Alternative Eiweißquellen: Kunstfleisch, Mikroben, Seetang
Tierische Produkte treiben die Erderwärmung an. Doch sind alternative Eiweißquellen auch wirklich umweltfreundlicher?
Damit keine Lücke entsteht, müssten 50 Prozent mehr proteinreiche Lebens- und Futtermittel als heute erzeugt werden. Das wäre für die Umwelt fatal: 14,5 Prozent der globalen Treibhausgase stammen aus der Viehwirtschaft. Vor allem Fleisch von Rind und Schaf sowie Shrimps und Hummer aus der Zucht sind sehr klimaschädlich. Neben pflanzlichen Ersatzprodukten, Insekten und In-vitro-Fleisch werden darum auch Mikroben und Seetang als Proteinquellen der Zukunft diskutiert. Aber ist das auch in einem großen Maßstab ökologisch oder gäbe es wieder Probleme?
Weniger Treibhausgase, weniger Stickstoff- und Phosphor-Einträge und Flächenverbrauch – das sind laut Umweltbundesamt (UBA) die möglichen Umweltvorteile. wenn es gelingt, das Ausmaß herkömmlicher Fleischproduktion, insbesondere die Rinderhaltung, zu reduzieren. Alternative Proteine anstatt Fleisch könnten hier gemäß den UBA-Forschern einen Beitrag leisten.
Vor allem Mikrobenprotein, also von Bakterien, einzelligen Algen, Hefen oder Pilzen, gilt als vielversprechend, weil die Mikroben erhebliche Wachstumsraten an den Tag legen. Forschern ist es zudem gelungen, aus CO2 alternatives Protein mithilfe von Bakterien zu gewinnen, die sich das Klimagas aus der Luft angeln. Einige Mikroben futtern auch das Klimagas Methan oder können Abfälle verwerten. Da sie in meterhohen Bioreaktoren wachsen, brauchen sie auch erheblich weniger Fläche. Mit Quorn ist bereits ein mikrobielles Protein, ein Mykoprotein, im Supermarkt erhältlich.
Alle Mikrobensysteme kommen ohne Pestizide, Dünger oder gentechnische Veränderungen aus, es wird weniger Wasser gebraucht und Stickstoff emittiert als in der traditionellen Viehwirtschaft. Die Systeme sind zudem technologisch ausgereift, sodass eine Großproduktion möglich wäre.
Algen auf der Speisekarte
Auch Makro-Algen, also Seetang, wie Dulse oder Nori, werden als Proteinquelle diskutiert. Die Wassergewächse kommen in der Natur ohne Dünger, Pflanzenschutzmittel oder Bewässerungssystem aus. Sie nutzen Stickstoff und Phosphor aus dem Wasser zum Wachsen, reinigen also belastete Küstengewässer. Ihr Anbau ist auch unabhängig von fruchtbaren Ackerflächen, dabei wachsen sie sogar schneller als Landpflanzen.
Eine weitere Möglichkeit sind landbasierte Systeme, etwa für Länder, die keinen direkten Zugang zum Meer haben. Das Wasser zirkuliert hier im Kreislauf, es gibt keine Abfälle, alles wird recycelt. Als Nährstoffdünger könnten Fischabwässer oder Gärreste von Biogasanlagen genutzt werden. Eine Massenproduktion ist jedoch in weiter Ferne. „Es ist noch viel Forschung und Investment nötig, um die Ernte zu verbessern und die Verarbeitung zu optimieren“, sagt Cor van der Weele, Wissenschaftlerin an der Universität Wageningen.
Bei der Herstellung von In-vitro-Fleisch, das in Zellkulturen gezüchtet wird, wird zumindest im Vergleich zu Rindfleisch vermutlich weniger Land und Wasser verbraucht. Auch die Emission von Treibhausgasen und Schadstoffen fällt geringer aus. Vor allem hat die Branche aber noch mit einem hohen Energieverbrauch für kultiviertes Fleisch und Problemen beim Upscaling zu kämpfen. Da auch viele andere Produktionssysteme für alternative Proteine noch energieintensiv sind, macht oft auch erst grüner Strom das Ganze umweltfreundlich.
So schneidet Mikrobenprotein mit 5,8 Kilogramm CO2-Äquvalent bei den Klimaemissionen eher mau ab. Zum Vergleich: Die Produktion von einem Kilogramm Schweinefleisch hat einen CO2-Fußabdruck von 4 bis 6 Kilogramm. Laut Berechnungen könnten erneuerbare Energiequellen wie Biogas, Solar- oder Windenergie diesen Wert auf 1,7 Kilogramm CO2-Äquivalent senken.
Reiner Brunsch vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie ist skeptisch: „Viele Prognosen stammen aus Hochrechnungen auf der Basis von Laboruntersuchungen. Bei biotechnologischen Prozessen ist das Upscaling aber nicht einfach ein linearer Prozess, deshalb habe ich meine Bedenken bezüglich der Effizienzüberlegenheit.“
Seiner Meinung nach würde es ausreichen, weniger Fleisch zu essen, da der Fleischkonsum in Deutschland weit über dem Bedarf liegt. Statt Mikroben oder Algen könnte man auch mehr Hülsenfrüchte auf den Teller bringen. Diese haben, mit Ausnahme von Landverbrauch, momentan den kleinsten ökologischen Fußabdruck aller alternativen Proteine, zudem Vorteile für die Biodiversität. „Und die Landwirte wären auch weniger abhängig von der Düngermittel-Industrie, da Hülsenfrüchte Stickstoff aus der Luft binden“, sagt Raychel Santo von der Johns Hopkins Bloomberg School in Baltimore.
Wichtig für die Umwelt ist auch, was mit frei werdenden Flächen geschieht: Ersatzprodukte verbrauchen 41 bis 98 Prozent weniger Agrarflächen als tierische Lebensmittel. Diese müsste man für Aufforstung oder die Weidehaltung reservieren. „Auf jeden Fall müssten frei werdende Flächen so reguliert werden, dass sie nicht für andere industrielle Zwecke verwendet werden“, sagt Santo.
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