Umweltschützer über Motorradlärm: „Wer fährt, will das Ding hören“
Der Forderungskatalog grüner Bundestagsabgeordneter gegen Motorradlärm setze zu sehr auf Kampagnen, sagt Umweltschützer Holger Siegel.
taz: Herr Siegel, mehrere Grünen-Bundestagsabgeordnete um Fraktionsvize Oliver Krischer haben kürzlich 6 Maßnahmen gegen Motorradlärm vorgeschlagen. An erster Stelle nennen sie Kampagnen, damit die „Biker“ leiser fahren. Gute Idee?
Holger Siegel: In dem Papier kommt die Forderung des Bundesrats zu kurz, dass besonders belastete Strecken für Motorräder an Sonn- und Feiertagen gesperrt werden können, um Lärm zu reduzieren. Diese Positionierung der vier grünen Abgeordneten ist erstaunlich, weil für die Entschließung der Länderkammer ausgerechnet Winfried Hermann, der grüne Verkehrsminister von Baden-Württemberg, maßgeblich verantwortlich war.
Warum ist Ihnen die Forderung nach Fahrverboten so wichtig?
Dadurch ist die Debatte wirklich in Schwung gekommen. Wir wollen das Druckmittel Fahrverbote nicht aufgeben, das wir brauchen, damit die Maschinen leiser werden. Wenn Motorradfahren sozialverträglich ist, sind Streckensperrungen unnötig.
Der 54-Jährige ist Sprecher des Arbeitskreises Motorradlärm beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
Was muss dafür passieren?
Motorräder müssen künftig die Lärmgrenzwerte immer einhalten, nicht nur in Situationen wie im amtlichen Zulassungstest. Bisher sind sie meist auf der Straße viel lauter als bei der Prüfung. Da sind wir uns mit den grünen Abgeordneten einig.
Was halten Sie von dem Vorschlag der Parlamentarier, dass der Bund Kampagnen etwa mit Ermahnungen auf Schildern unterstützen soll, damit Motorradfahrer nicht so laut beschleunigen?
Das verkennt die Psychologie des Motorradfahrens. Das sage ich als Motorradfahrer. Wer Motorrad fährt, will das Ding auch hören. Das ist einfach so fest in den Köpfen drin, dass die Geräuschemission dazugehört. Es ist naiv zu glauben, man müsse nur lange genug auf die einreden, und dann wird es leiser. Dazu ist das Thema für die Motorradfahrer einfach zu stark emotional aufgeladen. Die Strecken sind doch schon mit Schildern gepflastert. Hinterm Ortsschild wird trotzdem wieder ordentlich Gas gegeben.
Die Grünen betonen, nur eine „laute Minderheit“ verursache die Probleme. Stimmt diese Analyse?
Nein, das ist ein Narrativ der Industrie und der Fahrer, das die Abgeordneten leider übernommen haben. Fast alle neuen schweren Motorräder sind ab Werk legal zu laut. Dann gibt es eine ganz kleine Minderheit, die ihre Maschinen illegal so manipuliert, dass sie noch lauter sind. Und es gibt eine große Minderheit, die ihre Motorräder legal mit extra lauten Auspuffen nachrüsten lässt. Manche große Harley-Händler sagen, dass sie an jeder zweiten neuen Maschine einen Klappenauspuff montieren, der im Zulassungstest leise genug ist, aber im richtigen Leben unerträglich laut. Wir reden nicht von 3 Prozent aller Motorradfahrer, die auffällig belästigend sind, sondern eher von 30 Prozent.
Was finden Sie außer der Reform der Zulassungstests gut an dem Grünen-Papier?
Zum Beispiel auch, dass die Polizei überdurchschnittlich laute Motorradfahrer bestrafen können soll. Oder dass das Problem gelöst werden muss, dass Raser wegen der Vermummung mit Helmen und der vorne fehlenden Nummernschilder nur sehr schwer zu sanktionieren sind. Die Halterkostenhaftung wäre ein Mittel, also dass der Fahrzeughalter die Verwaltungskosten tragen muss, die etwa durch die Ermittlung des Fahrers entstehen.
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