Umstrittene Rede bei „Freie Bauern“-Demo: Naturschützer mit Hexenverbrennern gleichgesetzt
Mit der Inquisition vergleicht ein Redner bei einer Kundgebung der Agrarorganisation Freie Bauern Umweltverbände. Die sehen sich diffamiert.

Alfons Wolff, Bundessprecher der Freien Bauern, lobte Salm gleich im Anschluss an dessen Rede als „Kämpfer für den ländlichen Raum, für Recht, für Freiheit. Wir sind froh, Franz Prinz Salm an unserer Seite zu haben.“ Die Organisation verlinkte auf ihrer Internetseite ein Video mit der Rede von Salm, den sie als ihr „Mitglied“ bezeichnete.
Über eine Verbandsklage dürfen anerkannte Umwelt- und Tierschutzorganisationen gegen Behördenentscheidungen vorgehen, auch wenn die Rechte der Verbände selbst nicht verletzt worden sind. So sollen die Belange der Umwelt leichter durchgesetzt werden. Die Inquisition war laut Duden ein als Einrichtung der katholischen Kirche wirkendes Gericht, das vom 12. bis 18. Jahrhundert „mit großer Härte und grausamen Untersuchungsmethoden“ gegen Abtrünnige und Ketzer vorging. Auch die Untersuchungen dieses Gerichts werden dem Wörterbuch zufolge als Inquisition bezeichnet.
„Das Verbandsklagerecht ist nicht Willkür, sondern fest verankert im Rechtssystem“, sagte der taz Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Es sei gesetzlich geregelt und üblich „in europäischen und internationalen Demokratien“. „Insofern zeigt Herr Salm-Salm, dass er ein vordemokratisches Rechtsverständnis hat, vielleicht aus der Zeit, wo Adlige wie er das Sagen hatten in unserem Land.“
Sascha Müller-Kraenner, Deutsche Umwelthilfe
Seine Wortwahl sei „geschmacklos, weil in Zeiten der Inquisition wirklich sehr viele Menschen umgebracht wurden durch eine religiös begründete Ideologie“, ergänzte Müller-Kraenner. Über die Freien Bauern sagte der Umweltschützer: „Ich kann nur hoffen, dass die Organisationen, die den Bauernstand wirklich vertreten, zum Beispiel der Deutsche Bauernverband, sich klar von solchen Dingen distanzieren und solche radikalen Splittergruppen dahin stellen, wo sie hingehören: nämlich ins Abseits.“
„Mit der Diffamierung der Naturschutzverbände als ‚Inquisition‘ ist ein weiterer Tiefpunkt erreicht worden“, ergänzte eine Sprecherin des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Als Anwälte der Natur setzen wir uns für den Erhalt der Lebensgrundlagen wie sauberes Wasser und funktionsfähige Böden ein.“ Der BUND kämpfe damit auch dafür, dass Landwirte gute Produktionsbedingungen haben. Das Verbandsklagerecht fülle eine Lücke im deutschen Rechtssystem. „Bei Naturzerstörungen zum Beispiel an Flüssen, Schutzgebieten oder Wildtieren gibt es oftmals keine unmittelbar Betroffenen im rechtstechnischen Sinne, die vor Gericht ziehen könnten. Aus diesem Grund appellieren wir an SPD und Union, in ihrem Koalitionsvertrag das Verbandsklagerecht zu erhalten.“ Die Forderung, dass nur noch klagen darf, wer der Kontrolle des Staates unterliegt, würde den Rechtsstaat verhöhnen, so der BUND.
Die Freien Bauern haben nach eigenen Angaben 1.900 Mitglieder, während es in Deutschland 260.000 Agrarbetriebe gibt. Manche Medien berichten über den Verband immer wieder unkritisch. Kritiker bezeichnen die Organisation als rechtspopulistisch. Sie hat sich auf Vorschlag der AfD als Sachverständige in den Bundestag einladen lassen. Bei einer Kundgebung der Freien Bauern durfte ein AfD-Politiker auf der Bühne sprechen. Während der Bauernproteste 2023/24 weigerte sich der Verband in Niedersachsen über sechs Wochen lang, eine Distanzierung von Protesten mit Galgen und vor Privathäusern von Politikern zu unterschreiben. Bei einer Demo in Berlin tolerierte die Gruppe ein Banner mit einer rechtsextremen Aufschrift.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wehrpflicht-Debatte
Pflicht zu „Freiheitsdienst“
Immer mehr Kirchenaustritte
Die Schäfchen laufen ihnen in Scharen davon
Rechtsextreme Symbolik
Die Lieblingsblumen der AfD
Debatte über ein Jahr Cannabisgesetz
Einmal tief einatmen, bitte
Trumps Gerede über eine dritte Amtszeit
Zerstörung als Strategie
Klaus Wowereit wird Kulturstaatsminister
Ein guter Move?