Straftäter nach Afghanistan abschieben: Scholz' Aktionismus
Die Regierung tut etwas – so soll es klingen. Doch Scholz’ Ankündigung, den Attentäter von Mannheim nach Afghanistan abzuschieben, ist völlig hohl.
E in aus Afghanistan Geflohener hat in Deutschland einen Polizisten getötet. In Süddeutschland überschwemmen Fluten Städte. Das ist beunruhigend. Die fast reflexhafte Antwort von Politikern ist es, sich mit angemessen besorgter Miene und wasserdichtem Schuhwerk neben Feuerwehrleuten vor Hochwasser fotografieren zu lassen. Und in Sachen Kriminalität jetzt wirklich mal hart durchzugreifen.
Dass der Kanzler Sicherheit in den Fokus seiner Regierungserklärung rückt, ist drei Tage vor den Europawahlen naheliegend. Scholz ist kein Liberaler. Er kann bei Bedarf jederzeit den Law-and-Order-Mann geben. Der Attentäter von Mannheim müsse abgeschoben werden, so die Ansage des Kanzlers. Täter würden künftig auch nach Afghanistan und Syrien außer Landes geschafft. Null Toleranz. Außerdem werde das Strafrecht verschärft. Das übliche Ritual.
Die Regierung tut etwas – dieses Signal soll beruhigen. Dabei wird nonchalant übergangen, dass nicht sicher ist, ob Suleiman A. eher ein psychotischer oder ein politischer Täter ist. Scholz’ Ankündigung, ihn nach Afghanistan abzuschieben, klingt entschlossen – und ist völlig hohl. Laut Legalitätsprinzip wird Suleiman A. in Deutschland der Prozess gemacht und er wird hier seine wahrscheinlich lange Haftstrafe absitzen. Außerdem darf laut Genfer Flüchtlingskonvention und europäischer Menschenrechtskonvention niemand in ein Land abgeschoben werden, in dem ihm Folter oder Verfolgung drohen. Wenn der Kanzler, immerhin Jurist, seine Ankündigungen ernst meint, hebelt er nebenbei Rechtsstaat und Menschenrechtskonvention aus.
Wahrscheinlicher ist, dass die Ampel Gesetze verschärft, die in der Praxis kaum angewandt werden. Der Malus dieses ganzen Aktionismus ist, wie schon bei Scholz’ Ankündigung, „im großen Stil abzuschieben“, dass damit falsche Erwartungen enttäuscht werden. Schnelle Sicherheitsversprechen suggerieren Tatkraft, haben aber etwas Hochstaplerisches. Ein beklagenswertes Resultat dieses Aktionismus ist, dass die Ampel wirklich vorschlägt, afghanische Straftäter in irgendein anderes Land in der Nähe abzuschieben, weil man leider keine diplomatischen Beziehungen zu Kabul hat. Hauptsache, man tut irgendetwas.
Es gibt kein Recht auf Sicherheit
Es gibt im Grundgesetz kein Recht auf Sicherheit. Totale Sicherheit ist das Versprechen von Diktaturen. Tatsache ist: Keine Strafrechtsverschärfung und kein Sicherheitsapparat hätte die Tat von Suleiman A., einem politisch unauffälligen Familienvater, verhindern können. Unsicherheiten gehören zu offenen Gesellschaften. Politiker, die das Gegenteil suggerieren, arbeiten mit ungedeckten Schecks. Das rächt sich meistens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen