Was Katalonien völkerrechtlich darf: Kein Recht auf Sezession

Schwere Menschenrechtsverletzungen wären ein Grund für eine Unabhängigkeit Kataloniens. Der kommt für die Region allerdings nicht in Frage.

Demonstranten für die Unabhängigkeit Kataloniens schreien und halten eine Fahne vor sich

Mal durch die Völkerrechtsbrille gucken wäre ganz gut Foto: dpa

FREIBURG taz | Katalonien kann sich bei der geplanten Abspaltung von Spanien nicht auf das Völkerrecht berufen. Dort ist kein generelles Recht auf Sezession vorgesehen. Die vor einer Woche durchgeführte katalanische Volksabstimmung kann eine einseitige Erklärung der Unabhängigkeit und eine Missachtung der spanischen Verfassung nicht rechtfertigen.

Auf den ersten Blick mag diese Feststellung erstaunen, denn das Völkerrecht garantiert das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Es ist in der UN-Charta und verschiedenen UN-Pakten erwähnt. Heute ist auch anerkannt, dass es sich dabei nicht nur um ein moralisch-politisches Ziel, sondern um eine Rechtsnorm handelt.

Allerdings steht das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Konkurrenz zu einem zentralen völkerrechtlichen Prinzip: der Souveränität der Staaten und dem Schutz ihrer territorialen Integrität. Schon deshalb wird das Selbstbestimmungsrecht nicht so verstanden, dass sich ein Volk jederzeit per einseitiger Erklärung aus einem Mehrvölkerstaat verabschieden kann.

Für eine restriktive Auslegung sprechen aber auch wichtige praktische Gründe. So sind Siedlungsgebiete meist gemischt. Auch nach einer Sezession gäbe es im neuen Staat wieder Minderheiten, die sich nun ihrerseits abspalten könnten. Außerdem ist es schwer zu definieren, was ein „Volk“ eigentlich ist. Sind die Bayern ein Volk innerhalb Deutschlands? Sind die Franken ein Volk innerhalb Bayerns?

„Volk“ ist kaum zu definieren

Die größte Rolle spielte das Selbstbestimmungsrecht der Völker bisher, als nach dem Zweiten Weltkrieg die alten Kolonialreiche aufgelöst und die Staaten Afrikas unabhängig wurden. Dabei blieben aber die alten Staatsgrenzen in der Regel erhalten, das heißt: die afrikanischen Staaten blieben Mehrvölker-Staaten und wurden eben nicht aufgelöst.

Das Selbstbestimmungsrecht einzelner Völker soll also vor allem innerhalb der Staaten berücksichtigt werden. Die Sprache und Kultur einzelner Volksgruppen soll geschützt werden. Niemand soll wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert und ausgegrenzt werden. Regionale Autonomierechte oder ein föderaler Staatsaufbau können helfen, sind aber international nicht vorgegeben.

Ein Abspaltungsrecht einzelner Volksgruppen wird völkerrechtlich nur ganz ausnahmsweise anerkannt – wenn es aktuell zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen gegen die Angehörigen dieser Volksgruppe kommt. Frühere Unterdrückung, etwa der Katalanen zur Zeit des Franco-Regimes, zählt hier nicht. Die Abspaltung muss ein Notwehr-Akt gegen gegenwärtige Gewaltherrschaft sein.

Jenseits der völkerrechtlichen Theorie kommt es aber vor allem darauf an, ob ein „Staat“, der sich für unabhängig erklärt, dann von anderen Staaten anerkannt wird. So war im Fall des Kosovo, das sich 2008 von Serbien lossagte, durchaus umstritten, ob zu diesem Zeitpunkt (neun Jahre nach dem Kosovo-Krieg) eine Sezession gerechtfertigt war. Die meisten westlichen Staaten haben den neuen Staat dennoch anerkannt. Darauf kann Katalonien wohl nicht hoffen.

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