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Soziologe über Radikalismus der AfD„Es hat sich etwas verschoben“

Wilhelm Heitmeyer hat sich jahrzehntelang mit autoritären Einstellungen und Rechtsextremismus beschäftigt. Wie erklärt er Deutschlands Rechtsruck?

Parteitag der AfD-Hessen 2023: Mit dabei Maximilian Krah, Spitzenkandidat für die Europawahl 2024 Foto: Andreas Arnold/dpa
Gareth Joswig
Interview von Gareth Joswig

taz: Herr Heitmeyer, viele haben die rechtsradikale AfD lange als Problem des Ostens gesehen. Jetzt hat sie auch in den westdeutschen Flächenländern Bayern und Hessen mit 15 und 18 Prozent ihre bisher höchsten Ergebnisse eingefahren. Was ist da los?

Wilhelm Heitmeyer: Man muss beginnen bei der Charakterisierung der AfD. Landläufig ist immer noch verharmlosend von Rechtspopulismus die Rede, manchmal auch „in Teilen rechtsextremistisch“. Ich frage dann immer, aber was ist dann mit den anderen Teilen? Inzwischen schreckt auch die Einordnung als rechtsextremistisch die Sympathisanten und Wähler nicht mehr ab. Das war anders zu Zeiten der NPD und Republikaner. Und Rechtspopulismus ist ohnehin eine kriterienlose, leere Hülle, in die man alles reinschütten kann. Der Begriff zielt ja lediglich auf Erregungszustände ab, die AfD geht aber weit darüber hinaus. Sie ist viel gefährlicher, weil sie für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen attraktiv ist.

Im Interview: Wilhelm Heitmeyer

ist Senior-Professor am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, dessen Direktor er von 1996 bis 2013 war.

Wie charakterisieren Sie denn die AfD?

Es ist autoritärer Nationalradikalismus. Daraus erklärt sich der derzeitige Höhenflug. Die AfD propagiert ein autoritäres Gesellschaftsmodell mit traditionellen Lebensweisen – gegen pluralistische Kultur und für ethnische Homogenität. Das Nationalistische ist die Überlegenheitsvorstellung von deutscher Kultur. Wirtschaftspolitisch wird „Deutschland zuerst“ gefordert. Dann gibt es noch die ethnisch nationale Identitätspolitik mit Deutschsein als Identitätsanker und die Neudeutung deutscher Vergangenheit. Die Radikalität besteht vor allem in der Kommunikation und Mobilisierung mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gegen bestimmte markierte Bevölkerungsgruppen. Diese Bestandteile sind attraktiv, daran muss man Wahlergebnisse interpretieren.

Was ist aus Ihrer Sicht in Hessen und Bayern passiert?

Hier ist deutlich geworden: Die AfD ist gesamtdeutsch. Es gab in Bayern einen deutlichen Rechtsruck. Markus Söder hat im Wahlkampf mit ausgrenzender Identitätspolitik gespielt, als er sagte: Die Grünen haben kein Bayern-Gen. Ebenso Hubert Aiwanger mit seinen Parolen davon, dass die normalen Leute sich die Demokratie zurückholen sollen. Das ist original AfD-Sprech. Und die spielt ohnehin mit ihren Kernthemen Migration und Kriminalität. In Bayern haben mehr als zwei Drittel diese drei Parteien gewählt – den größten Zuwachs aber hatte die AfD. Die Milieus dieser Parteien liegen ziemlich eng beieinander.

Was ist das Auffällige an diesen Milieus?

Beachten muss man vor allem das, was ich rohe Bürgerlichkeit nenne. Das Milieu leidet kaum unter sozialer Not, macht sich aber Statussorgen und hat Irritationen. Es hat eine glatte Fassade, aber dahinter existiert ein Jargon der Verachtung, gerade gegenüber den von der AfD negativ markierten sozialen Gruppen. Das spielt der AfD in die Karten. Was mir Sorgen macht: Dieses Milieu ist in beträchtlichem Maße in Westdeutschland vorhanden und für die AfD noch immer nicht ausgereizt.

Was auffällt: Die AfD ist auf dem Land stark und in der Stadt schwach. Warum?

Das ist eine Parallele zu Ostdeutschland, das ja eine besondere sozialgeografische Struktur hat. Wir haben in unseren Untersuchungen zwischen 2002 und 2012 immer wieder festgestellt: Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist in Kleinstädten immer höher als in größeren Städten. In dörflichen und kleinstädtischen Gebieten ist die soziale und kulturelle Homogenität groß, ebenso gibt es eine stärker ausgeprägte Konformität, die wiederum mit den Charakteristika des Autoritären korrespondiert: die nationalistische Überlegenheitsattitüde äußert sich dann in Radikalität gegenüber zugewanderten Gruppen mit anderen kulturellen Hintergründen. In diesen Sozialformationen ist die AfD erfolgreich. Und: Die etablierten Parteien haben die ländlichen Gebiete in ihrer Bedeutung unterschätzt und vernachlässigt.

Ebenso haben jetzt im Westen wie auch zuletzt in Sachsen-Anhalt vermehrt jüngere Menschen die AfD gewählt. Was hat sich da verschoben?

Bei den Jüngeren kam der AfD sicher ihr riesiger Vorsprung bei den sozialen Medien zugute. Die AfD agitiert viel auf Tiktok – und ist hier vor allem für junge Männer attraktiv. Man denke etwa an Maximilian Krah, der in Tiktok-Videos sagt: „Echte Männer sind rechts.“ Gerade die Jüngeren halten sich immer länger auf digitalen Plattformen auf – dort gibt es Kommunikations- und Mobilisierungslücken bei den etablierten Parteien.

Viele Politologen sagen, dass die AfD-Wählerschaft einen harten rechtsextremen Kern hat und einen Anteil, der die Ampel abstrafen wollte, sogenannte Protestwähler. Wie sehen Sie das?

Der Begriff Protestwähler oder Protestpartei ist eine Selbstberuhigungsformel. Darin steckt: Wenn wir uns nur Mühe geben und vielleicht die Renten erhöhen, kommen die alle zurück. Das ist eine Fehleinschätzung. Die autoritären Einstellungsmuster, von denen die AfD profitiert, hat es schon lange vor ihrer Parteigründung gegeben. Diese Personengruppen waren häufig wahlpolitisch vagabundierend, wählten mal SPD, CDU oder wanderten ab in die wutgetränkte Apathie der Nichtwählerschaft. Erst 2015, als eine größere Anzahl von Geflüchteten nach Deutschland kam und die AfD dagegen mobilisierte, hatte diese Wählergruppe eine fixe Anschlussstelle. Seitdem hat die AfD eine stabile Wählerschaft.

Aber erklärt das diejenigen, die in Hessen direkt von den Grünen oder von der SPD zur AfD gewandert sind?

Ja, es hat sich etwas verschoben. Aber man muss beim Höhenflug der AfD wesentliche Komponenten zusammenbinden. In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich der Neoliberalismus entsichert, zugleich wurde der Sozialstaat demontiert, jetzt erleben wir multiple Krisen. Es gibt langfristige Erklärungen und kurzfristige Trigger, die auch Grünen-Wähler und Sympathisanten verschreckt haben: zum Beispiel das Heizungsgesetz. Das eigene Haus wird auf einmal zum Schrecken und zur Bedrohung, weil man nicht weiß, wie man das finanzieren soll.

Aber waren dann die Landtagswahlen in Bayern und Hessen doch eine Protestwahl?

Protest allein reicht nicht als Erklärung. Der größere Kontext sind die letzten beiden Jahrzehnte mit zahlreichen Krisen. Wir hatten nach 9/11 eine islamistisch-kulturelle Krise, 2005/06 gab es eine Hartz-IV-Krise, 2008/09 eine Finanz- und Wirtschaftskrise, 2015/16 gab es viele Geflüchtete und sozialkulturelle Verunsicherung. Und dann kam 2019 die Coronakrise. Während die anderen sektorale Krisen waren, war die Pandemie eine systemische Krise. Sie wirkt bis heute nach, wodurch wir jetzt multiple Krisen haben – denn gleichzeitig rückt die Klimakrise uns direkt auf die Pelle und auch die Ukrainekrise ist nah.

Was macht das mit uns?

Krisen zeichnen sich dadurch aus, dass die politischen Routinen der Problembekämpfung nicht mehr funktionieren – schon gar nicht kostenlos und schnell. Vor allem können die eingelebten Zustände vor der Krise nicht wiederhergestellt werden. Daraus entstehen wahrgenommene oder erfahrene Kontrollverluste über die Zukunft. Teile der Bevölkerung haben das Gefühl, dass man die eigene Zukunft und den eigenen Status nicht beeinflussen kann. Viele fürchten Wohlstandsverluste und die Selbstwirksamkeit nimmt ab. Hier setzt die AfD an mit ihrer Parole der Wiederherstellung von Kontrolle. 2017 hat Alexander Gauland schon gesagt: „Wir holen uns unser Land zurück.“ Die AfD will die Zahl der Geflüchteten und die Kriminalität kontrollieren. Das sind Ansatzpunkte, die auch bei Grünen-Wählern ziehen. Die sind ja auch nicht alle ideologisch gefestigt. Die Bindungswirkung der Parteien nimmt ab.

Inwiefern spielen Desinformation und Verschwörungsideologien eine Rolle?

Personen mit erfahrenen und wahrgenommenen Kontrollverlusten sind besonders anfällig für Verschwörungsideologien. Die AfD ist völlig bedenkenlos mit der Ausbeutung solcher Erzählungen, gepaart mit einer Emotionalisierung sozialer Probleme als Kontrollverluste, kombiniert mit der Opferrolle.

Was sind aus Ihrer Sicht Gegenstrategien?

Das ist eine schwierige Frage. 2001 habe ich in „Schattenseiten der Globalisierung“ die These vertreten, dass sich sukzessiv eine Demokratieentleerung auftut. Wir konnten in einer Langzeituntersuchung zeigen, dass der politische Apparat funktioniert, aber Vertrauen erodiert. Diese Entwicklung hat sich immer weiter vollzogen.

Was war ihr Schluss daraus?

Die Politik muss Vertrauen zurückgewinnen. Sie muss Repräsentationslücken schließen, die es zweifellos besonders im Osten gibt. Menschen müssen sich gesehen fühlen. Wer nicht wahrgenommen wird, ist ein Nichts. Da hat die AfD mit ihrer Strategie in vielen Gebieten ganz eindeutig vieles erreicht nach dem Motto: „Wir machen euch wieder sichtbar“. Die anderen Parteien haben die ländlichen Gebiete vernachlässigt, diese Repräsentationslücken rächen sich jetzt.

Warum gibt es derzeit keine Gegenbewegungen?

Soziale Bewegungen scheinen wie gelähmt. Ich habe den Eindruck, dass dies daran liegt, dass es derzeit nicht gelingt, eine zuversichtliche Vision zu formulieren, die mobilisierend wirkt. Die AfD hingegen hat eine motivierende autoritäre Vision gegen die offene Gesellschaft und liberale Demokratie, von der sich relevante Teile der Bevölkerung angesprochen fühlen.

Wie kann es gelingen diesen Anteil wieder zu verkleinern?

Es braucht unter anderem eine ganz schnelle Aufholjagd der anderen Parteien in den digitalen Medien, bei Tiktok und Co. – gerade um auch bei Jüngeren durchzudringen. Ebenso muss man die Auseinandersetzung suchen: Überall in Medien und Politik müssen die Konsequenzen der politischen Parolen der AfD aufgezeigt werden. Einige der politischen Forderungen wären ja selbst gegen die AfD-Wähler in ihren sozialen Lagen gerichtet. Der Erfolg bei Aufklärung kann aber dauern, weil zahlreiche Milieus in digitalen Medien gar nicht mehr miteinander kommunizieren. Wir haben keine Öffentlichkeit im Singular mehr, die alle inkludiert, sondern nur eine im Plural. Und zu guter Letzt ist es ganz wichtig, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren.

Was heißt das für Sie konkret?

Die Zivilgesellschaft scheint mir zu wenig konfliktfähig zu sein. Es fehlt meiner Ansicht nach an Auseinandersetzungen in nahen sozialen Bezugsgruppen. Was passiert in der Verwandtschaft, im Sportverein, auf der Arbeit, in der Kirchengemeinde oder mit den Freunden beim Kochen? Die politische Wirksamkeit in den nahen sozialen Bezugsgruppen ist hochgradig unterschätzt.

Also Mund aufmachen am Stammtisch, wenn jemand mit rassistischen Argumentationen um die Ecke kommt?

Ja, wenn man dann nicht gleich reagiert, verfestigt sich das Klima und die Position der AfD normalisiert sich. Denn genau darum geht es der AfD. Das sagen ja auch die Eliten der Partei ganz offen: Wir wollen in gesellschaftliche Institutionen eindringen, in nahen Bezugsgruppen unsere Positionen normalisieren. Was zu einem bestimmten Zeitpunkt als normal gilt, kann man nicht mehr problematisieren. Das Schwierige ist: In Bezugsgruppen ist man in der Regel allein und muss unter Umständen harte soziale Kosten tragen und wird möglicherweise aus Bezugsgruppen ausgeschlossen, je nachdem, wie weit die Normalisierung fortgeschritten ist. Das ist mein Plädoyer: Sich über die eigene Konfliktfähigkeit Gedanken zu machen. In den nahen sozialen Bezugsgruppen zeigt sich erst, ob wir in der Lage sind, für eine humane Gesellschaft einzutreten.

Wo stehen Sie in der Verbotsdiskussion?

Das ist der völlig falsche Weg: Ein Verbotsantrag würde Jahre bis zur Befassung dauern und in der Zwischenzeit zu großen und erheblichen Solidarisierungseffekten führen.

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49 Kommentare

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  • Ist die Demokratie wirklich in Gefahr?



    Wer gegen Massenmigration, Multikulti usw. ist oder im Islam eine Gefahr für unsere Werte sieht, ist doch nicht automatisch ein Rassist. Dafür gibt es doch genügend belegbare Fakten das diese Entwicklungen aktuell negative Folgen haben. Politisch " Rechts " steht heutzutage für Bürgerlich konservativ bis national sowie wirtschaftsliberal. Ursprünglich nach der franz. Rev. nannte man die Bürger jedoch "Linke" denn sie sassen links und waren die ersten Demokraten. "Links" steht heutzutage für progressiv und meist sozialistische Ideen. Wenn man schon eine Gefahr für die Demokratie sieht, sollte man nicht vergessen, der Sozialismus zählt zu den totalitären Ideologien und ist keineswegs demokratisch. Ebenso dass die Wurzeln die gleichen waren. Linksextremismus entstand aus dem Sozialismus, während der Rechtsextremismus also Faschismus ein Kind des Marxismus war. Er entstand im frühen Italien durch die Aufspaltung zweier marxistischer Parteien aus Sizilien und Neapel als sogenannter 3te Weg. Ebenso, dass der Sozialismus mit seinen über 200Mio Toten, kaum besser war als der Faschismus.

  • "9/11 eine islamistisch-kulturelle Krise, 2005/06 gab es eine Hartz-IV-Krise, 2008/09 eine Finanz- und Wirtschaftskrise, 2015/16 gab es viele Geflüchtete und sozialkulturelle Verunsicherung. Und dann kam 2019 die Coronakrise."

    Und dann kommt noch der Krieg in der Ukraine hinzu.

    Das größte Problem ist aber, das die Coronakrise zwar vorbei ist, die anderen aber immer noch nicht gelöst sind. Auch die Finanzkrise nicht wirklich, sie wirkt in der Form der Überschuldung vieler Staaten noch nach.

  • Woher Heitmeyer die Erkenntnis haben will, der Sozialstaat sei "demontiert" worden, bleibt ja wohl sein Geheimnis. Der Sozialhaushalt hat mit 166 Mrd. Euro 2023 ungefähr die Größe der 4 nächstgrößten Posten (Verteidigung, Finanzen, Schulden, Verkehr und Digitales zusammen). Das klingt nicht nach Sozialabbau.

  • Das haben wir jetzt von unserer jahrelangen Nachsicht mit der Menschenfeindlichkeit des Alteingessenen. Als ich 1990 aus dem Osten in den ländl. Raum zwischen Taunus und Westerwald kam war man offen ausländerfeindlich, ostfeindlich und gerne belehrte einen der letzte Simple wie das hier laufe. Man jammerte über die Großzügigkeit gegen den Osten und meinte dann zu mir "aber du bist ja gaaanz anders". Der Ureinwohner, Ost wie West, ist einfach menschenfeindlich, wenn es nicht seiner Sippe nutzt und er vergisst sehr schnell wie er alle Privilegien gerne mitgenommen hat. man sollte ein Pflichtjahr im Ausland einführen, damit jeder weiß was er hier hat.

  • "Die Zivilgesellschaft scheint mir zu wenig konfliktfähig zu sein."



    Die Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl wird so ziemlich jeden Tag von der Feuerwehr aufgesucht und auch die Polizei kennt das Anwesen wohl besser als ihre Wache. Das Land Thüringen hat es auch unter "echt" RRG ned hingekriegt, da mal organisatorisch und logistisch ein menschenwürdiges Procedere hinzukriegen; was jetzt mein Diskussionseinstieg sein kann.



    Wenn ich Bock habe, "einzusteigen", damit alle "diedaoben" konsequenterweise verantwortlich mache und ein anderes Fazit ziehe wie ein großer Teil meines realen sozialen Umfelds, welches wohl eher und sowohl medial als auch politisch befeuert auf "Ausländer raus" ist. Da hat sich nie was dran geändert, "zwischendurch" wars bloß weniger offen und böswillig.

  • Wann beginnt eigentlich das Wehren vom "wehret den Anfängen"? Also z.B. offen rechtsextremistische Parteien SOFORT verbieten und gerichtsnotorische Faschisten verhaften, BEVOR sie ihr Gift verspritzen und den faschistischen Diskurs "normalisieren" und sich in freien Wahlen multiplizieren können??

    Und warum wird uns bei einem TAZ-Interview nicht der interviewte Herr Heitmeyer, sondern ein gar nicht vorkommender AfD-Kandidat (!) per Foto ins Gedächtnis gehämmert??

    • @tom-pex:

      Tja. Keiner traut sich, sich zu wehren. Das Gift hat sich doch schon seit vielen vielen Jahren ausgebreitet.

      Sogar Linksliberale denken, rechte Parteien müssen sein, weil die Pluralität der Demokratie darf nicht eingeschränkt werden.

      Und wenn die dann merken, dass die Demokratie nach und nach abgeschafft wird, dann wundern die sich, warum nix unternommen wurde.

      Lieber 1% abschaffen als 100%. Haben wir bei den Corona-Maßnahmen auch gemacht mit dem Wert der Freiheit, und wir sind nicht in eine totalitäre Diktatur gefallen.

  • Der Mann sollte einfach mal den Beitrag über die Grünen ist Ostdeutschland lesen - dann kann er die Hälfte seiner Analyse noch mal überarbeiten oder auch drei Viertel. Da wird weit klarer beschrieben, warum die Grünen kein Bein auf den Boden bekommen und die Afd im Vergleich zu den anderen Parteien attraktiver erscheint.

  • OZ: Das Milieu /.../ hat Irritationen.

    Das beschreibt die Situation ziemlich gut. Leider kann man sich am Hirn nicht kratzen...

    Die übrigen Erklärungen bewegen sich zwischen Bekanntem und Anfangsverdachtsfällen und scheinen unvollständig. Zum einen setzen sie auf Rationalisierung von Beweggründen. Diese sind jedoch — vor allem in diesem Milieu — reinste Gefühlentscheidungen. Die Motiv-Diffusität hinter dem Vorgang, der diese Wähler zu der "Erkenntnis" bringt, ein Faschist müsse her, ist teilweise vermutlich eher mit Werkzeugen der Psychologie zu erklären als mit Stanzen á la "sektorale Krisen". Klar, das ist es bestimmt! Aber die Entscheidung sogar zum eigenen Schaden die AfD zu wählen ist mitnichten auf Basis der Erkenntnis gefallen. Selbst als externe Diagnosen erklärt es weing. Meines Erachtens fehlt vor allem der Faktor "Normalisierung" im übrigen medialen Diskurs. Jenes alltägliche Raunen, Hetzen und Feldbereiten des Boulevards. Alles Durchgehenlassen kleiner rassistischer Eklikgeiten und Ungerechtigkeiten im Alltag. Die Überführung von Anfangsverschwörungen in Alltagserzählungen (so dass sich selbst Gottschalk gecancelt fühlen darf). Alle Diffamierung des Ringens um Gerechtigkeitsausgleich zum Revanchismus. Alle Kriminalisierung des Engagements (OZ: "Klimakriminelle"). Zwischen der Präsenz von lieben und lustigen Faschos auf TikTok und der Entwicklung einer rechten mainstreamigen Jugendkultur ist noch so viel erklärungsbedürftiger Raum... Da reicht es nicht aus von geframter Überlegenheitsattitüde zu reden, selbst wenn dies stimmen mag. Die Frage ist, wieso ist so ein fragiles und banales Konstrukt wie eben diese Überlegenheitsattitüde, die die AfD propagiet, so attraktiv? In irrer Gleichzeitigkeit mit dumbem Opfergerede? Was vereinigt diese widersprüchlichen Konzepte im Wählerkopf zu schein-konsistenter Anschauung? Gewiss ist es nicht der drohende Verlust der Gasheizung (der noch so ein boulevardesk vorbestelltes Feld für die AfD ist).

  • "Die Radikalität besteht vor allem in der Kommunikation und Mobilisierung mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gegen bestimmte markierte Bevölkerungsgruppen. Diese Bestandteile sind attraktiv, daran muss man Wahlergebnisse interpretieren."

    Das ist ein wichtiger Punkt. Es geht im Kern um ein Angebot der Selbstaufwertung durch Abwertung anderer. Die Programmatik und wie plausibel, konsistent und den eigenen Interessen dienlich sie ist, ist deshalb für die Wählenden wenig relevant. Und ebenso Argumente.

  • Die Basis solcher Analysen ist, daß die Wähler von den Parteien und Politikern manipuliert und gesteuert werden. In der Gedankenwelt etlicher Analysten warten die Wähler anscheinend bräsig an einer Bushaltelle darauf, „abgeholt“ oder „mitgenommen“ zu werden. Wer’s glaubt...

    Die AfD hat Gruppen wie die NPD absorbiert. Das ist eine Kernwählerschaft von unter 5 Prozent. Solche Personen verschwinden ja nicht. Es gibt sie sowohl am linken als auch rechten Rand einer gaußschen Verteilungskurve. Nun unterstütze sie die AfD. Dazu kommen noch etliche entwurzelte CDU-Wähler. Welche Partei sollten diese denn wählen, wenn sie Kernenergie favorisieren und eine starke Kontrolle der Zuwanderung möchten. Der größte Teil der AfD-Befürworter waren und sind jedoch Protestwähler, die sich gar nicht die AfD in der Regierung wünschen. Sie wollen nur ein Änderung der aktuellen Politik erzwingen.

    Zum Glück der anderen Parteien besteht der laute Kern der AfD aus einer Gruppe europafeindlicher „vaterlandsloser Gesellen“ (Anton Hofreiter). Es ist für viele Protestwähler und bisherige CDU-Wähler unmöglich, eine europafeindliche Russlandpartei zu wählen.

  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    Ist das jetzt ein Narrativ, eine Blaupause oder ein Repetitiv eines älteren Herren?



    Quasi alle seine Antworten zeichnen nur nach, dass es bereits vor mehr als 15 Jahren solche Strömungen in Europa gab und dass diese deutlicher in die Politik vorgedrungen sind als ehedem…. Wo nur war und ist das wehret den Anfängen

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @663803 (Profil gelöscht):

      „… Repetitiv eines älteren Herren?“



      Professor Heitmeyer ist durchaus im Hier und Jetzt und er entwickelt auch strategische Gedanken. Für Sie eine Kurzfassung:



      „Es gibt langfristige Erklärungen und kurzfristige Trigger, die auch Grünen-Wähler und Sympathisanten verschreckt haben: zum Beispiel das Heizungsgesetz. Das eigene Haus wird auf einmal zum Schrecken und zur Bedrohung, weil man nicht weiß, wie man das finanzieren soll.“



      [….]



      „Überall in Medien und Politik müssen die Konsequenzen der politischen Parolen der AfD aufgezeigt werden. Einige der politischen Forderungen wären ja selbst gegen die AfD-Wähler in ihren sozialen Lagen gerichtet. Der Erfolg bei Aufklärung kann aber dauern, weil zahlreiche Milieus in digitalen Medien gar nicht mehr miteinander kommunizieren. [….] Und zu guter Letzt ist es ganz wichtig, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren.“



      Zu ihrer abschließenden Frage „Wo nur war und ist das ‚Wehret den Anfängen‘ “ Das ist leider am Ende – wenn es nicht gelingt, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren.

  • "Inzwischen schreckt auch die Einordnung als rechtsextremistisch die Sympathisanten und Wähler nicht mehr ab."



    Die AfD gibt sich redlich Mühe, sich so unappetitlich wie möglich zu geben. Aber irgendwie bringen die anderen Parteien das Kunststück fertig, immer mehr Wählern noch übler zu erscheinen...

  • Menschen sind Rottentiere. Sie halten in ihrer Rotte gegen andere Rotten zusammen und brauchen Leittiere. Da es aber immer mehr Menschen gibt, die um ihre Reviere streiten, bei gleichzeitiger Globolisierung ist die Zuordnung schwierig: Zu welcher Rotte gehöre ich (gerade) bezw. möchte ich gehören? Das Ergebnis ist ein Kampf jeder gegen jeden zwischen gespaltenen Persönlichkeiten, die einerseits wissen, daß ihre Gier tödlich ist, aber nicht davon lassen können. Das ist Ich-Sucht. Auf schlau: Egoismus. Bei den Leittieren kommt noch Herrschsucht dazu. Sieht nicht gut aus, für den Homo Sapiens. Wenn es einen Messias gibt, wäre jetzt die Zeit zum Auftauchen. Greta Thunberg ist es jedenfalls nicht

  • Meine persönlichen Beobachtungen ist die AfD eine Partei für schwer Depressive: Leute, die es zu etwas gebracht haben. Die aber das Gefühl nicht abschütteln können, sie seien zu kurz gekommen. Eine permanente Verbitterung entsteht daraus, die vielen Urlaube im Jahr können dem nur kurzfristig entgegen wirken. Die AfD wird als die Lösung gegen Angst gesehen. Angst vor Abstieg, aus einer Position, die ohnehin schon als nicht "das erreicht, was ich eigentlich wollte" angesehen wird. Egal, wieviele Millionen da sind, es sind zu wenige.

  • "Die Radikalität besteht vor allem in der Kommunikation und Mobilisierung mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gegen bestimmte markierte Bevölkerungsgruppen."



    Ergänzen ließe sich hier auch "bestimmte WählerInnengruppen", denn ein solches Feindbild wird nicht nur erzeugt, sondern regelrecht gemästet.

  • Danke für dieses Interview. Dieselben Argumente werden ja auch in Deckers "Flucht ins Autoritäre" vertreten, Herr Heitmeyer hat zum Teil noch griffigere Komposita (autoritärer Nationalradikalismus, Überlegenheitsvorstellung, rohe Bürgerlichkeit). Auch ist es geradezu erlösend, das Argument "Protestwähler" klar abgelehnt zu sehen. Wer in den 70er und 80ern aufgewachsen ist, konnte doch deutlich die Affinitäten zwischen CDU und Republikanern miterleben, und ohnehin das furchtbare Psychoerbe des autoritären Denkens und Meinens und Fühlens (oder Abwehr dessen) in allen Fasern der Gesellschaft.



    "2001 habe ich in „Schattenseiten der Globalisierung“ die These vertreten, dass sich sukzessiv eine Demokratieentleerung auftut." - es muss bitter sein, dass diese Erkenntnis dem allgemeinen Vermögens- und Wertschöpfungswahn nicht hat Rat sein können. Ganz ähnlich wie es den vielzähligen Klimaforschern seit fünf Jahrzehnten auch schon ergeht.

    Ein Bild des Interviewten wäre sicherlich besser gewesen, als dem AFD Personal schon wieder Öffentlichkeit zu bieten. Any press is good press. For them.

  • „Es hat sich etwas verschoben“



    /



    Das hat im übertragenen Sinne etwas von initialen tektonischen Verschiebungen und vom seismografischen Erkennen der "regelhaften" kleinen Vorbeben. Es ist aber ein gewaltiger Unterschied, ob wir uns in der Vulkaneifel oder am Fuße des Vesuv befinden. Zumindest wachgerüttelt zu sein, wäre jetzt prognostisch gut.



    Gondwana war auch nicht vor Fliehkräften gefeit.



    Die Veränderungen sind aber aktuell beileibe nicht erst in Zeitlupe zu erkennen.

  • Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass die Themen die Menschen bewegen, auch adressiert werden. Migration und ihre Probleme ist geradezu ein typisches Beispiel dafür, dass sich einige nicht für vollgenommen fühlen.



    In der aktuellen Polizeistatistik wird der Anstieg der Gewaltdelikte aufgezeigt und u.a. auch eine Verbindung zu Migranten und deren Lebenssituationen hergestellt. Was macht die Zeit Online? Weist nicht darauf hin. Folge? Die Kommentare explodieren, da das Fehlen viral geht! Und mal ehrlich: Wenn sich die Zeitleser so benehmen, was ist dann im restlichen Deutschland los?

    Darum: Nur wer auch die schwierigen Themen annimmt und glaubhaft authentisch artikuliert, kann den Diskurs positiv gestalten…

    • @Andi S:

      Wenn schon Statistik, dann richtig:

      Punkt1:



      In 2002 lag die Zahl der polizeilich erfassten Gewaltdelikte bei 197493, in 2007 bei 217923, in 2022 bei 197202. Also erst ein Anstieg um etwa 20000 dann wieder ein Rückgang um etwa 20000. Von 2002 bis 2022 insgesamt ein Rückgang um 291.



      Andere Variante von 2002 bis 2021 sanken die Zahlen von 217923 auf 164646.



      Punkt 2:



      In der aktuellen Polizeistatistik geht es erst mal nur um den Vergleich der beiden ersten Halbjahre 2022 und 2023.



      Punkt 3: (Für diesen Vergleichszeitraum)



      Anstieg der polizeilich erfassten Gewaltdelikte von Deutschen im Verhältnis zum Anteil an der Bevölkerung 8%. Anstieg bei den Nichtdeutschen im Verhältnis zum Anteil an der Bevölkerung 9%.



      Punkt 3:



      Anstieg der polizeilich erfassten Gewaltdelikte von deutschen Kindern und Jugendlichen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung 12%. Entsprechender Anstieg der polizeilich erfassten Gewaltdelikte bei nichtdeutschen Kindern und Jugendlichen 12%.



      Welche Zusammenhänge bestehen da jetzt genau zur Migration?



      Welche Zusammenhänge zu anderen gesellschaftlichen Aspekten könnte es noch geben?



      Beispiele: schlechte Perspektiven für Menschen und deren Familien mit unsittlich niedrigen Einkommen, Wohnungsnot, sich stets vergrößernder Abstand zwischen Arm und Reich, Abstiegsangst der Mittelschicht aber auch Enthemmung von Wohlhabenden usw., usw.



      Schwierige Themen eben, für die die AfD aber auch Leute wie Friedrich Merz, Hubert Aiwanger oder Christian Lindner überhaupt nicht den Ansatz einer Lösung zeigen. Vorschläge wie Vermögenssteuer wieder einsetzen und Maximaleinkommen durch progressive Besteuerung und damit Einhegung von Gier, Spekulation und leistungslosen, exorbitanten Kapitaleinkünften kommen da doch eher von links.

  • Danke für das spannende Interview.

    Impliziert viel Kritik an der Zivilgesellschaft, an den etablierten Parteien, an Linken.

  • " ............ Das ist der völlig falsche Weg: Ein Verbotsantrag würde Jahre bis zur Befassung dauern und in der Zwischenzeit zu großen und erheblichen Solidarisierungseffekten führen. "



    Warum muss das dauern?



    Die Ansicht kann ich angesichts der Tatsache, dass ja viele befragte AgD Wähler sich immer darauf berufen, dass die Partei ja garnicht rechtsextrem sein kann, weil sie dann ja verboten wäre nicht verstehen.

    • @Axel Schäfer:

      > Warum muss das dauern?

      Das lehrt die Erfahrung aus den NPD-Verbotsanträgen…

      • @Grenzgänger:

        Die wurden aber auch abgelehnt weil die NPD als politisch zu unbedeutend eingestuft wurde, vielleicht hat man sich deshalb Zeit gelassen.



        Jetzt würde ich eher mit Gefahr im Verzug argumentieren. Kann natürlich auch sein, dass rechte Richter immer noch mit der Demokratie fremdeln.

  • Ich rede berufsbedingt auch mit vielen Menschen. Viele haben aber aus Protest die AfD gewählt.



    Sie sehen durch die hohen Umfragewerte der AfD, dass erst jetzt politisch gehandelt wird in Sachen der Migration.



    Ansonsten, so die Auffassung, wäre diesbezüglich nichts geschehen.



    Wenn jetzt von Regierungsseite gehandelt würde, wäre ihre nächste Wahl nicht die AfD.



    Schauen wir mal!

    • @M. Dilsburg:

      Entschuldigung, aber aus PROTEST die AfD zu wählen halte ich für eine unfassbar dumme und naive Argumentation.

  • 'Wir haben keine Öffentlichkeit im Singular mehr, die alle inkludiert, sondern nur eine im Plural. Und zu guter Letzt ist es ganz wichtig, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren'.



    Lieber Herr Heitmeyer, dies nur ein Beispiel eines m E. zu verkopften Erklärungsversuchs, den kaum jemand kapiert. Bitte formulieren Sie Ihre wichtigen und richtigen Erkenntnisse so, dass jeder sie versteht. Nichtsdestotrotz ist wohl das meiste richtig.

  • - sozialkulturelle Verunsicherung



    - sektorale Krisen



    - systemische Krise



    - multiple Krisen



    ... Warum fällt mir jetzt das Wort Bullshit-Bingo ein?

    Immerhin bringt Heitmeyer auch einen konstruktiven Vorschlag:



    "Die Politik muss Vertrauen zurückgewinnen"



    Das haben alle schon x-mal gehört. Aber noch nicht von allen.

  • 3 Punkte, den AFD Zulauf zu halbieren:



    Bürgergeld und Asylgeld nur gegen Arbeitseinsatz zum Mindestlohn.



    Beamte und Selbstständige in die Sozialkassen, keine Obergrenze dafür bei AN und auch Vermögensabgaben.



    Sozialer Wohnungsbau bezahlbare Warmmiete für jeden



    90 % Aufregerpunkte für die AFD weg.

    • @Bonugu:

      - Sie wollen also Menschen, die z.B. ihre Angehörigen pflegen, oder alleinerziehende Mütter zu Reichsarbeitsdienst verpflichten. Gut, dass wir darüber gesprochen haben.



      - Das Einzahlen in "Sozialkassen" generiert auch Rechte, aus diesen Gelder zu beziehen, ändert also gar nichts



      - Die AfD hat sich immer GEGEN jede Regelung ausgesprochen, die den Anstieg der Mieten bremst.

      Womit ihr Beitrag ein sehr schönes Beispiel ist, was das reale Problem ist.

      • @Kaboom:

        Ihre Argumentationsweise und Wortwahl ist aber auch ein Teil des Problems, warum in diesem Land so viel aneinander vorbeigeredet wird.

        Nirgendwo im Beitrag von @Bonugu steht, daß alleinerziehende Mütter oder pflegende Angehörige "dienstverpflichtet" werden sollen.

        Auch das Wort "Reichsarbeitsdienst" ist hier überflüssig, und die Aussage von @Bonugu zum Wohnungsbau steht doch im Gegensatz zur AfD.

        Das Schubladendenken und die zunehmende Neigung zur Schnappatmung machen politische Debatten nicht einfacher. Das gilt für beide Seiten, aber für die Linken vielleicht noch etwas mehr.

        Mein Wohnungsnachbar hat in den gut 10 Jahren, die er hier wohnt, noch nie gearbeitet, während ich morgens um 5.00 Uhr aufstehen "darf". Da gewinnt der Gedanke an Dienstpflicht schon an Attraktivität.

        Wobei: Sollte er aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten KÖNNEN, sei ihm sein Bürgergeld selbstverständlich gegönnt und ich würde ihn dann auch von der (theoretischen) Dienstpflicht ausnehmen.

        • @ PeWi:

          Nirgendwo im Beitrag von @Bonugu steht, daß alleinerziehende Mütter oder pflegende Angehörige "dienstverpflichtet" werden sollen.

          Och. Beziehen alleinerziehende Mütter und Menschen, die ihre Angehörigen pflegen und deshalb nicht arbeiten können, neuerdings kein Bürgergeld mehr? Bis gestern nämlich bezogen diese sehr Wohl Bürgergeld

          • @Kaboom:

            Natürlich beziehen die beiden genannten Gruppen Bürgergeld. Aber Sie unterstellen daraus, daß @Bonugu nur von "Bürgergeldempfängern" schreibt, er kenne keine Ausnahmen.

            Vielleicht ist das so, aber anstatt nachzufragen, wie es gemeint ist, hauen Sie nur eine Unterstellung raus, und versuchen dann durch einen Hieb mit dem "Reichsarbeitsdienstspaten" den vermeintlichen "Gegner" final zu erledigen.

            Kann man machen, hat aber mit sachlicher Diskussion nichts zu tun.

            • @ PeWi:

              Der OP hat keine Einschränkungen genannt. Eine Gruppe, die man nicht einschränkt, umfasst alle. Mehr gibts dazu nicht zu sagen.

        • @ PeWi:

          Danke!Sie ersparen mir meinen Kommentar!

    • @Bonugu:

      Anzunehmen, dass das so funktioniert, halte ich für naiv.



      Den Menschen, die AfD wählen geht es nicht darum, dass Bürgergeldempfänger oder Geflüchtete nicht arbeiten gehen (bei Letzteren ist das Problem eher, dass sie nicht arbeiten dürfen), sondern um das Ausleben der eigenen autoritären Persönlichkeit (sprich: nach oben Buckeln und nach unten treten). Da wird weiter rassistische Politik gemacht, die Aufreger sind dann halt andere.

      Beim Rest würde ich zustimmen, das sind auch grundlegend richtige Ideen, auch wenn sie nicht radikal genug sind (wie es beispielsweise Vergesellschaftung wäre).

      • @Piratenpunk:

        Bei uns im Osten sind sehr viele von der Linken zur AfD gewechselt....

      • @Piratenpunk:

        Im Grunde sagen Sie hier nichts anderes als: "AFD-Wähler sind eben pöse schlechte Menschen, die ich hassen und verachten darf." Und welches spezielle Persönlichkeitprofil leben Sie mit solcher Schwarz-Weiß-maerei wohl aus?

    • @Bonugu:

      "Bürgergeld und Asylgeld nur gegen Arbeitseinsatz zum Mindestlohn."

      Verstößt gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl (wie BüGe und H4 übrigens schon) und würde nur dazu dienen einigen unlauteren Vermittlerfirmen und Ausbeuterbetrieben ihr Lohndumping zu erleichtern.

      "Beamte und Selbstständige in die Sozialkassen, keine Obergrenze dafür bei AN und auch Vermögensabgaben."

      Vollste Zustimmung von meiner Seite, aber mit keiner Regierungsoption gerade machbar (am allerwenigsten mit der AfD im Übrigen, habe das Wahlprogramm 2023 gerade dahingehend überpruft). Am nähesten dran wären sie hier noch bei den Grünen/der Linken.

      "Sozialer Wohnungsbau bezahlbare Warmmiete für jeden" Voll dafür und wo sehen Sie das bei der AfD? Und wie wollen Sie das im Allgemeinen schaffen?

      "90 % Aufregerpunkte für die AFD weg." Die Punkte hatten ja außer 1) nix mit Positionen der AfD zu tun.

      • @spaltarsch:

        Was sie nicht sehen, ist die indirekte Wirkung der von Bonugu vorgeschlagenen Maßnahmen: Weniger Unzufriedenheit und ökonomischer Druck gepaart mit mehr (gefühlter) Gerechtigkeit, daher weniger Grund für Protest, Wut und Verbitterung und in der Folge weniger Kreuze bei der AFD. Das hat Bonugu implizit gemeint und es ist sicher nicht so weit hergeholt. Insofern finde ich ihre Abkanzelung nicht gelungen.

    • @Bonugu:

      Laut allen Umfragen werden die Blauen mit großem Abstand wegen des Themas Zuwanderung gewählt.



      Danach Energiepolitik und Waffenlieferungen.

  • Die Analyse stimmt so nicht. Offensichtlich fühlen sich mindestens 20 % der Wähler von den anderen Parteien nicht vertreten. Die große Koalition spielt da eine Rolle, und Merkel. In Fragen der Klimarettung, der Miggration und des wirtschaftlichen Umbaus, Abbaus, unterscheiden sich alle Parteien jenseits der AFD nicht wesentlich, nur in Nuancen. Insbesondere die CDU hat kein abgrenzbares Profil mehr. Vom AFD wählen hält wirklich Viele nur noch der braune Kern der AFD ab, der ist eher abschreckend und nicht der anziehende Faktor.

    • @Aldi Wolf:

      Was sie da behaupten ist völliger Unsinn. An der Bundestagswahl 2021 nahmen alleine 47 Parteien Teil und diesen unzufriedenen Gruppen stünde es jederzeit frei sich in einer Neugründung zu organisieren. Niemand ist gezwungen Faschisten zu wählen!

      • @spaltarsch:

        Mäßigen sie doch bitte ihre Sprache. Völliger Unsinn ist das keineswegs. Es gibt renommierte Politikwissenschaftler, die seit den 90er Jahren Repräsentationslücken ausmachen (jetzt versucht auch Wagenknecht in diese zu stoßen) und die eine Bewegung hin zur Mitte attestieren mit der Folge verengter Normalitäts- und korrespondierender verengter Meinungskorridore. Das sind keine Phantastereien. Aber Menschen wollen vertreten und nicht wegen ihrer Meinungen ausgegrenzt werden, die noch lange nicht im extremen Spektrum beheimatet sind; was sie aber zunehmend werden. Das erzeugt dann eben auf die Dauer Frust und emotional aufgeladene Ablehnung der arrivierten Kreise. Das ist alles keine tiefgreifende Psychologie. Was ihren Punkt mit den vielen sonstigen Parteien angeht: User "Sollndas" hat ihnen passend geantwortet, dass verschenkte Stimmen an Kleinstparteien nicht sehr attraktiv sind. Dazu kommt, dass man nicht davon ausgehen sollte, dass alle AFD-Wähler völlig desinteressiert an anderer Politik sind. Es ist sicher so, dass einige hoffen, die Politik der Regierung durch ihre Stimme für die AFD zu beeinflussen. Das Kalkül ist nicht dumm sondern klassisch demokratisch. Niemand muss das gut finden und AFD-Stimmen sind schlecht, aber was sie hier tun ist ein weiterer der untauglichen Versuche, das Problem bei den Wählern, statt bei den regierenden Politikern zu verorten. Aber das funktioniert in einer Demokratie nicht dauerhaft, weil die abweichenden Wähler irgendwann zu viele sind und es dann echte Konsequenzen hat.

      • @spaltarsch:

        "...diesen unzufriedenen Gruppen stünde es jederzeit frei sich in einer Neugründung zu organisieren."



        Ja, klar, als Protestwähler schließe ich mich doch am Liebsten einer 0,001 %-Partei an, das ist am Wirksamsten!!!!

  • Die Frage, warum es keine Gegenbewegungen gibt, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass der Citoyen, also die Substanz der Zivilgesellschaft, in Deutschland quasi ausgerottet wurde. An seiner Stelle traten NGOs und ThinkTanks, die leider die Zivilgesellschaft größtenteils ersetzt haben. Das ist aber nicht der Fall, weil sie meistens staatlich alimentiert sind und wie ein Fremdkörper in der Gesellschaft wirken.

    Der Verlust des Citoyen, der sich einmischt und beeinflusst, ist auch bedingt durch viele Medien, die ein anderes Verständnis von Demokratie und Information haben. Hier werden die "normalen" Menschen einfach unterschätzt. Sie fühlen sich in den gesellschaftlichen Debatten nicht mehr vertreten. Das hätte u.U. linke Positionen begünstigen können. Warum das nicht eintrat, ist ein anderes Thema. Der Erfolg der AfD ist leider auch Resultat einer mangelnden selbstkritischen Reflexion des bürgerlichen Lagers hinsichtlich der Frage, ob die aktuelle Politik den Rechtsnationalismus begünstigt.

    • @Rolf B.:

      Treffende und tiefgründige Analyse! Chapeau Rolf B. Die übrigen Kommentare hauen in die altbekannten Kerben oder beschwören die seit Jahren eingeübte linke Rhetorik im Kampf gegen die AfD. Gebracht hat diese Rhetorik noch nichts. Sie verhilft offensichtlich nur der AfD zu weiterm Wachstum.

      • @Petronius der Jüngere:

        Vorzüglich. Ein Ergänzungsvorschlag mit Anklängen an B.-C. Han: Der Citoyen hatte es schon in der massenmedialen Gesellschaft schwer, wo Informationen zentralisiert verteilt und verkündet wurden; damals hatte er es schwer, gegen diesen mächtigen Kanal anzukommen.

        Er hat es jetzt, wo es unzählige Informationspunkte gibt die funken und an unzähligen anderen Punkten empfangen werden (aber an vielen nicht bzw. ganz andere empfangen werden) und wo dazu die Halbwertzeit von Informationen extrem abnimmt, was alles in einer Entwertung von Wahrheitsansprüchen sich niederschlägt (die einen sagen so, die anderen sagen so; diese Information spricht für dies, kann aber auch anders gelesen werden; die andere Information widerspricht der ersten Information, was machen wir daraus? usw.) und was durch die wirkliche Informationsüberflutung eine Orientierung der Empfänger sehr erschwert (die sinkende Aufmerksamkeitsspanne ist nicht so sehr eigenes Verschulden sondern dem Bombardement mit Informationen geschuldet, dem wir ausgesetzt werden), unmöglich, als große, vereinende Autorität zu bestehen.