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Wagenknecht und MigrationWäre gerne eine Alternative zur AfD

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Wagenknecht schlägt eine Volksabstimmung zur „Asylwende“ vor, was grundgesetzlich unmöglich ist. Sie geht damit womöglich den eigenen Leuten zu weit.

Sahra Wagenknecht erklärt im Bundestag, warum sie Merz' „Zustrombegrenzungsgesetzt“ zustimmt Foto: AP

E s kann nun keinen Zweifel mehr daran geben, wie sich das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) positioniert: zwischen CDU/CSU und AfD. Sieben der zehn BSW-Abgeordneten im Bundestag stimmten für das umstrittene „Zustromsbegrenzungsgesetz“, das Friedrich Merz am Freitag ins Parlament eingebracht hatte.

Dass es keine Mehrheit fand, lag also nicht am BSW – sondern an den Abgeordneten von CDU und FDP, die der Abstimmung fernblieben. Bei den beiden Anträgen der Union am vergangenen Mittwoch hatte sich das BSW noch enthalten.

Wagenknecht rechtfertigte den Zickzackkurs ihrer Partei damit, dass die beiden Anträge der Union größtenteils „Symbolik“ gewesen seien. Die Einwanderung nach Deutschland müsse man aber begrenzen, und Merz gehe mit seinen Vorschlägen noch nicht weit genug.

Deshalb bringt sie nun eine Volksabstimmung ins Spiel, um eine „Asylwende“ durchzusetzen, und wünscht sich eine Obergrenze von rund 50.000 Zuwanderern pro Jahr. Alles andere würde das Land überfordern und die Sicherheit gefährden, behauptet sie, wobei sie Asylbewerber und andere Zuwanderer absichtsvoll vermischt.

Die Brandmauer hält Wagenknecht für Quatsch

Populisten lieben Volksabstimmungen, weil sie komplexe Fragen auf ein simples „Ja/Nein“-Schema reduzieren. Wagenknecht weiß natürlich, dass das Grundgesetz ein solches Referendum nicht zulässt. Ihr geht es um Aufmerksamkeit und darum, beim Thema Migration einen Platz zwischen Union und AfD zu besetzen.

Sie meint, die deutsche Asylpolitik sei immer noch nicht restriktiv genug, und erst die Ausgrenzung habe die AfD stark gemacht. Deshalb hält sie die Brandmauer für Quatsch. Indem sie sich als seriöse Alternative zur AfD präsentiert, hofft sie, deren Wähler von sich zu überzeugen.

Die Frage ist, ob ihre eigenen Anhänger diesen Kurs goutieren. Denn viele wählen die Partei nicht wegen ihrer Positionen zur Migration, und viele ihrer Mitglieder und Wähler verstehen sich eher als links. Merz hat mit seinem Schmusekurs gegenüber der AfD viele in seiner Partei gegen sich aufgebracht. Möglicherweise macht Wagenknecht den gleichen Fehler.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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9 Kommentare

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  • Vor nicht allzu langer Zeit schrieb Herr Bax noch Artikel wie:

    "Erfolg für das Bündnis Sahra Wagenknecht



    Stark dank Sahras Strahlkraft"

    Ihre Pro-P., antiwestlichen Äußerungen dürften solche Artikel befeuert haben.

    Und hier sind wir nun. Mit ihrer Haltung zu Russland fischt sie bei den Linken, mit ihrer Haltung zu Migration bei den Rechten, und mit ihrer Haltung bei Themen wie Klima etc. fischt sie auch noch in der Mitte.

    Der "Zickzackkurs ihrer Partei" hat nur den Grund, dass man manchmal bei dem Versuch es allen recht zu machen, es eben keinem recht macht.

    Bleibt nur zu hoffen, dass die Partei zurück in die Beudeutungslosigkeit verschwindet aus der sie kam.

  • Ich teile die Einschätzung von Daniel Bax, dass Wagenknechts Fixierung auf das Migrationsthema viele ihrer Mitstreiter dazu bewegen könnte, ihr wieder den Rücken zu kehren. In den Wahlumfragen kündigt sich das übrigens auch schon an.



    Und was braucht es eine ursprünglich aus dem linken Lager stammende Partei, die sich programmatisch ausgerechnet zwischen CDU und AfD verortet? Viel Platz ist dazwischen ohnehin nicht (das muss auch die aus der bürgerlich-rechtskonservativen Ecke kommende Werteunion erkennen).



    Nicht schade jedoch, dass das BSW seine sozialpolitische Flanke - von der ich mir vor etwa einem Jahr noch erhofft hatte, dass es damit einen wählbaren Platz irgendwo zwischen Linken und SPD einnimmt - jetzt so schnell wieder preisgibt.



    Denn es ist eine große neue Chance für die Linken, sich in Zeiten zu profilieren, in denen alle anderen fast ausschließlich über Migration reden, nicht aber über soziale Ungerechtigkeit und die Gefahren. die daraus für die Demokratie entstehen.

  • Genau, aus dem Nichts jetzt Volksabstimmungen. Wenn das nicht geübt ist kommt da nur Mist raus, die Koch CDU hat in Hessen bei der Kommunalwahl 2011 auch über eine Schuldenbremse abstimmen lassen, 70% Zustimmung, bestimmt alles von "Experten", die langfristige Investitionen aus der Portokasse zahlen. Danach dann verscherbeln der Landesimmobilien und zurückmieten zu Mondpreisen.



    Genauso wäre es bei einer Abstimmung zu "Grenze zu", mal abgesehen davon, dass dann Schengen im Eimer wäre, würde das nur bei einer "Zonengrenze 2.0" funktionieren und alles Geld würde in Grenze und Grenzschutz fließen.

  • Gewinnerthemen für das BSW sind Außenpolitik, Wirtschaft und materielle Verteilungsgerechtigkeit. Migration ist so oder so ein Verliererthema. Deshalb ist es für mich etwas unverständlich, dass Wagenknecht die Farce im Bundestag nicht einfach ignoriert und Merz die kalte Schulter gezeigt hat.

  • Das formale Argument, dass Volksabstimmungen "nicht vorgesehen" seien, ist natürlich schwach - und bringt das Grundgesetz überwiegend unnötig in Misskredit.



    Denn natürlich werden "Abstimmungen" im Grundgesetz erwähnt; man könnte das also endlich einmal durch Gesetze konkretisieren.

    Tatsächlich ist schon wichtig, dass es um ausdifferenzierte Pakete geht und nicht um ein einfaches "Ja/Nein".



    Allein schon die Vorbereitung auf ein Referendum, in dem die Parteien jeweils vollständige Konzepte ausarbeiten müssten, könnte sich lohnen.

  • Schon wieder irgendein dämlicher Vorschlag, der aus gutem Grund mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist. Purer Populismus halt.



    Die angebliche Sicherheit, von der AfD, CDU/CSU und das BSW gerne schwafeln, ist mir, ehrlich gesagt, bei weitem weniger wichtig als meine persönliche Freiheit.



    Wer weniger Tote in Deutschland will, sollte es lieber mit einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen versuchen. Das wäre billiger und brächte mehr, als mit fadenscheinigen Argumenten gegen Migranten zu hetzen, obwohl jede(r) Politiker(in) und jede(r) Bundesbürger(in), die/der des Rechnens kundig ist (o.k., das sind evtl. zu wenige) genau wissen müsste, dass man mit den von Merz vorgeschlagenen Maßnahmen das angebliche Ziel, für mehr Sicherheit zu sorgen, nicht erreichen kann. Außerdem müssten wir für diese Luftnummern viel Geld aus- und wesentliche Freiheiten aufgeben.

    • @Aurego:

      Schließe mich an - und es ja symptomatisch für den deutschen Michel und zieht sich wie ein roter Faden durch seine Geschichte, wie sehr er doch bereit ist, wesentliche demokratische Werte (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) für ein bisschen Sicherheit zu opfern. Vielmehr: für ein Versprechen auf Sicherheit, das so nie eingelöst werden kann.

  • Ich bin bei solchen lächerlichen Vorschlägen immer der Meinung, dass wir das machen sollten. Allerdings darf ein politischer Gegner auch einen Vorschlag einbringen, der keine Grenzen der Realitätfremdheit kennt.



    In diesem Fall wäre ich dann für eine absolute VISA Pflicht zur Einreise in Städte über 200.000 (300k? 400k?) Einwohnern und Metropolregionen, wenn im Wahlkreis fckafd und phrasenknechte bei mehr als 25% liegen.

  • Bei der BSW weiß man einfach nicht, wo man dran ist, wieso sollte man sie dann wählen?