Tod des Star-Arbeitslosen Arno Dübel: „Wer arbeitet, ist doch blöd“
Er war „schwer vermittelbar“, außer als Provokateur in den Medien. Arno Dübel, Deutschlands Star-Arbeitsloser aus den nuller Jahren, ist tot.
Das mit dem Song war dann doch zu viel. „Der Klügere kippt nach“ hieß das Lied, das Arno Dübel, gekleidet in ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich krich vom Amt“ in Hamburg in einem Lokal vor Publikum zum Besten geben wollte. Er wurde von der Bühne gebuht. So erzählte es die Bild-Zeitung. Das war vor 13 Jahren.
Jetzt ist Deutschlands bekanntester Langzeitarbeitsloser, Talkshowgast und Jobcenter-Schreck aus den Zeiten um 2010 im Alter von 67 Jahren in einem Hamburger Krankenhaus gestorben. Und Deutschland verliert eine Medienfigur, die es heute wohl nicht mehr zu ähnlicher Berühmtheit bringen könnte wie noch in den nuller Jahren, als der „bekennende faule Arbeitslose“ beim Publikum eine Mischung aus Faszination und Abscheu hervorrief.
Dübels Leitsatz „Wer arbeitet, ist doch blöd“ ebnete dem langzeitarbeitslosen Mann mit der abgebrochenen Malerlehre den Weg in die Talkshows und in die Boulevardmedien. „Ich will niemandem den Job wegnehmen, ich stell mich ganz hinten an, ganz hinten“, sagte er und bewies damit eine gewisse Intuition, mit der Ambivalenz des engen Jobmarkts zu spielen. Mit Pferdeschwanz, Zigarette, dunklen Augenrändern, Freizeitklamotten und Hund lieferte er das perfekte Klischee des langjährigen Stützeempfängers mit Motivationsproblemen.
Man erinnere sich: Im Jahre 2005 wurde Hartz IV eingeführt. Es herrschte schon seit Jahren Massenarbeitslosigkeit, bedingt durch die Konjunktur, durch die Automatisierung, die Globalisierung und auch noch als eine Spätfolge der Wiedervereinigung. Unbekümmert dieser Tatsache äußerten neoliberale Sozialpolitiker:innen immer wieder den Verdacht, Arbeitslose, sehr viele Arbeitslose wollten ja gar nicht arbeiten, sondern sich mit dem Geld vom Staat ein faules Luxusleben gönnen. „Arbeiten? Ich will mich doch nicht verschlechtern!“, sagte Dübel und goss Öl ins Feuer der Neoliberalen und Konservativen. Das Ressentiment gegenüber Langzeitarbeitslosen half im übrigen, die Regelsätze für die Grundsicherung niedrig zu halten.
Die Bild dichtete von „Florida-Rolf“
Zuvor war schon „Florida-Rolf“ in der Sozialstaatsdebatte zu unfreiwilligem Ruhm gelangt. Rolf J. ist ein Deutscher, der in die USA gezogen war und dort in Florida lebte und arbeitete. Als er erkrankte, verlor er seinen Job und beantragte schon in den 90er Jahren als Auslandsdeutscher Sozialhilfe beim Landessozialamt von Niedersachsen, wo er herkam. Die Gesetze damals erlaubten im Ausland lebenden deutschen Staatsbürger:innen ein Recht auf Sozialhilfe im Falle von besonderen Notlagen.
Als die Bild-Zeitung im Jahre 2003 von dem Fall Wind bekam, dichtete sie Schlagzeilen über „Florida-Rolf“, den „Sozialschnorrer“. Die damalige rot-grüne Regierung brachte erstaunlich flott eine Gesetzesänderung durch, die Sozialhilfe ins Ausland nur noch unter strengen Voraussetzungen gestattet. Rolf J. kehrte nach Deutschland zurück, was den Staat im Übrigen keineswegs billiger kam.
Allen Versuchen des Jobcenters widerstanden
Arno Dübel widerstand allen Versuchen des Jobcenters, ihn doch noch in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Die wollten mich als Inventurhelfer vermitteln. Aber ich bin doch lungenkrank, kann nicht mal eine Leiter hoch. Da haben die mich wieder nach Hause geschickt“, erzählte er über einen Vermittlungsversuch bei einer Zeitarbeitsfirma. Bald galt er als „schwer vermittelbar“. 2010 wollte Dübel ins Showgeschäft wechseln, schließlich hatte er schon komödiantisches Talent bewiesen. Mit seinem ersten Song „Der Klügere kippt nach“ kam er allerdings nicht weit. Ein Video über den nächsten Song „Ich bin doch lieb“ ist heute noch auf Youtube abrufbar. Doch der große Erfolg blieb aus, zudem gab es Stress mit einem angeblichen Manager.
Obwohl Neoliberale davor gewarnt hatten, wurde Dübel nie zum Modell. Massenhafte verdeckte Arbeitsverweigerung aus schierer Unlust ist nicht eingetreten. Mit Anziehen der Konjunktur und auch demografiebedingt ist die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgegangen. Wer heute dauerhaft im Hartz-IV-Bezug beziehungsweise Bürgergeld-Bezug lebt, hat oft vielfältige Vermittlungshemmnisse. Aus der Forschung weiß man: Die Leute können wegen Kinderbetreuung keine Schichtarbeit machen oder sie sind nicht ausreichend qualifiziert oder sie sprechen nicht gut genug Deutsch oder sie sind krank, körperlich oder psychisch, oder sie wohnen sehr abgelegen und die Verkehrsverbindungen sind schlecht. Das sind die Probleme der allermeisten. Die Gruppe der komplett Unmotivierten, die es immer auch gibt, hat sich offenbar nicht vergrößert.
Hinter dem Phänomen Arno Dübel stand stets auch die unausgesprochene Frage, ob Langzeitarbeitslosigkeit und Abhängigkeit vom Sozialstaat am Ende vielleicht doch das bessere Leben bieten als Erwerbsarbeit in einem anstrengenden, schlechtbezahlten Job. Die Frage stellt sich heute anders, da überall Personal gesucht wird und die Solidaritätsbereitschaft der arbeitenden Steuerzahler:innen auch deswegen wackelt. Ein Arno Dübel heute in einer Talkshow würde wirken wie ein Verhaltensauffälliger, der irgendwie aus der Zeit gefallen ist. Der Verdacht gegenüber Langzeitarbeitslosen, sie wollten ja gar nicht werktätig werden, der allerdings bleibt.
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