Scholz in Davos: Das größere Bild

Trotz Fehler ist Scholz' Kurs im Ukrainekrieg richtig. Wichtiger als Waffenlieferungen ist, zu verhindern, dass sich ein antiwestlicher Block bildet.

Olaf Scholz Ukraine

Olaf Scholz spricht auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Foto: Markus Schreiber/ap/dpa

Im Donbass starten die russischen Invasionstruppen eine Großoffensive. Polen kritisiert Berlin mal wieder dafür, dass es zu wenig moderne Waffen lockermacht. Olaf Scholz skizziert währenddessen beim Weltwirtschaftsforum in Davos in kühnen Strichen die neue multipolare Weltordnung. Diese drei Nachrichten zusammen suggerieren, dass der Kanzler wieder alles falsch macht und auf der internationalen Bühne sucht, was ihm zu Hause fehlt: Zuspruch.

So scheint es. Aber so ist es nicht. Scholz warnt zu Recht davor, dass die Sanktionen des Westens gegen Russland im globalen Süden zu Hunger und Energiekrisen führen können. Er hat in Südafrika und Niger für Unterstützung der Ukraine antichambriert. Wer das für Flucht hält, versteht nichts von internationaler Politik.

Muss Berlin jetzt zügiger Waffen liefern? Die deutsche Debatte ist zu eng geführt. Viele Waffen liefern zu wollen, gilt als Unterstützung, zögern als Mangel an Mut. Diese Lesart hat den Vorteil, die Moral klar zu verteilen. Doch die Bedeutung wird von allen Seiten überschätzt. Ob die Ukraine überlebt, hängt nicht von ein paar Panzern aus Deutschland ab. Nur die USA, die gerade 40 Milliarden Dollar für Kiew lockergemacht haben, können die Ukraine mit dem Nötigen versorgen. Bei den militärischen Fähigkeiten ist der Unterschied zwischen den USA und Deutschland ungefähr so groß wie zwischen Deutschland und Irland. Das gelegentlich zu beachten, könnte die hitzig geführte Debatte um Waffenlieferung etwas abkühlen.

Das Schicksal der Ukraine entscheidet auch nicht die Tweet- Frequenz von Andrij Melnyk. Falls der Krieg länger dauert, wofür viel spricht, ist zentral, ob China, Indien und andere nichtwestliche Staaten die Sanktionen gegen Moskau torpedieren – oder nicht. Wenn die Ukraine zur Schlacht des Westens gegen den Rest der Welt wird, geht Kiew unter. Der Kanzler hat das verstanden.

Anderes leider nicht. Scholz hat salopp, fast höhnisch Kritiker, die mehr Waffenlieferungen fordern, abgekanzelt. Das passt nicht zur Gravitas der Verantwortungsethik, die er für sich reklamiert. Wäre ihm früher eingefallen, dass man ein paar Gepard-Panzer liefern kann – der Himmel über dem Kanzleramt wäre weniger wolkig.

In der Ampel rumort es. Kritik aus Osteuropa, Kritik von Grünen und FDP – das frisst sich wie Rost in die Regierung. Die Zeit der Politik per Machtwort ist vorbei. Aber Scholz muss sich langsam etwas einfallen lassen. Mit einem militärischen Bild gesagt: Der Kanzler ist bei der Strategie, dem größeren Bild, richtig aufgestellt. Kämpfe aber kann man auch wegen taktischer Fehler verlieren.

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