißen?

          Was ist mit jenen Ländern, die Hilfe bei Rüstung und Ausbildung bekommen haben, aber nicht in Bürgerkrieg versunken sind? Könnte es nicht sein, dass es auf völlig andere Faktoren ankommt?

          Sie müssten mal darlegen, warum das eine zum anderen führen soll.

        • @Andreas J:

          Stimmt halt leider seit 2 Jahren nicht mehr, wie es jetzt aussehen mag, kann sich dann jeder selbst fragen.

          Laut der Weltbank und ihrer Zahlen ist Deutschland aktuell nur die 6. größte Volkswirtschaft weltweit, HINTER Russland!

          en.wikipedia.org/w...by_GDP_(PPP)#Table

          • @Pleb:

            An die Kaufkraft angepasst (PPP), wofür offizielle Zahlen verwendet werden die im Falle Russlands reine Fantasiezahlen sind.

          • @Pleb:

            Da steht aber Platz 5 vor Russland! Auf der deutschen Wiki-Seite laut IWF Platz 4. Wiki ist schon lange keine zuverlässige Quelle mehr. Der Spiegel und die Deutsche Welle schreiben von Platz 3. Aber egal, alles kein Grund oder gar eine Entschuldigung dafür seinen Wohlstand auf Kosten der Ärmsten zu sichern.

  • "Krieg und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung sind die größten Treiber von Fluchtbewegungen auf der Welt."



    (...)



    Nirgends gibt es auch nur den Ansatz einer Strategie seitens der Weltgemeinschaft, wie man diese Zustände überwinden könnte."

    Was tun, wenn sich ein Staat nicht an das Allgemeine Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nation hält, ohne dann selbst gegen dieses Gewaltverbot zu verstoßen? Friedliche Mittel reichen gegen Gewalt (leider) oft nicht aus.

    "Flucht ist kein Ausnahmephänomen mehr. Es ist ein Dauerzustand und ein integraler Bestandteil der modernen Welt. Die staatliche Ordnung der meisten Länder ist nicht dafür geschaffen, damit umzugehen.



    (...)



    120 Millionen Menschen auf der Flucht? Die Zahl erscheint unfassbar hoch. Aber es sind nur die Wenigen, die es bis an ein Ziel geschafft haben."

    Staatliche Ordnungen beschränken sich auf das Zusammenleben von Teilmengen der Menschheit in mehr oder weniger abgeschlossenen Gebieten. Es ist nicht bekannt, dass irgendeine dieser Teilmengen bereit wäre, ihre Staatlichkeit aufzugeben (Risiko von Kontrollverlust). Das würde bei offenen Grenzen aber (mehr oder weniger schnell) zwangsläufig folgen.

  • Die Welt wächst täglich um über 210.000 Menschen netto.

    War Afrika vor 50 Jahren noch bei etwa 350 Millionen Menschen, sind es längst über 1,4 Milliarden Menschen. Der Kontinent leidet furchtbar und es wird zunehmend rapide sehr viel schlimmer werden. Längst ist ein Großteil der Wälder für Brennholz abgeholzt, der Boden erodiert.

    Warum ist das so?

    Der SPIEGEL brachte vor 50 Jahren mal einen guten Bericht dazu:

    "Viel Potenz".



    www.spiegel.de/pol...-0000-000044906601

    Hinzu kommt die Klimakrise, die immer mehr Fahrt aufnehmen wird.

    Kriege, Vertreibungen, Flucht, Hunger.

    Übrigens hat auch Palästina von 0,9 Millionen in 1950 auf über 5,6 Millionen zugelegt.

    800 Millionen Menschen auf der Welt haben nicht genug zu essen. 300 Millionen hungern akut.

    Die Welthungerhilfe braucht etwa 50 Milliarden Dollar um zu helfen, entspricht etwa den jährlichen Migrationsausgaben Deutschlands (ohne Ukraine).

    Die UNO versorgt mit knapp zehn Milliarden Dollar im Jahr etwa 15 Millionen Flüchtlinge. Und bräuchte viel mehr Geld.

    Im 10-Sekunden-Takt verhungert ein Kind unter sieben Jahren. Drei Millionen/Jahr. Mit drei Milliarden Dollar wäre geholfen.

    • @shantivanille:

      "Längst ist ein Großteil der Wälder für Brennholz abgeholzt, der Boden erodiert."

      Der größte Teil der Abholzung geht auf den Anbau von Produkten zurück die wir dann hier bei uns konsumieren. So entfallen in der Elfenbeinküste 70% der Rodungen auf den Anbau von Kaffee und Kakao (Quelle WWF Deutschland 2023), mit umfassender Unterstützung internationaler Nahrungsmittelkonzerne.

      • @Sam Spade:

        Mag zwar sein, das viele Flächen für Exportprodukte gerodet werden. Daraus folgt aber nicht, das weniger gerodet würde, wenn es diesen Export nicht gäbe.

        Es wird seinen Grund haben, wenn z.B. für Kaffee- und Kakaoanbau gerodet wird: offenkundig der, das dies jene Erzeugnisse sind, welche unter den Umständen vor Ort am meisten Gewinn bringen. Der Bauer der das Land bestellt entscheidet sich deswegen für Kakao oder Kaffee, weil er dafür mehr Geld bekommt, als wenn er Reis oder Mais oder sonst was pflanzen würde. Würde er sich für etwas weniger Gewinnbringendes entscheiden, müsste er entweder eine größere Fläche bestellen (mehr roden) oder wenn er das nicht kann, weil die maximale Fläche die er bestellen kann erreicht ist, auf einen Teil seiner Einkünfte verzichten.

        Mitte des vergangenen Jahrhunderts hatte die Elfenbeinküste noch ca. 2,5 mill. Einwohner. Heute 10x so viele. Es ist offenkundig, dass sich diese einen Lebensunterhalt suchen müssen, und dass sie mehr landwirtschaftliche Flächen brauchen – mit oder ohne Export.

      • @Sam Spade:

        Wenn Sie es nicht für Kakao roden, heißt das nicht, dass es nicht gerodet wird. Mehr als eine Milliarde Afrikaner brauchen Lebensmittel. Erzeugt auf immer weniger immer trockeneren Flächen.



        Es hat einen Grund, warum die Blockade des ukrainischen Getreides praktisch innerhalb von Wochen in Afrika Brotpreise steigen ließ und lokale Hungersnöte drohten.

        • @Monomi:

          Nicht überall in Afrika gehört Getreide zu den Grundnahrungsmitteln. In Westafrika werden vor allem Reis, Maniok und Kochbananen gegessen. Eines der Probleme ist das die Preise stärker steigen als die unteren Einkommen. An der Elfenbeinküste sieht man auch immer mehr Palmölplantagen die nur für den Weltmarkt produzieren. So gehen Flächen für den lokalen Anbau verloren.

      • @Sam Spade:

        Knapp die Hälfte der Exporte der Elfenbeinküste entfallen auf agrarische Produkte de.statista.com/st...e-elfenbeinkueste/

        Was also schlagen Sie vor? Wir verbieten in der EU den Import?

      • @Sam Spade:

        SPIEGEL: "Afrika ist in den vergangenen zehn Jahren zum Brennpunkt der weltweiten Waldverluste geworden, so die Uno-Landwirtschaftsbehörde FAO in ihrem Waldzustandsbericht 2020. Demnach hat Afrika bei der jährlichen Fläche der Entwaldung Südamerika überholt. Grund für die Abholzung in Afrika ist laut Experten das hohe Bevölkerungswachstum, das Kleinbauern dazu zwingt, mehr Flächen zu roden, um ihre Existenz zu sichern."

        www.spiegel.de/wis...-a6c5-3943ae49eca8

  • Wer oder was ist "die Weltgemeinschaft"?

    • @DiMa:

      Weltgemeinschaft.

      Alles Menschen.

      In ihrer Essenz, in ihrem Sein.

      Wenn auch sehr unterschiedlich in ihren Konditionierungen, Ideologien, Mind-Maps etc.

      Nehmen wir Deutschland. Vor 85 Jahren ein hoher Prozentsatz Monster, die Millionen Menschen umbrachten.

      Und jetzt, wie drückte es kürzlich jemand aus, wollen sie die ganze Welt umarmen.

      Und so ist es überall.

      Doch die Essenz des Menschen ist jenseits von männlich oder weiblich, arm oder reich, Hautfarbe, Land, Zeit, Epoche, Ideologie, diesem oder jenem.

      Insofern gibt es eine Gemeinschaft als Menschen.

      Fühlende Wesen. Und da nehme ich gern, sehr gern, die Tiere mit rein.

      Und dann könnten wir uns über Bäume unterhalten.

    • @DiMa:

      Wer so fragt muss leider ganz von vorne anfangen…

      Wie wär‘s für‘s erste mit:

      „Die Bewohner des Planeten Erde, vornehmlich seine Verwalter und Entscheidungsträger“

      …“zuförderst seine Entscheidungsträger…“

      Wir alle!

      Gern geschehen, andernfalls sollte die Frage präzisiert werden, wer sich denn angesprochen und verantwortlich fühlen sollte, Staaten, Institutionen usw.

      • @Allesheuchler:

        Das alles leuchtet nicht ein, den mir fehlt ein gemeinschaftlich verbindendes Element.

        • @DiMa:

          Da müssen sie die Gründe bei sich selbst suchen. Ich fühle mich sehr wohl verbunden. Ich habe auch einen großen migrantischen Freundeskreis, kenne ihre Lebensgeschichten und war auch schon oft in Westafrika.

  • Wenn wir hingehen und uns einen Konflikt aneignen, ist das dann nicht auch irgendwie wieder ähnlich wie Kolonialismus? Wir haben eigentlich kein Anrecht darauf, die politische Lage in anderen Ländern zu beherrschen. Wie also helfen, ohne Kontrolle auszuüben?

    Leider lassen sich Gewalttätige nicht ohne Gewalt bekämpfen. Ein Paradox, der uns wieder und wieder in den Abgrund zieht. Ein Krieg hat wieder zivile Opfer zur Folge, bei weitem nicht alle ziehen eine Flucht in Erwägung.

    Grundsätzlich sehe ich vor allem da große Probleme wo Grenzen in Frage gestellt werden. Das führt immer zu Konflikt und Vertreibung. Vielleicht ist es am Ende besser, Grenzen solche bleiben zu lassen und keine neuen zu erfinden und lieber eine interne Lösung zu finden.

    • @ImInternet:

      "Wenn wir hingehen und uns einen Konflikt aneignen, ist das dann nicht auch irgendwie wieder ähnlich wie Kolonialismus?"

      Ja. Aber irrelevant, denn diese Frage kommt 30 Jahre zu spät. Selbst wenn "wir" es wollten, "wir" könnten dort gar nicht erfolgreich eingreifen.

      In den meisten genannten Ländern sind die Chinesen die (neokoloniale) Wirtschaftsmacht und/oder die Russen liefern Waffen und Söldner. Mit denen sollten die Europäer sich lieber nicht anlegen, wenn sie nicht verprügelt werden wollen.

      • @Chris McZott:

        Es würde schon viel nützen, wenn wir nicht durch unser Eingreifen die Situation verschlechtern. Niemand fordert, dass wir uns Konflikte "aneignen".

  • Danke sehr, Dominic Johnson!

    Ich erinnere mich nicht, jemals eine so aufwühlende und doch nüchterne Zusammenfassung des weltumspannenden Elends der Flucht gelesen zu haben!

    Sie übersetzen die leblosen Daten mit erschütternden Beschreibungen in das Bewusstsein der Leserschaft, bis hin zum stillen Tod irgendwo… wohl niemand mit einer Seele im Leib blättert hier ungerührt weiter zum nächsten Thema.

    Sehr bemerkenswert auch, dass Sie ohne einseitige politische Parteinahme auskommen, ohne Sensationen suchende Polemik, ohne rasch hingeworfene Lösungsvorschläge, ohne abschließende Einzelanklage und ohne schnelle, oberflächliche Besserwisserei, die auch im Journalismus zu finden ist.



    Sie drängen den Leser nicht in eine bestimmte Denkrichtung, sondern entlassen ihn in eine Andacht im besten Sinne:



    Gehe in dich, Menschheit, und schaffe dieses Elend ab!

    Erst im zweiten Schritt, nach einem Durchatmen, beginnt man mit eigenen Gedankenmodellen, denkt über die UN und über Strategien, die ohne erneute Gewalt auskommen.

    Ihr Beitrag wird mich lange beschäftigen und sollte seiner Neutralität wegen in Schulen eine der Grundlagen für politische Bildung sein!

  • "Fast 120 Millionen auf der Flucht...."

    Eine Erbe aus der Kolonialzeit gepaart mit Neokolonialen Strukturen und gefördert mit immer wieder neuen Rekordzahlen der Rüstungsindustrie!

    • @aberKlar Klardoch:

      So halbgare Feststellung

      denn die ganz große Rüstungsindustrie braucht es wenig; in der Mehrzahl der bewaffnete Konflikte weltweit reicht das russische

      AK 47 - Von dem von Michail Kalaschnikow konstruiertem Sturmgewehr AK47 gibt es weltweit schätzungsweise 100 Millionen Exemplare. Der "Awtomat Kalaschnikow obrasza 1947" ist die weltweit gebräuchlichste Waffe.

      und zumeist bei antidemokratischen Rebellen, Islamisten, Verbrecherbanden und Terroristen in Gebrauch,



      verlässlich, günstig… ein Exportschlager erster Klasse! Gewinnorientierte Kapitalisten halt…

    • @aberKlar Klardoch:

      Müssten Sie jetzt aber erklären

      Der Artikel sagt dazu anderes.

      Inwiefern sind die beiden Kriegsherren im Sudan beispielsweise ein Erbe der Kolonialzeit der Osmanen oder der Engländer?

      Übrigens ist der Sudan ein Land, das selbst Waffen exportierte.

      • @rero:

        Sudan war eine Ägyptische Kolonie.

  • Es muss Aufhören, den Flüchtlingen & Vertrieben die Schuld für diese Flüchtlings Katastrophe zu geben !



    Machthaber & Politiker sind für diese Zustände verantwortlich !

    • @Alex_der_Wunderer:

      Das macht auch niemand

      • @Nobodys Hero:

        Nein ? Nur wenn die Flüchtlinge hier ankommen, sehen viele Inländer/ Deutsche ihre Mitverantwortung an dieser Katastrophe nicht...

        • @Alex_der_Wunderer:

          Die deutschen sind nicht an Assad, den Taliban oder dem Bürgerkrieg im Sudan Schuld.

          • @Machiavelli:

            ...wo leben Sie denn...???



            Selbstverständlich - was denken Sie, was unsere Außenministerin & Uschi v. d. Leyen für Verhandlungsspielraum haben...

        • @Alex_der_Wunderer:

          Ja, es gibt Mitveranwortung, aber nicht immer und wenn, dann auch nicht immer in einem entscheidenden Umfang.

          Die Pauschalisierung der Mitverantwortung für alles, was im sogenannten "Globalen Süden" (oder in der sogenannten "Dritten Welt") passiert, befreit von der durchaus anstrengenden(!) Beschäftigung mit den wirklichen Ursachen.

          Sich auf Kosten anderer zu bereichern - dieses Verhalten findet man (außer in sehr abgeschieden lebenden idigenen Gruppen) nicht nur im kapitalistischen Westen, sondern überall auf der Welt. Und das hat von uns auch niemand gelernt. Das gab es nachweislich schon vor 5.000 Jahren. Da waren wir noch "Dritte Welt".

          • @Al Dente:

            ...in den letzten 5.000 Jahren ist aber EINIGES - ganz quer gelaufen...

  • So eindrucksvoll es auch sein mag, die schieren Flüchtlingszahlen in einem kurzen Artikel geballt zusammenzufassen, kann das nichts über die Ursachen, Motive Einzelner oder Gruppen und die möglichen Lösungen aussagen.



    "Überall zerschlug sich diese Hoffnung, zerstört von den lokalen Machthabern und Kriegsherren, die von Gewalt und Rechtlosigkeit leben und vom millionenfachen Leid profitieren." Allein unter dieser Aussage sind Konflikt oder Gewaltexzesse oder Terrorismus in Sudan, Kongo, Nahost und Myanmar subsumiert. So wird sie keinem der erwähnten Vorgänge gerecht, nicht den handelnden Subjekten, auch nicht den Leidtragenden, wobei das schon wieder ein Schwarz-Weiß ist, das selten die Realität abbildet. Genauso wie das Foto keine Realität abbildet, die ich irgendwie im Kontext nachvollziehen (also falsifizieren) könnte.



    Was soll mir der Artikel also sagen?



    Fazit: Das ist alles schrecklich, weil es schrecklich ist.

    • @Vigoleis:

      Ich verstehe nicht so recht, worauf Sie hinauswollen. Natürlich kann man zu jedem dieser Konflikte noch erschöpfende Ausführungen machen. Aber was wäre damit gewonnnen? In all diesen Fällen haben wir es mit gewaltaffinen Gesellschaften zu tun, die es nicht geschafft haben, friedliche Wege der Konfliktlösung zu etablieren. So jedenfalls habe ich das verstanden. Und dass sich Johnson angesichts dieser Ausgangssituation wohlfeiler Patentlösungen verweigert, sehe ich eher als Stärke an. Man muss seinen hier anklingenden anthropologischen Pessimismus ja nicht teilen, aber ich sehe wenig, was dem entgegenzuhalten wäre.

  • "Krieg und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung..."



    mit Waffen der wirtschaftlich reichen Staaten, welche daran Milliarden verdienen. Diese Länder brauchen keine Waffen, diese Länder brauchen Hilfe zur Selbstversorgung, akzeptable Gesundheitssysteme, ein Einkommen von dem man leben kann. Dann hören auch die Fluchtwellen auf. Auf der anderen Seite steht die Frage, ob Deutschland Retter der Welt sein soll, sein kann, sein darf. Welche Maßstäbe für "so soll es sein" wollen wir den ansetzen, welche Moral ist die richtige und keine Bevormundung?

    • @Rudi Hamm:

      Etwas simpel in der Betrachtung. "Diese Länder" bestehen eben auch aus Warlords, Generälen, Anführen, ihren Familien und Anhängern, die sich mit der Ausbeutung der Rohstoffe und der Bevölkerung eine goldene Nase verdienen.

    • @Rudi Hamm:

      "Mit Waffen der wirtschaftlich reichen Staaten" Das sind in Afrika chinesische Kalaschnikow-Kopien.



      Die Länder brauche zuerst und vor allem nicht-korrupte Regierungen, denn sonst fließen alle Mittel nicht in "Hilfe zur Selbsthilfe", sonder, wie gehabt, in die Schweiz oder nach Panama. Da reicht "Bevormundung" nicht, da braucht es regime change. Das aber kann niemand von uns verlangen.

  • Es gibt keine Weltgemeinschaft. Es gibt Staaten mit sehr unterschiedlichen Interessen. Schon die EU hat enorme Probleme, die europäischen Interessen zu bündeln. Die UN hat sich weitgehend erledigt, wie der Nahostkonflikt zeigt.

  • Kluge und konzise Analyse, der ich in fast allen Punkten zustimmen kann. Vor allem ist Dominic Johnson fern von jeglicher Verklärung des ominösen "globalen Südens" und benennt klipp und klar die selbstgemachten Probleme.



    Es bleibt eine gewisse Ratlosigkeit.