Inklusiver Arbeitsmarkt: Arbeitssuche ohne Barrieren

Die Bundesregierung plant höhere Abgaben für Betriebe, die keine Menschen mit Behinderung beschäftigen. Kritik kommt von der Linken.

Silhouette eines Mannes, der am Computer arbeitet

Die Bundesregierung plant, Unternehmen stärker zu sanktionieren, die nicht inklusiv agieren Foto: Michael Schick/imago

BERLIN taz | Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung sind häufig hoch qualifiziert – und dennoch arbeitslos. Das veranlasste vor rund zwölf Jahren den Vater eines autistischen Kindes dazu, in Berlin die Firma Auticon zu gründen. Der IT-Dienstleister vermittelt ausschließlich autistische Fachkräfte zur Lösung von digitalen Problemen an Unternehmen.

Weil solche Berufschancen weiterhin die Ausnahme sind, will nun auch die Bundesregierung mehr Menschen mit Behinderung in reguläre Arbeit bringen. Das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes wird am Donnerstag erneut im Bundestag beraten. „Viele Autisten können sich nicht gut vermarkten“, sagt Ursula Schemm, Sprecherin von Auticon, zur Begründung, warum Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung trotz häufig hoher Qualifikation keine Jobs finden.

Unterstützung erhalten die bei Auticon Beschäftigten von Jobcoaches, die auch die Auftraggeber für Besonderheiten der autistischen Fachkräfte sensibilisierten. Zu den Stärken ihrer Belegschaft sagt Schemm: „Viele haben ein sehr gutes Auge.“ Die IT-Fachleute könnten sich „stundenlang mit voller Konzentration“ einer Aufgabe widmen.

Schon jetzt sind Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitsplätzen gesetzlich verpflichtet, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Tun sie das nicht, müssen sie 360 Euro pro nicht erfüllter Stelle und Monat als Ausgleich zahlen. Viele Unternehmen zahlen aber lieber die recht geringe Ausgleichsabgabe, statt Menschen mit Behinderung einzustellen.

Höhere Ausgleichsabgabe ab März 2025

Die Bundesregierung plant daher, Unternehmen stärker zu sanktionieren, die nicht inklusiv agieren. Laut des Gesetzentwurfs sollen pro Monat und unbesetzter Stelle 720 Euro fällig werden, wenn ein Unternehmen gar keine Menschen mit Behinderung beschäftigt. Ab März 2025 soll die höhere Ausgleichsabgabe gezahlt werden. Sonderregelungen sollen weiterhin für kleinere Betriebe gelten.

Für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sind die geplanten Regelungen notwendig, damit auch Menschen mit Behinderung ihr „Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft“ realisieren können. Heil bezeichnet es als „ökonomischen Unfug“, dass es ihnen schwerer gemacht werde als anderen erwerbslosen Menschen, einen Arbeitsplatz zu finden, obwohl sie im Schnitt höher qualifiziert seien.

Der Fraktion der Linkspartei gehen die Bemühungen der Bundesregierung nicht weit genug. In ihrem Antrag kritisiert sie, dass arbeitslose Menschen mit Behinderungen bei dem Gesetzentwurf „völlig vergessen werden“. Insbesondere Langzeitarbeitslose und chronisch Erkrankte benötigten mehr Unterstützung bei der Jobsuche.

Positiv bewertet die Linke dagegen, dass die Mittel aus der Ausgleichsabgabe künftig den Beschäftigten zugutekommen und nicht mehr wie bisher der Finanzierung von Werkstätten und Wohnheimen für behinderte Menschen dienen soll.

Mehr Aufklärung und Unterstützung für Betriebe

Auch Ursula Schemm von Auticon übt Kritik. Sie bezweifelt, dass erhöhte Ausgleichszahlungen Unternehmen zur Einstellung von Menschen mit Behinderung bewegen. Sie setzt auf mehr Aufklärung und Unterstützung für Arbeitgeber. „Wir würden uns wünschen, dass Unternehmen, die uns und ähnliche Dienstleister beauftragen, belohnt werden, indem die Beschäftigung unserer Mitarbeitenden auf die Schwerbehindertenquote angerechnet wird“, sagt Schemm.

Von der Bundesregierung erhofft sie sich außerdem mehr Informationskam­pagnen zur Beschäftigung von autistischen Menschen. „Es ist wichtig, über ihre Stärken zu sprechen“ und die Mitarbeitenden „als Bereicherung und nicht als Belastung“ zu betrachten.

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