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Saufen ist teuerKein Wein ist auch keine Lösung

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Alkoholmissbrauch verursacht hohe finanzielle Kosten. Eine Gesellschaft, die das ändern will, muss mit der Aufklärung bei den Jüngsten beginnen.

In Deutschland wird zu jedem gesellschaftlichen Anlass Alkohol getrunken Foto: Silas Stein/imago

B ier ist ja so was wie ein Volksgetränk. Kein Ereignis scheint ohne das Hopfen-Malz-Gebräu zu funzen. Zur EU-Wahl lockte die SPD aus Angst vor ausbleibenden Stimmen vielerorts mit Freibier an die Urnen, es gibt den politischen Aschermittwoch, bei dem die Humpen nur so durchs Fernsehbild rauschen. Und es gibt die Bierpartei, die zur EU-Wahl mit dem Slogan warb: Mut zur Dichtheit.

Jede und jeder Deutsche trinkt durchschnittlich 88 Liter Bier im Jahr. Das hat (teure) Folgen: Knapp 17 Milliarden Euro berappt die Gesellschaft jedes Jahr, wenn jemand krank geschrieben ist, zur Reha, in eine Entzugsklinik oder gepflegt werden muss, weil er infolge von Alkoholmissbrauch nicht (mehr) arbeiten kann. Wohlgemerkt nicht, wenn man mal so richtig die Korken knallen lässt, sondern wenn Alkohol zur Sucht geworden ist.

Hinzu kommen Kosten wie Sozialgelder oder Ausgaben für einen früheren Renteneintritt. Insgesamt beträgt der volkswirtschaftliche Schaden rund 57 Milliarden Euro pro Jahr. Dem gegenüber stehen geringe Einnahmen: 2023 nahm der Fiskus etwas mehr als 3 Milliarden Euro durch die Alkoholsteuer ein. Was gab es nicht schon alles für Ideen, um dem Problem beizukommen? Höhere Steuern, Werbeverbot, Ausschankverbot für Personen unter 21 Jahren. Die Ampel hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag immerhin auf ein Werbeverbot geeinigt, passiert ist nichts.

Im Kampf gegen zu viel Sauferei wird immer gern auf Skandinavien verwiesen. Dort ist Alkohol so teuer, dass man sich im Restaurant überlegt, ob man Köttbullar oder ein Glas Wein bestellt. Die Folgen sind überall außerhalb Skandinaviens zu beobachten: Vor allem Männer saufen sich die Hucke voll, sobald sie auf billigeren Fusel stoßen.

Eine Gesellschaft, die Alkoholmissbrauch vermeiden will, muss bei den Jüngsten mit der Aufklärung beginnen, in der Schule, in Freizeiteinrichtungen, in der Familie. Wer früh lernt, mit Alkohol sorgsam umzugehen, dem macht auch mal ein Vollrausch bei der Hochzeitsparty nichts aus – und der erscheint am Montag wieder fit im Büro.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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29 Kommentare

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  • Höhere Preise für Alkohol ist wirksam und notwendig. Die Anzahl derer, die deswegen weniger trinken ist um ein vielfaches höher, als die paar Touristen, die sich im Urlaub die Kante geben (vor allem würden diejenigen das im Urlaub sowieso machen, auch wenn es daheim billiger wäre!).

    Und die ekelhafte Doppelmoral der konservativen Parteien (insbesondere der CSU) muss endlich aufhören. Man kann nicht in Sonntagsreden"gegen Drogen" zetern und gleichzeitig die Droge Alkohol bewerben und verharmlosen und die Einstiegsdroge Bier als "Grundnahrungsmittel" bezeichnen.

  • Es kann schon interessant sein Deutschland mit Skandinavien zu vergleichen. Ich selbst lebe seit fuenf Jahren in Norwegen.



    Es ist deutlich schwieriger Alkohol zu kaufen. Getraenke mit Alkhoholgehalt von mehr als 4,5 % gibt es nur in staatlichen Geschaeften und der Kauf von alkhoholischen Getraenken im Supermarkt ist zeitlich limitiert und es wird staerker nach Ausweisen gefragt.

    Natuerlich wird hier trotzdem viel Alkohol konsumiert und es gibt definitiv auch Alkoholprobleme in der Gesellschaft.

    Der grosste Unterschied und der Grund warum es hier meiner Meinung nach deutlich besser funktioniert ist jedoch, dass es hier gesellschaftlich viel weniger akzeptiert ist in der Gegenwart von Kindern Alkohol zu konsumieren. Kinder wachsen also nicht mit dem Gefuehl auf, dass es normal ist Alkohol zu trinken.

    • @IndigoDog:

      Dem Kommentar würde ich, vor allem dem letzten Absatz ganz bestimmt zustimmen. Lebensgebräuche werden am stärksten durch Vorbild/er geprägt und durch Imitation eingeübt.

    • @IndigoDog:

      Pro domo - is ja immer flott! But.



      Norge? Mein Bugmann im Doppelzweier & Nr7 im Achter - halber Norweger & später StatOil-man der 1.Std.



      Wir fuhren mit bis über die Toppen mit Allohol alle Hartcoresorten beladenem Cooper gen Stavanger.



      Ein Taifun brach los - Bommelunder aus dem Zahnputzglas - the whole catastrophé!



      (Short cut: 2.x Stavanger Hafen - da wurde derart zügig & genderneutral abgebissen. Da konnteste nur blaß werden! Woll



      & mal noch - genderneutral



      “ Die Folgen sind überall außerhalb Skandinaviens zu beobachten: Vor allem Männer saufen sich die Hucke voll, sobald sie auf billigeren Fusel stoßen.“



      Geben Sie doch einfach mal Ihren Schießschartenblick peinlich - auf!



      Als meine Mitschülerinnen auch aus anderen Gymnasien in den Sommerferien auf Peter Pan & Co als Steward anheuerten. Heuerten sie regelmäßig spätestens nach der 2. Reise wieder ab - weil sie schlicht mit den hilflos hinter den Kabinentüren in ihrer eigenen ……liegenden (vorrangig) Frauen nicht zu recht kamen.



      Da konnteste die Uhr nach stellen.



      & wehrteste btw - Finnland - 🇫🇮 -



      taz.de/Die-Wahrheit/!5616223/

      kurz - “Wenn alles sitzen bliebe - was wir in Hass und Liebe so von einander schwatzen …WB

  • Es ist schon ganz gut , dass das Thema Alkohol so häufig in der TAZ behandelt, wie in allen sich bietenden Verkaufsstellen angeboten wird. Das gefährliche am Alkohol, wie an allen Suchtmitteln ist ja das unbekannte, nicht bewusste, was sich eben so einschleicht.

  • Es ist ein Brauch von Alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör. - Wilhelm Busch, "Die fromme Helene".



    Vielleicht würde ja auch helfen, entsprechende Lebensumstände für das einzelne Individuum zu schaffen, die einen Griff zur Flasche weniger reizvoll machen, statt nur die Jugendlichen zu bearbeiten.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Eine Gesellschaft, die das ändern will, muss mit der Aufklärung bei den Jüngsten beginnen."



    Habe ich kürzlich was vom „Betreuten Trinken ab 14" gelesen? Oder war ich besoffen?

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Sie meinen §9 Absatz 2 JuSchG. Gibt's schon ewig. Wenn Sorgeberechtigte mit dabei (und einverstanden sind), dürfen auch 14-Jährige in Gaststätten oder Öffentlichkeit Bier, Wein, Sekt trinken.

      Lauterbach will das abschaffen.

      • @Kawabunga:

        Das ist ein guter Hinweis . Das Jugendschutzgesetz wird bei der Diskusssion von allen Jugenthemen zu wenig beachtet .

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Waren Sie nicht. Jugendliche dürfen in Gaststätten Alkohol Trinken, wenn sie in Begleitung Erwachsener sind.

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Danke für die Ergänzung. Mittlerweile ist mir das auch wieder klar geworden.



        (Disclaimer: Habe in meinem nicht mehr ganz jungen Leben viele Menschen am Alkohol zugrunde gehen sehen. Die Texte von Daniel Schreiber fand ich sehr gut.)



        taz.de/Daniel-Schreiber/!a180/

  • Ja richtig. Aufklärung ist der einzige Weg. Aber es ist schwierig in einer Gesellschaft, die auf exzessivem Konsum beruht, zum Maßhalten zu erziehen.

  • Naja, solange dieser Hype um Alkohol existiert und u.a. Boulevardblätter die Schlagzeilen füllen mit "die Schotten trinken München leer" oder die "originelle" Frage stellen, ob die Niederlage im Fußball schwerer wiegt oder der Engpass beim Bier, hat das natürlich eine Signalwirkung die Alkoholkonsum fördert indem sie ihn glorifiziert.

    Aber vielleicht setzt auch hier irgendwann die Zeitenwende bei nachfolgenden Generationen ein und es entstehen dann bei vergleichbaren Anlässen Schlagzeilen wie "München dreht sich, Dunstwolke über der Stadt".

  • „… alkoholfreie Getränke mit angeboten werden, hier ist das eher auf Anfrage“

    Ein Empfang ohne O-Saft oder Wasser im Angebot ist auch hier selten geworden. Früher wurde gerne mal etwas Sekt untergemischt aus Übergriffigkeit.

    Beim Verkauf vielleicht wie in den USA - Regeln Staats- oder landkreisabhängig 🙄 : mal Wein sonntags erst ab 10 h, mal spezielle Läden , mal gar kein Verkauf im Landkreis.

  • Tja, bei einigen Menschen würden wohl nur limitierte „Bezugsscheine“ helfen, mit denen man Alkohol begrenzt erhalten kann. Ironie aus.

    Zeiten der Prohibition haben gezeigt, der Weisheit letzter Schluss ist auch das nicht. Es ist wie mit allen Süchten: Wer sie nicht beherrschen kann, bekommt Probleme. Da wo Alkoholmissbrauch auf „toxische Männlichkeit“ trifft, wird es dann besonders übel.

    Aber was ist die eigentliche Ursache? Sind es nicht Probleme (von außen oder innen), die den „Alkohol-Fehlgenuss“ fördern?

    • @snowgoose:

      Nun ist die Prohibition in den USA schon eine Weile her und war in einem anderen Kulturkreis.

      Insofern könnte man es mal wieder testen.

      Selbst brennen werden die wenigsten.

      Da bei häuslicher Gewalt Suff ein relevanter Faktor ist, wäre das auch im feministischen Sinne.

      In verschiedenen Golfstaaten läuft die Prohibition im Großen und Ganzen ja auch.

      Ebenfalls ein anderer Kulturkreis, aber wenn da heutzutage halbwegs funktioniert...

      • @rero:

        „…lange her …“ gilt nicht, da sich die Menschen nicht ändern.



        „Golfstaaten“ gilt auch nicht, wer möchte schon den Rest der Unterdrückung. ( im Übrigen geschieht da in hinter den Kulissen mehr als publik wird).



        „… häusliche Gewalt …“ wirft die Frage auf: Wer war zuerst da, das Huhn oder das Ei?



        Alkoholfreie Getränke sollten auf Veranstaltungen immer billiger sein als Alkoholika (was oft nicht der Fall ist).



        Aber bei extremen Verteuerungen landet man wieder nur bei „reich darf, arm nicht“!



        Eher ins Blickfeld gehören die Ursachen.

        • @snowgoose:

          Och, ich glaube, zu Hühnern und Eiern muss man sich da nichts fragen.

          Dass ausgeübte Gewalt den Appetit auf Alkohol erhöht, ist eher unbekannt.

          Dass Alkohol enthemmt und ein Stimmungsverstärker ist, lernte ich schon in der Schule.

          Wir brauchen ja von Saudi-Arabien nicht das politische System zu übernehmen.

          Die Erkenntnis, dass man Suff bis zu einem gewissen Grad verbieten kann, genügt.

          Menschen ändern sich extrem langsam, aber gesellschaftliche Rahmenbedingungen können sich sehr schnell ändern.

          Die Mafia ist heute in Deutschland weniger machtvoll als in den 30er Jahren in den USA.

          Alkohol ist heute weniger gesellschaftlich akzeptiert als früher.

          Selbst brennen werden auch nur wenige.

          Die Recht-auf-Rausch-Mentalität steht dem noch am ehesten entgegen.

  • In der Schule kam es am Glaubwürdigsten rüber, wenn man trockene Alkoholiker einlud vor der Klasse über ihren Werdegang zu sprechen, die für die Jugendlichen der Vorstellung von einer „Art Urbild der Männlichkeit“ entsprachen: beeindruckende Statur, evtl Motorradfahrer, Tatoos ect.

    Wenn sie dann ihren Weg in/aus die/der Sucht (mit daraus entspringenden Handlungen) schilderten, war die Nachdenklichkeit groß und die Glaubwürdigkeit nicht von der Hand zu weisen.

  • Aufklärung bei den Jüngsten - hört sich plausibel an, ist aber nicht der aktuelle Stand der Diskussion. Forschung zur Wirkung von Prävention zeigt, dass bei Kindern vor allem die Stärkung von Lebenskompetenzen wichtig ist: Selbstwirksamkeitserwartung, Kommunikations- und Problemlösekompetenz, Emotionsregulation, Empathie... Wer das kann, kommt mir hoher Wahrscheinlichkeit ohne Sucht durchs Leben. Reine Aufklärungsprogramme über Suchtstoffe bergen dagegen immer die Gefahr, das Suchtmittel besonders interessant zu machen. Infos über Präventionsprogramme mit belegter positiver Wirkung gibt es bei der Grünen Liste Prävention.

    • @Andok:

      „… Selbstwirksamkeitserwartung, Kommunikations- und Problemlösekompetenz, Emotionsregulation, Empathie... Wer das kann, kommt mir hoher Wahrscheinlichkeit ohne Sucht durchs Leben. Reine Aufklärungsprogramme über Suchtstoffe bergen dagegen immer die Gefahr, das Suchtmittel besonders interessant zu machen ….“



      Dann sollte man aber auch endlich die Lebensumstände jener Kinder verbessern, die schon mit Minimalchancen aufwachsen müssen. Wie ein reiches Land wie D da handelt, ist eine Schande).



      Und mein oben angesprochenes Beispiel ist ja kein „Aufklärungsprogramm“ sondern ein Mensch mit Lebensgeschichte.

  • Danke. Wenn die Schäden durch Alkohol so hoch sind, dann könnte es in einer auf Gesundheit ausgerichteten Gesellschaft sinnvoll sein die Alkoholsteuer drastisch zu erhöhen, oder?

    Möglicherweise ist die Gesellschaft jedoch gar nicht auf Gesundheit ausgerichtet... . (?)

  • Danke für die nüchternen Fakten!



    Da hat man ein gute Grundlage gegen die Mythen.

  • Passiv-Alkoholiker,



    das sind die Menschen, welche durch die Sucht des Alkoholikers mit geschädigt sind, meist Ehepartner und Kinder. Aber auch die 2800 Tote durch Alkohol am Steuer sind genug. Warum kostet eine Flasche Bier nicht einen Euro, eine Schachtel Zigaretten aber schon 8,20€? Warum wird laufende die Tabaksteuer erhöht, aber nicht die Alkoholsteuer? (P.S.: Bin seit Jahren Nichtraucher)

  • Bei den Jüngsten funktionieren Vorbilder schneller und effektiver als Aufklärung, daher sehe ich auch diesbezüglich schwarz.

    • @Erfahrungssammler:

      Es geht aber auch umgekehrt.



      Mich haben meine Kinder gezwungen immer auch alkoholfreies Bier im Haus zu haben (und zu trinken).

  • Und einmal im Jahr: Wein-Achten!

    Es ist ein Nervengift, und das Leben ist eigentlich auch ohne harten Rausch schön und spannend genug. Sonst lasst uns lieber das Leben ändern, als den Eimer Sangria oder die Flasche Edel-Whisky zu exen. Oder auch nur das "Feierabendbier" zu "brauchen".



    Dass man auch für den Geschmack z.B. einen 0,1-Wein trinken kann und dann aufhören, sollte man irgendwann lernen.

    Nebenthema: Historisch war es übrigens wohl neben anderen Rausch-Optionen gemeinsamer Alkohol, der half, größere Städte/Staaten zu formen. So vermuten manche Frühhistoriker, die Reste von Stätten so interpretieren.



    Vielleicht aber können wir andere Muster für die Gegenwart finden. Dann nehmen wir den Alkohol fürs äußerliche Desinfizieren, auch ok.

  • Der Vergleich mit Skandinavien ist von Vorurteilen deutlich geprägt und lückenhaft. Die Sauftouren skandinavischer Männer UND Frauen sind sehr viel weniger geworden und unterscheiden sich überhaupt nicht von einem Kegelclub-Ausflug in Deutschland. Sehr bemerkenstwert ist auch, dass bei JEDEM Empfang IMMER auch alkoholfreie Getränke mit angeboten werden, hier ist das eher auf Anfrage so. Dass es starke Getränke nur in authorisierten Verkaufsstellen gibt, ist gut und sollte auch hier eingeführt werden. Doch hier wird Hochprozentiges sogar an der Tanke angeboten. Geht's noch?? Doch Bemühungen in diese Richtung sind hierzulande völlig undenkbar: es verstößt gegen die "freie" Marktwirtschaft und deren Protagonisten in CDSUAFDP wissen das zu verhindern. Hier geht Profit allemal vor Gesundheit.