SPD-Politikerin über Erstarken der AfD: „Die CDU trägt eine Mitschuld“
Nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt könnte das Nein der CDU nach rechts wackeln, glaubt SPD-Spitzenkandidatin Katja Pähle.
taz: Frau Pähle, wie läuft der Wahlkampf?
Katja Pähle: Gut, wir sind ja wieder auf der Straße. Die Reaktionen sind positiv. Die Stimmung ist besser als 2016.
Laut einer Umfrage kennt Sie aber nur ein Drittel der WählerInnen, sogar die Mehrheit der SPD-WählerInnen weiß nicht, wer Sie sind. Warum?
Die Leute kennen nur den Ministerpräsidenten, alle anderen Kandidaten und Kandidatinnen teilen das Schicksal, nicht so bekannt zu sein. Das ist nicht überraschend. Die Presse schreibt ja vor allem über den Ministerpräsidenten.
Sind Sie zu leise, um gehört zu werden?
Wer mich im Landtag oder in der Koalition erlebt, würde mich wohl nicht als leise bezeichnen. Lautstärke ist aber nicht immer das Maß der Dinge. Ich will eher mit dem ankommen, was wir erreicht haben. Wir haben die Kitagebühren gesenkt, die Straßenausbaubeiträge abgeschafft, obwohl das nicht im Koalitionsvertrag stand, die Investitionen in die Wirtschaft gesteigert und das Azubi-Ticket eingeführt …
… das nur ein Zehntel der Azubis nutzt …
Kein Wunder in Coronazeiten.
Die Linkspartei hat mit dem Slogan „Nehmt den Wessis das Kommando“ Aufmerksamkeit auf das West-Ost-Gefälle gelenkt. Zu Recht?
Katja Pähle, 43 Jahre, ist Spitzenkandidatin der SPD Sachsen-Anhalt für die Landtagswahl am 6. Juni. Seit 2017 ist Pähle Mitglied im Bundesvorstand, seit 2020 auch im Präsidium der Partei.
Nein, das schürt Ressentiments gegen Leute, die sich aus dem Westen hier ansiedeln. Wir müssen aber über das Gefälle bei Löhnen und Renten reden. Das betrifft nämlich alle Beschäftigten im Osten, unabhängig von ihrem Geburtsort. Ostdeutschen fällt es schwer, in Führungspositionen zu kommen. Darüber müssen wir reden.
Die Debatte gibt es schon seit 20 Jahren …
Ja, und wir wurden im Westen nicht immer gehört. Gerade nach der Wende. Das sitzt noch immer tief. Aber es nutzt nichts, neue Hürden zwischen Ost und West aufzubauen.
Die AfD liegt in Sachsen-Anhalt Kopf an Kopf mit der CDU. Warum ist die AfD so stark?
Weil die CDU die AfD in den letzten fünf Jahren zum Mitbewerber gemacht hat. In einer Denkschrift wurde sogar eine mögliche Koalition ins Auge gefasst. Das verwischt, dass die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird und keinesfalls Verantwortung tragen darf.
Die CDU ist schuld an der Stärke der AfD?
Mitschuld auf jeden Fall. Wer so nach rechts blinkt, macht diese Partei wählbar.
Ist die AfD in Sachsen-Anhalt rechtsextrem?
Ja, rechtsnational und völkisch. Die AfD-Fraktion äußert sich verfassungsfeindlich und hat für etliche Tiefpunkte im Landtag gesorgt.
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Zum Beispiel?
Als André Poggenburg noch Fraktionschef war, sprach er von „Wucherungen am deutschen Volkskörper“ und meinte Studierende an der Otto-von-Guericke-Universität. Ein AfD-Abgeordneter hat Migranten „Ficki-Ficki-Fachkräfte“ genannt. Der parlamentarische Geschäftsführer behauptet, mit den Corona-Impfungen würden „Menschen totgespritzt“. Die Reihe ist noch länger.
Die CDU schwört, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben wird. Glauben Sie das?
Es gab nicht nur diese Denkschrift. Nach dem Streit um die Rundfunkgebühren hat der damalige CDU-Vorsitzende die Idee einer Minderheitsregierung mit AfD-Unterstützung ins Spiel gebracht …
… und wurde sofort gefeuert.
Ja, von Ministerpräsident Haseloff. Der hat da eine klare Haltung. Deshalb hat die Koalition auch gehalten. Aber die Autoren der Denkschrift, beide Vize-Fraktionschefs, stehen auf der CDU-Landesliste weit vorne. Ich zweifle, ob die Abgrenzungsbeschlüsse nach der Wahl noch gelten.
Ist eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD wahrscheinlich?
Das wird auch von der Zusammensetzung der CDU-Fraktion abhängen. Haseloff hat in der Vergangenheit nicht immer die Richtung der Fraktion bestimmen können. Falls die CDU verlieren sollte, wird es dort mit Sicherheit eine Richtungsdebatte geben.
Es gab mehrere Krisen zwischen den Koalitionspartnern CDU, SPD und Grünen. Sind langfristige Notkoalitionen gegen die AfD richtig?
Nein, wir versuchen ja als SPD so stark zu werden, dass es kein Zwangsbündnis geben muss.
Haben Sie eine Idee, wie AfD-WählerInnen für die SPD erreichbar sind?
Wir müssen die Kommunen stärken. Dort wird bei knappem Haushalt immer gerade das weggespart, was viele lebenswert finden. Das Schwimmbad und Angebote für Jugendliche. Oder dass der Bürgermeister Geld für einen Blumenstrauß hat, wenn jemand 80 Jahre wird.
Das hilft gegen die AfD?
Man sollte die WählerInnen der AfD nicht in einen Topf werfen. Es gibt manche, die aus Protest wählen. Denen muss man zeigen, dass Politik etwas vor Ort ändern kann. In vielen Dörfern und Kleinstädten hat sich der Staat zurückgezogen. Da geht es nicht nur um Blumensträuße, sondern auch um Busse und Breitband. Die Leute haben das Gefühl: Wir zahlen Steuern und bekommen nichts dafür. Das muss die SPD ändern.
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