Verfehlte Werbekampagne des Senats: Arm, aber peinlich
Berlin startet eine neue bundesweite Imagekampagne. Die ist misslungen, spiegelt aber auch wider, was aus der Stadt inzwischen geworden ist.
L iebste Berliners und alle, die es werden wollen, ich habe eine traurige Mitteilung zu machen: Berlin ist tot. Mutmaßlich umgebracht vom eigenen Senat. Das war vorauszusehen, werdet ihr sagen. Diese Stadtentwicklung konnte nur tödlich enden. Wenn man nix gegen die Armut tut, dann wird aus „arm, aber sexy“, eben schnell „arm und krank“ und darauf folgt nun mal tot. Wir nehmen’s gelassen.
Diese Haltung ist sehr berlinerisch von euch und ich will an dieser Stelle auch keine große Fassbrause aufmachen, aber nun wurde vom Regierenden die Grabrede angekündigt. Am 12. September soll sie kommen.
In Form von 16 Motiven auf 1.500 Flächen in Berlin und in Medien: Der Senat hat eine neue Imagekampagne gestartet und sich dafür mit einer Agentur zusammengetan, die wohl auf Dad-Jokes spezialisiert ist. Die Slogans klingen genauso, wie sich Touris die Berliner Schnauze vorstellen, nur in Konservativ und Spröde. Es ist wie eine Busfahrt mit deiner Tante aus Niederrodenbach und sie sagt, „Ach, da ist ja der Fernsehturm, wie nennt ihr den noch gleich? Spargel? Rotstift? Ihr Berliner habt doch für alles so witzige Spitznamen“ … nur trockener als das und irgendwie mit einem leicht traurigen Unterton.
Beispiel? „Wir können unfreundlich, aber auf die nette Art.“ Die Verantwortlichen nennen das selbstironisch. Ich nenne es: Die Stimmung in der Stadt nicht gelesen. Die Menschen hier, die sich nicht überlegen, welches Start-up sie mit Papas Geld als nächstes gründen sollen, brauchen gerade mehr Herz als Schnauze. Besonders von Politik und Verwaltung.
Nicht witzig
Es gibt noch mehr. Wie gesagt: Es sind sechzehn Motive. „Was wir von Mauern halten, wisst ihr ja.“ Moment. Ist das nicht derselbe Senat, der den Görlitzer Park einzäunen und abschließen möchte? Gegen den Willen der Anwohner*innen und des Bezirks? Das ist nicht „selbstironisch“, das ist gehässig.
Wenn man sich den Rest durchliest – und da wird man wohl nicht dran vorbeikommen –, befällt einen eine gewisse Melancholie und das traurige Gefühl, verlassen worden zu sein. Berlin ist nicht mehr chaotisch, aber cool. Nicht mehr hart, aber frei. Denn die Stimmung schlägt um, wenn aus Prekarität Elend wird. Wenn Menschen, die hier ihr Leben, ihre Lieben und ihre Arbeit haben, die diese Stadt gestalten und prägen, es sich nicht mehr leisten können, auch hier zu wohnen.
Schlechte Infrastruktur ist nicht witzig. Sie trifft besonders Behinderte und chronisch kranke Menschen. Familien mit Kindern und Leute mit wenig Geld.
Lange Zeit konnte ich in Berlin kreativer und freier sein als irgendwo sonst. Der finanzielle Druck, die soziale Unsicherheit, wachsender Rassismus, Antisemitismus und Queerfeindlichkeit, Ableismus, das krasse Erstarken reaktionärer Gruppen: Sie drohen gerade all das zunichtezumachen, wofür die Stadt steht. „Wenn wir nix auf die Reihe kriegen, warum stehen dann alle Schlange?“, das war vor zehn Jahren. Doch war seitdem einer der an der Kampagne Beteiligten mal in Berlin? Wenn ja, dann sicherlich nicht östlich vom Wannsee.
Diese Kampagne ist noch nicht mal auf die interessante Art schlecht. In der Pressemitteilung heißt es, sie wäre mutig. Aber da ist kein Mut, nur Abstand zum Zeitgeist. Alles ist so uninspiriert, wie diese Stadt zu werden droht. Berlin hat wenn, dann eine Imagekampagne verdient, die so peinlich ist wie die Posse um den BER. Nur eben nicht ganz so teuer.
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