Verfahren gegen CDU-Politiker eingestellt: Weiße Privilegien für Amthor
Philipp Amthor kommt mit seiner Lobby-Arbeit für das Start-up Augustus Intelligence davon. Weil er weiß ist.
D ie Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat ein Verfahren gegen den CDU-Politiker Philipp Amthor eingestellt. Es gebe keinen „Anfangsverdacht strafbaren Verhaltens“, ergab eine Prüfung. Ermittlungen wurden erst gar nicht aufgenommen. Gegen den Bundestagsabgeordneten lag eine Strafanzeige vor.
Der Spiegel hatte Mitte Juni die diskrete Lobbyarbeit Amthors für das New Yorker Start-up-Unternehmen Augustus Intelligence aufgedeckt. Wenn man die Recherche liest, kann von diskret aber keine Rede mehr sein. Es geht darum, dass Amthor auf Kosten der umstrittenen IT-Firma – die eine Briefkasten-Adresse in der US-Steueroase Delaware besitzt und von der niemand weiß, was sie genau verkauft und – schöne Geschenke bezahlt bekommen hat: teure Flugreisen, Übernachtungen in Luxushotels, lecker Champagner und Aktienoptionen im Wert von bis zu einer Viertelmillion US-Dollar. Die Gegenleistung: für das Start-up bei der Bundesregierung ein gutes Wort einlegen.
Man könnte glatt meinen, dass hier die Definition von Korruption und unlauterem politischem Einfluss eines Unternehmens auf einen gewählten Abgeordneten erfüllt ist. Doch es geht hier um mehr: weiße Privilegien. In sozialen Medien haben sich CDU-Fans und ihre Freunde schon über diese Analyse empört. Deswegen folgt nun eine erklärende Zusammenfassung: Schritt für Schritt.
Weiße Privilegien sind auch dann gegeben, wenn Weiße unbehelligt Dinge tun, für die nichtweiße Menschen in Deutschland direkt gesellschaftlich oder sogar juristisch bestraft werden würden. Die Weißen kommen aber ungestraft oder mit einem blauen Auge davon. Diese Dynamiken kann man am besten in Gerichtssälen beobachten. Die Macht rassistischer Vorurteile oder Bevorzugung ist in Justizsystemen gut erforscht.
Halbherzige Entschuldigung
Amthor hatte seine Arbeit für Augustus Intelligence zwar als Nebentätigkeit angegeben, doch erst die Spiegel-Recherche zeigte, um was es dabei wirklich ging. Nach der Veröffentlichung entschuldigte sich Amthor halbherzig auf Instagram. Das Ganze sei ein Fehler gewesen, er habe sich „politisch angreifbar“ gemacht. Als langsam klar wurde, dass diese Entschuldigung selbst für Parteifreunde wie dünner Kaffee schmeckte, verzichtete Amthor auf die anvisierte Kandidatur als Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern. Schritt für schritt herantasten, wie viel Reue man zeigen muss: Ja, das ist hierzulande auch Ausdruck weißer Privilegien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann