Schwarzer-Wagenknecht-Demo: Demozahlenwirrwarr
Mindestens 50.000 Menschen hätten an der Berliner Kundgebung von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht teilgenommen, behauptet die „Emma“. Stimmt das?
Dass Medien unter Berufung auf Polizeiangaben die Zahl der Teilnehmer:innen an der von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht organisierten Berliner Kundgebung „Aufstand für Frieden“ mit 13.000 angegeben haben, sei „schlicht lächerlich“, empört sich die von Schwarzer herausgegebene Zeitschrift EMMA in ihrer Onlineausgabe am 26. Februar. Damit erreiche „die Manipulation der Fakten einen einsamen Höhepunkt“. Denn, so EMMA: „Schon auf den Fotos, sowie nach ersten Schätzungen und mathematischen Berechnungen waren es mindestens 50.000 TeilnehmerInnen.“
Richtig ist:
Wie bei Demonstrationen üblich, entsprechen weder die Veranstalterinnen- noch die Polizeiangaben der Realität. Zur Überprüfung gibt es ein hilfreiches Tool mit dem Namen „Map Checking“, mit dem sich berechnen lässt, wie viele Menschen an einer Kundgebung teilgenommen haben. Dazu muss man die Größe der Fläche definieren, auf der sie sich aufgehalten haben, und wie eng sie beieinander standen.
Die Schwarzer-Wagenknecht-Kundgebung fand vor dem Brandenburger Tor auf der Straße des 17. Juni statt. EMMA behauptet, sie hätte „bis fast zur Siegessäule“ (2 Kilometer vom Brandenburger Tor entfernt) gereicht. Das ist eindeutig falsch. Die Kundgebung reichte nur bis zum Sowjetischen Ehrenmal (400 Meter), wobei es sich dort schon sehr ausgedünnt hatte.
Gut gefüllt war es bis zu Gerhard Marcks' „Der Rufer“-Statue (280 Meter). Vor-Ort-Beobachtungen der taz ergaben: Vor der Bühne war es sehr eng, dann lockerte es sich peu à peu auf. Je nachdem, welche Dichte an welcher Stelle man veranschlagt, ergibt das eine Teilnehmer:innenzahl zwischen etwa 22.000 und 29.000.
In einer gemeinsamen Erklärung behaupten Schwarzer und Wagenknecht, „die größte Friedenskundgebung in Deutschland seit vielen Jahren“ organisiert zu haben. Wie man auch zählt: Das ist, freundlich formuliert, grober Unfug. Aber woher sollten die beiden auch wissen, wieviele vor einem Jahr in Berlin gegen den Ukraine-Krieg demonstriert haben?
Am 27. Februar 2022 war die Straße des 17. Juni tatsächlich vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule voll Demonstrant:innen. Mindestens 100.000 seien es gewesen, schätzte die Polizei, die Veranstalter sprachen von 500.000 Menschen. Schwarzer und Wagenknecht waren nicht dabei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen