Tag der Arbeitslosen am 2. Mai: Heute kriegt ihr Ausbeuter nüscht!

Unter dem Motto: „Wir haben Zeit“ gehen an diesem Dienstag wieder zahlreiche Menschen gegen den Zwang zur Lohnarbeit auf die Straße.

Eine Frau hält eine Wartemarke in der Hand

Arbeitslos zu sein ist eine harte Nummer Foto: dpa

Ich habe noch nie verstanden, warum die Mehrheit der Gesellschaft sich den von ihr erwirtschafteten Reichtum von einer kleinen Minderheit klauen lässt. Auch nach Politikwissenschaftsstudium und exzessiver Lektüre über Ideologietheorie geht mir nicht in den Kopf, warum ein Großteil der Ar­bei­te­r*in­nen ihre Aus­beu­te­r*in­nen verteidigt – statt sie zu enteignen und sich zu nehmen, was ihnen sowieso gehört.

Nun ist der 1. Mai vorbei – und zu meinem Bedauern blieb auch in diesem Jahr die antikapitalistische Revolution aus.

Vielleicht ist es Mangel an Fantasie, wie eine solidarische Gesellschaft aussehen könnte. Oder zu wenig Identifikation als Arbeiter*in. Die Revolution könnte stattdessen von den Arbeitslosen kommen. Die betreiben sie jeden Tag im Kleinen, indem sie sich der Lohnarbeit verweigern und den Aus­beu­te­r*in­nen entgegenschreien: Von uns kriegt ihr nüscht!

Klar: Nicht immer ist Arbeitslosigkeit freiwillig. Könnte sie aber werden. Würde Arbeitslosigkeit in dieser Gesellschaft nicht mehr als Manko, sondern als legitime Selbstbestimmung gelten, wären wir einer befreiten Gesellschaft etwas näher.

Der Begriff arbeitslos ist auch nicht ganz korrekt. Ohne Lohnarbeit sein ist harte Arbeit.

Deshalb hat die Liga für Kampf und Freizeit vor fast 20 Jahren in Berlin den 2. Mai als Tag der Arbeitslosen ausgerufen. Unter dem Motto: „Wir haben Zeit“ werden auch heute wieder zahlreiche Menschen gegen den Zwang zur Lohnarbeit auf die Straße und vor allem den Senefelder Platz in Prenzlauer Berg gehen. Wenn sie nicht noch schlafen. Oder chillen. Oder einen Jobcenter-Termin haben. 13 Uhr ist so gesehen ganz schön früh, wenn man den Job als Ta­ge­die­b*in und Mü­ßig­gän­ge­r*in ernst nimmt.

Der Begriff arbeitslos ist auch nicht ganz korrekt. Ohne Lohnarbeit sein ist harte Arbeit. Ich habe großen Respekt für alle, die sich jeden Tag mit dem Amt rumschlagen, das einen mit perfidesten Mitteln dazu gängelt, wieder ein Rädchen in der Profitmaschinerie zu werden. Tag für Tag muss man in sinnlosen Maßnahmen seine Zeit verschwenden, um bloß nicht sein Leben zu genießen. Wer das mehrere Monate oder gar über Jahre durchhält, kann alles schaffen.

Die Schikane ist kein Zufall. Denn der Staat ist im Dienst des Kapitals unterwegs und sammelt die verlorenen Schäfchen wieder ein. Dabei ginge es auch anders: Den Ur­he­be­r*in­nen des Tags der Arbeitslosen ging es nicht nur um Kapitalismuskritik, sie setzen sich auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein.

Arbeiten auch ohne Zwang

Da könnte die Fantasie konkret werden. Denn in einer Welt, in der niemand zur Arbeit gezwungen wird und in der wir uns solidarisch selbst verwalten, würden trotzdem Menschen arbeiten gehen. Nicht alle, aber das ist auch gar nicht nötig. Ich zum Beispiel würde weiter wütende Kolumnen schreiben. Irgendeine Scheiße passiert ja immer. Zwischendurch würde ich auch mal das Klo putzen, kein Problem. Aber nicht heute. Heute wird gechillt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.