Studie zu Rad-Fußgänger-Unfällen: Gefährliche E-Bikes und Lastenräder
Über 5.600 Menschen wurden 2022 bei Kollisionen zwischen Radlern und Fußgängern verletzt. Unfallforscher fordern Konsequenzen.
Besonders häufig und heftig kamen Fußgänger:innen zu Schaden – sieben von zehn Passant:innen, die in solche Unfälle verwickelt waren, wurden verletzt, bei den Radfahrer:innen war es etwa jede:r zweite. Unfallverursacher sind meist die schnelleren Verkehrsteilnehmer, also die mit dem Fahrrad. Und: Bei jeder vierten Karambolage floh der:die Verursacher vom Unfallort.
Nach Ansicht von UDV-Chef Siegfried Brockmann wird die Unfallkonstellation Rad-Fußgänger bislang in der verkehrspolitischen Planung zu wenig beachtet. Dabei dürfte sie in Zukunft noch wichtiger werden. „Fahrräder nehmen zahlenmäßig und nach Fahrleistung deutlich zu“, sagte Brockmann. „Und mit E-Bikes und Lastenrädern werden sie auch schneller und schwerer.“
Das belegt auch der Vergleich mit früheren Zahlen. 2002 waren insgesamt 3.647 Unfälle zwischen Radler:innen und Fuß:gängerinnen gemeldet worden, bei denen Menschen verletzt wurden. 2022 waren es nun insgesamt 4.517 Kollisionen mit 5.651 Verletzten. Dabei geht die UDV davon aus, dass die Dunkelziffer hoch ist.
Demografie steigert Risiko
Stärker gefährdet bei diesen Kollisionen sind ohnehin immer die vermutlich schwächeren Teilnehmer:innen: nicht nur Fußgänger:innen mehr als Radfahrer:innen, sondern auch Ältere mehr als Jüngere. Die demografischen Veränderungen erforderten deshalb zusätzliche Maßnahmen, so Brockmann. Wenn die Bevölkerung immer älter werde und Verkehrsmittel insgesamt schwerer und leiser, steige das Risiko schwerer Unfälle. Verkehrsplaner:innen müssten das stärker berücksichtigen.
Der UDV zufolge spielen sich die meisten Kollisionen in Fußgängerzonen und an Haltestellen ab – auf den jeweiligen Radverkehrsflächen. Dabei gilt: Je schmaler die Radwege, desto wahrscheinlicher werden Unfälle. Und Zweirichtungsradwege sind offenbar keine gute Lösung, hier kollidieren Fußgänger:innen und Radler:innen besonders häufig. Brockmann schlug deshalb vor, Radwege zu vermeiden, die in beide Richtungen befahren werden können. Generell könne eine striktere Trennung helfen. Fußgängerzonen sollten Fußgänger:innen vorbehalten bleiben.
Einen ganz wesentlichen Punkt sehen die Expert:innen aber darin, dass die Innenstädte auf den Autoverkehr ausgerichtet sind. Grundsätzlich gebe es immer noch viel häufiger schwere Unfälle, wenn Kraftfahrzeuge beteiligt seien. Unterschätzt würden aber vor allem parkende Autos. Es gebe ein „markantes Unfallgeschehen“, wenn die Seitenstreifen mit Fahrzeugen zugestellt sind, so Brockmann. Denn diese versperrten mit ihren ständig größer werdenden Modellen sowohl Fußgänger:innen als auch Radfahrer:innen die Sicht beim Wechsel zwischen Fuß- und Radwegen oder beim Überqueren von Straßen. Eine Verkehrsplanung, die das Miteinander von Fußgänger:innen und Fahrradfahrer:innen verbessern will, dürfe deshalb das Auto nicht außer Acht lassen.
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