Vegane Landwirtschaft und Welternährung: Nachhaltige Landwirtschaft
Vegane Landwirtschaft ist sehr umweltfreundlich und verbraucht auch weitaus weniger Ackerfläche. Doch es gibt noch eine bessere Lösung.
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Marco Springmann, Wissenschaftler an der Oxford University, hat im Jahr 2016 berechnet, was eine tierfreie Landwirtschaft tatsächlich fürs Klima bedeuten würde. Ergebnis: Es würden bis zu 70 Prozent weniger Treibhausgase aus der Nahrungsmittelproduktion in die Atmosphäre gelangen. Denn bei der Produktion von tierischen Lebensmitteln entstehen deutlich mehr Klimagase wie Methan, Kohlendioxid oder Lachgas als bei Getreide oder pflanzlicher Frischkost.
Zudem würden durch tierfreie Landwirtschaft immense Flächen frei: In Deutschland wachsen zum Beispiel aktuell auf rund 60 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Futterpflanzen. Laut dem Vegetarierverband ProVeg müssten hier neben Getreide, Gemüse und Obst mehr Hülsenfrüchte wie Lupinen, Ackerbohnen und Soja angebaut werden. „Das sind wichtige pflanzliche Proteinquellen. Außerdem stärken sie den Aufbau von Humus und senken den Nitratbedarf, da sie Stickstoff aus der Luft binden“, sagt Jens Tuider von ProVeg. Ein Teil der Flächen könnte zudem als Schutzgebiete ausgezeichnet werden und die Artenvielfalt sichern. „Biodiversität ist angesichts des Klimawandels entscheidend, denn sie macht unsere Ökosysteme widerstandsfähiger und hilft, große Mengen Treibhausgase zu speichern“, sagt Tuider.
Flächenverbrauch reduzieren
Zwar müsste auch mengenmäßig mehr Nahrung produziert werden, da Pflanzen nicht so dicht gepackt sind mit Nährstoffen. Doch auch wenn man diesen Mehrkonsum mit einrechnet, sind die Einsparpotenziale durch reine Pflanzenkost beim Flächenverbrauch laut Umweltbundesamt (UBA) erheblich.
Auf die ganze Welt gemünzt würden bei einer viehlosen Landwirtschaft 1,03 Milliarden Hektar frei, wo derzeit laut UBA Soja und Getreide für den Futtertrog angebaut werden. Allerdings: Bei der pflanzlichen Lebensmittelerzeugung entstehen Reststoffe wie Stroh, Trester, Getreidespelzen oder Blätter – laut Studien der TU München kommen auf 1 Kilogramm Pflanzenkost 4 Kilogramm für Menschen nicht essbare Masse. Derzeit landen sie im Tierfutter, sie enthalten wichtige Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor. Würde man diese Reststoffe verbrennen, würde das Millionen Tonnen CO2-Emissionen bedeuten. „In der bio-veganen Landwirtschaft muss man nichts verbrennen, die Reststoffe werden kompostiert, um den Kreislauf zu schließen“, sagt Benjamin Bodirsky vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung.
Frei würden auch Weideflächen, konkret: 3,55 Milliarden Hektar, auf denen derzeit Rinder und Schafe weiden. Das entspricht ungefähr einem Viertel der weltweiten Landflächen. Doch bei den Weideflächen stellt sich die Frage, ob diese so einfach für den Anbau von Apfelbäumen, Weizen oder Tomatenplantagen nutzbar wären. Das UBA schreibt: „Weideland sollte generell aus ökologischen Gründen nicht in Ackerland umgebrochen werden.“ Schließlich seien Grünlandflächen gewaltige Kohlenstoffspeicher. Deren Umbruch würde Treibhausgase freisetzen. „Vollständig auf Viehhaltung zu verzichten wäre nicht nachhaltig“, sagt Christiane Huxdorff, Landwirtschaftsexpertin bei Greenpeace. „Denn Rinder können auf Grünflächen gehalten werden, auf denen kein Ackerbau möglich ist, etwa auf steilen Hängen.“
Auch Martin Schlatzer, Wissenschaftler am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), sagt, dass es in einigen Gebieten wenig Sinn mache, Weideflächen umzuwidmen. So werde in der Mongolei oder der Subsahara Viehzucht auf Flächen betrieben, die sich kaum zum Ackerbau eigneten.
Benjamin Bodirsky, Klimaforscher
Würden Dünger künstlich hergestellt, würde auch viel Energie verbraucht. Bei bio-veganer Landwirtschaft, die auf Mineraldünger verzichtet, würden diese Emissionen jedoch nicht anfallen. Unter dem Strich ist klar: „Eine vegane Ernährung benötigt deutlich weniger Ressourcen als die derzeitige Ernährungsweise“, sagt Matin Qaim, Agrarökonom an der Universität Bonn.
Doch würden damit auch alle Menschen satt? Immerhin leiden derzeit 800 Millionen Menschen Hunger, 2 Milliarden sind mangelernährt. „Man könnte mit veganer Landwirtschaft 3 bis 4 Milliarden Menschen mehr ernähren als mit der derzeitigen sehr tierlastigen Nahrungsmittelproduktion“, ist Schlatzer überzeugt.
Es gibt sogar Studien, die aufzeigen, dass bei weltweit veganer Ernährung auch mit den niedrigeren Erträgen der Biolandwirtschaft ausreichend Nahrungsmittel produziert werden könnten. „Allerdings sind dies rein theoretische Berechnungen, die außer Acht lassen, dass eine rein vegane Ernährung für alle gesundheitlich nicht empfehlenswert ist“, sagt Qaim. Unbestritten ist, dass zumindest Vitamin B12 als Nahrungsergänzung eingenommen werden muss.
Auch ein politisches Problem
Zudem müssen Veganer gut über ausgewogene Ernährung Bescheid wissen. „In ärmeren Ländern ist dies jedoch nicht immer der Fall“, so Qaim. „Die Menschen dort haben wegen saisonaler Schwankungen oft auch keinen ausreichenden Zugang zu gesunden pflanzlichen Lebensmitteln. Tierische Produkte können hingegen das ganze Jahr produziert werden und so die Ernährungssicherheit verbessern.“ Zudem ist Hunger auch ein politisches Problem, wie der russische Krieg gegen die Ukraine derzeit wieder schmerzlich aufdeckt.
Insgesamt besser für Umwelt und Gesundheit wäre darum eine Landwirtschaft mit wenig Tierhaltung, angepasst an die jeweiligen geografischen und klimatischen Bedingungen. Wer sehr wenig tierische Produkte gemäß der „planetary health diet“ isst, ist mit allen Nährstoffen versorgt. Zudem könnten Nebenströme aus der Landwirtschaft weiter verfüttert werden. Gülle und Mist könnten die Böden fruchtbar halten.
Auch Schlatzer plädiert zumindest für eine stark reduzierte Tierhaltung. Wenn nur die reichen Länder auf eine „planetary health diet“ umstiegen, würden auch schon gut 60 Prozent weniger Treibhausgase in der Lebensmittelproduktion entstehen, so hat Schlatzer kürzlich in einer Studie belegt. Er verweist jedoch auf ein gewisses Potenzial für die bio-vegane Landwirtschaft. In der bio-veganen Landwirtschaft gibt es einige Pioniere, die etwa mit Kompost, vergorenen Pflanzensubstraten oder Mischkulturen mit Hülsenfrüchten experimentieren, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. „Es müsste jedoch in diesem Bereich viel mehr Geld für Studien geben“, so FiBL-Forscher Schlatzer. Erst dann werden aus den Experimenten Fakten, was anderen Bauern den Umstieg erheblich erleichtern würde.
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