Sanktionen und der Ukrainekrieg: Zum Zuschauen verdammt

Die Ampel-Regierung sollte ehrlich sein, die Sanktionen sind nicht kriegsentscheidend. Helfen kann sich nur noch die Ukraine selbst.

Menschen sitzen in einem Bunker in Mariupol.

Die Ukrainer können sich nur noch selbst helfen: Menschen in einem Bunker in Mariupol Foto: ap

Wirtschaftsminister Robert Habeck ist fieberhaft dabei, Alternativen zu Gas, Öl und Kohle aus Russland aufzutreiben. Außenministerin Annalena Baer­bock „verneigt“ sich vor den ukrainischen Frauen und spricht von den härtesten Sanktionen aller Zeiten. Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine Zeitenwende ausgerufen und 100 Milliarden für die Bundeswehr angekündigt. Finanzminister Christian Lindner legt noch einmal eine ähnlich hohe Summe für die Energiewende obendrauf.

All diese Maßnahmen sind wichtig und richtig, sie verdienen Anerkennung. Selten ist die Welt so vereint gewesen. Sogar internationale Konzerne von VW bis Ikea ziehen massenhaft aus Russland ab. Profit geht offenbar dieses Mal nicht vor Moral. Doch machen wir uns nichts vor: All das ändert kurzfristig nichts am Kriegsverlauf in der Ukraine.

Sie helfen nicht den Menschen in Mariupol, die ohne Strom, Wasser, Essen und Medikamente eingeschlossen sind. Egal wie viele dicke Pullover in Deutschland nun angezogen werden, um Putins Gas nicht zu konsumieren – die Raketen treffen trotzdem Wohnhäuser und Menschen.

Selbst wenn tatsächlich ein kompletter Boykott von russischer Energie beschlossen und damit nicht mehr täglich eine Milliarde Euro an ­Putins Regime überwiesen würde, ginge der Krieg vorerst weiter. Mal abgesehen davon, dass die ­Risiken unkalkulierbar wären.

Habeck wehrt sich zu Recht gegen diese Forderung. Es geht nicht nur um die Versorgungssicherheit deutscher Haushalte, sondern auch um die Industrieproduktion und die Gefahren einer Rezession. Wie gut könnte Deutschland wohl aus Sicht von Aggressoren Freiheit und Demokratie verteidigen, wenn die Wirtschaft am Boden läge?

Der Ukraine würde eine Flugverbotszone der Nato helfen. Sie fordern sie geradezu verzweifelt. Doch ein solches Eingreifen würde in einem Krieg noch viel größeren Ausmaßes münden, womöglich gar mit atomaren Waffen. Ob die Ukraine auf diese Weise überhaupt gerettet würde, ist äußerst zweifelhaft.

Die Ampel sollte sich deshalb ehrlich machen und nicht länger vorgaukeln, die Sanktionen wären unmittelbar kriegsentscheidend. Dieses „Wir tun alles“ wird nicht einmal annähernd reichen. Die nackte Wahrheit ist, dass der Bundesregierung die Hände gebunden sind.

Nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa ist zum Zuschauen verdammt, wenn in der Ukraine mit jedem Tag mehr Menschen und mehr Hoffnungen sterben. Warme Worte hat es in den vergangenen Jahren mehr als genug gegeben. Tatsache ist, dass die Ukrainer im Wesentlichen nur noch sich selbst helfen können.

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Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik

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