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SPD-Debatte um DiversitätTeil des großen Wirs

Die SPD debattiert über den Umgang mit queeren Menschen und Migrant*innen. Manchen fällt es schwer, Platz im gemeinsamen Haus freizuräumen.

Es sollte Schluss sein damit, andere in richtig und falsch einzuteilen Foto: Vanbeselaere/laif

Seit ich denken kann, ich muss vermutlich fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, verstand ich, dass ich wohl anders war, als die anderen Jungs. Mir blieb nichts anderes übrig, denn die Bekannten und Freunde meiner Eltern haben es immer zu ihrem Thema gemacht. „Man kann dem Jungen nichts sagen, sonst fängt er gleich an zu heulen. Er ist schlimmer als ein Mädchen!“ Und manchmal sagten sie auch „also wenn er läuft, dann ist er dabei so elegant! Genau wie ein Mädchen!“ Der Tenor war immer der gleiche. „Wie ein Mädchen“, „besser als ein Mädchen“, „schlimmer als ein Mädchen.“

Sie sprachen über mich, als würden sie nicht mich sehen, als sei ich nicht anwesend. Und es hörte einfach nicht auf. Das hat tiefe Wunden hinterlassen, die ich viel zu spät wahrgenommen habe und die ich noch heute oft versorgen muss, weil sie immer wieder aufbrechen. Diese Ungewissheit, ob ich als der leben darf, der ich bin, meldet sich immer wieder zu Wort.

Ich bin mit einer liebevollen Mutter aufgewachsen, die jedoch irgendwann die Drohung aussprach, dass, wenn eines ihrer Kinder „eine Schwuchtel werden sollte“, sie sich das Leben nehmen würde. Meine Mutter lebt heute immer noch, doch nach meinem Coming-out wurde ich vor die Tür gesetzt. Die Folgen waren keine Ausbildung, kein Studium, kein Zuhause. Meine Identität wurde also von klein auf infrage gestellt, konstant thematisiert und immer wieder zur Ausgrenzung genutzt.

So geht es vielen in der queeren Community. Fast alle unsere Identitäten haben in ihrem Kern den Schmerz auf irgendeine Weise hineintätowiert bekommen. Auch deswegen engagiere ich mich seit Jahren für queere Menschen weltweit und ja, es beunruhigt mich sehr zu sehen, wie in Russland, Ungarn und Polen, aber auch in Ghana und Uganda und überall sonst, wo meine Leute nicht frei leben dürfen, unsere Identität von der Mehrheitsgesellschaft zum Problem, zur Straftat erklärt wird.

Alfonso Pantisano

ist Landes­vorsitzender der SPDqueer Berlin und im Bundesvorstand des Lesben­ und Schwulenverbands Deutschlands (LSVD).

Auf die Fresse

Es gibt Menschen, die der Meinung sind, dass wir hier in Deutschland in einem regenbogenfarbenen Paradies leben. Schwule und Lesben dürfen jetzt heiraten – „was wollt ihr eigentlich noch?“ Diese Frage wird uns konstant entgegengeschleudert, als wäre Gleichstellung in unserer Verfassung nicht zum obersten Ziel für unsere Gesellschaft festgeschrieben worden.

Aktuelle soziale Fragen lassen sich nicht mit der Frage nach dem Was denn noch? lösen

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, doch unsere Lebensrealität sieht anders aus. Allein in Berlin bekommen queere Menschen jeden Tag mindestens einmal eins auf die Fresse – egal wo in unserer Stadt, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Im Job outen sich nur wenige, selbst das Gespräch in der Teeküche ist oft ein Problem, wenn die Kollegin von ihrem Wochenende am See mit ihrem Mann erzählt, aber der Kollege sich eine Geschichte einfallen lässt, um nicht zu sagen, dass er mit seinem Partner eine Radtour gemacht hat.

Und oft, wenn man sich traut, wenn man doch vom schönen Wochenende mit dem neuen Freund spricht, kommt dann der nicht ausgesprochene Vorwurf, dass die Homos wieder jedem ungefragt ihre Sexualität auf die Nase binden wollen. Bei diesen Erzählungen geht es aber nicht um sexuelle Praktiken, nicht darum, wer mit wem wie Sex hat, sondern es geht um das Begehren und manchmal auch um die Liebe. Ist das so schwer zu verstehen, verdammt nochmal?

Der Schmerz und die Wunden, die unserer Identität zugefügt wurden, verhindern oft einen offenen, unbeschwerten, selbstverständlichen Umgang mit unserer Liebe. Diesen Schmerz und diese Wunden zu verstehen sollte auch Aufgabe derjenigen sein, die diesen Schmerz nie am eigenen Leib und nie an der eigenen Seele gespürt haben.

Was hat Empathie mit „Identitätspolitik“ zu tun?

Einbinden, zuhören, verstehen – und Platz schaffen für jede Identität: Nur das hilft nachhaltig. Seit wann aber haben Solidarität und Empathie etwas mit „Identitätspolitik“ zu tun? Die sozialen Fragen unserer Zeit lassen sich jedenfalls nicht mit der Frage nach dem „Was denn noch?“ lösen.

Als Sohn von Gastarbeitern weiß ich genau, wie schwer es war, alle davon zu überzeugen, mehr draufzuhaben als das, was die Hauptschule für mich bereit hielt. Ich erinnere mich gut an den Schmerz meiner Eltern, wenn sie nach der Arbeit weinend am Küchentisch saßen, weil sie am Fließband wieder als Spaghettifresser beschimpft wurden. Oder wie schwer es war zu akzeptieren, als uns die Wohnung verwehrt wurde, weil Italiener angeblich zu viele Bambini hätten und anscheinend zu laut und zu kriminell seien.

Wir Menschen mit Migrationsgeschichte leben hier in Deutschland heute bereits oft in der 4. oder 5. Generation – und dennoch wird unsere Forderung nach vollständiger Teilhabe oft als zu aggressiv und nervend empfunden. Es mag weh tun sich von ausgrenzenden Mustern zu verabschieden. Es ist anstrengend, Platz im eigenen Haus freizuräumen, damit sich die Mit­be­woh­ne­r*in­nen zu Hause fühlen können. Doch wir können niemandem diesen Prozess ersparen, wenn wir wirklich eine vielfältige, offene und plurale Gesellschaft werden wollen.

Noch heute fehlen oft die öffentlichen Vorbilder, die jedem Kind mit auf dem Weg geben, dass es all das aus dem eigenen Leben machen darf, was es will. Wo sind die migrantischen Vorbilder in der Verwaltung, wo die queeren Vorbilder im Sport und die Frauen, die Mütter in Vorständen und Aufsichtsräten?

Problem der Mehrheitsgesellschaft

Wenn queere Schau­spie­le­r*in­nen heute immer noch nicht mit den eigenen Le­bens­part­ne­r*in­nen auf dem roten Teppich für das Foto in der Boulevardpresse posieren, wenn sie bei einer Filmpreisverleihung nicht nebeneinander und händchenhaltend sitzen, weil sie sonst die Gefahr verspüren, dass sie nie mehr wieder diese Rolle angeboten bekommen werden, für die sie gleich ausgezeichnet werden, dann ist das ein Problem der Mehrheitsgesellschaft. Der selbstverständliche Umgang von Hetero-Paaren mit ihrer sexuellen Identität sollte kein Privileg dieser Mehrheit bleiben.

Wenn Mann und Frau Hand in Hand auf den Straßen ihrer Innenstädte spazieren, dann denken sie zuerst und immer an die Liebe. Wenn zwei Männer oder zwei Frauen verliebt Hand in Hand durch die Stadt laufen, dann denken sie zuerst oft an die Angst. An die Angst angerempelt, angegriffen, beleidigt, angespuckt und geschlagen zu werden. Diese Ungerechtigkeit muss ein Ende haben.

Selbstverständlich werden wir queere Menschen und Menschen mit Migrationsgeschichte bei diesen Themen emotional. Wir sind schließlich aus Fleisch und Blut und nicht aus Holz oder Stein. Wenn Frauen und vermeintliche Minderheiten strukturell so hart ausgegrenzt werden, haben sie einen Anspruch darauf, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und die Ungerechtigkeiten zu artikulieren, auszusprechen. Nur dadurch werden sie zur Realität der anderen.

Diesen Schmerz, diese Sorgen, diese Gefühle dann von der Mehrheitsgesellschaft um die Ohren gehauen zu bekommen zeigt immer wieder, wie schwer es ist, sich in andere hineinzuversetzen. Und wie wichtig dieser Schritt für alleist.

Für eine moderne Sozialdemokratie

Communities entstehen eben meist erst dadurch, wenn sich deren Mitglieder nirgends gesehen, geschützt und wertgeschätzt fühlen. Sie grenzen sich also nicht selbst aus, sie werden ausgegrenzt. Gesine Schwan und Wolfgang Thierse, beide in der SPD-Grundwertekommission beheimatet, haben in den letzten Wochen durch verschiedene Beiträge in der FAZ, im Deutschlandfunk und in der Süddeutschen eine alte Diskussion angestoßen, wie ich sie persönlich für die heutige, die moderne und zukunftsorientierte Sozialdemokratie für nicht mehr notwendig, für überwunden erachtet hatte. Doch ich hatte mich getäuscht. Gut, dass wir nochmal darüber reden.

Beide beklagen die Vehemenz, mit der Minderheiten ihren gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft einfordern. Gesine Schwan stellte sogar die Frage auf „Gibt es überhaupt eine normale unverzichtbare Verschiedenheit und dagegen ‚unnormale‘ inakzeptable Verschiedenheiten? Oder ist alles, was anders ist, gleich gut oder zu akzeptieren?“ Diese tradierte Überlegenheit, diesen Anspruch auf Deutungshoheit und diese Macht, andere in gut und böse, in normal und unnormal, in richtig und falsch einzuteilen, gilt es zum Wohle aller endgültig zu überwinden.

Denn dieses Streben nach Akzeptanz, Daseinsberechtigung und Partizipation ist keine Ideologie, sondern Politik – eine des Respekts. Wir erheben heute also unsere Häupter, wir erheben unsere Stimmen und bringen diese gesellschaftspolitisch ein – in Vereinen, Initiativen und auch in der Politik.

Wir werden unseren Platz weiter einfordern, weil auch wir Teil des großen Wirs sind. Genau deswegen setze ich mich mit vielen anderen seit Jahren auf verschiedenen Ebenen dafür ein, dass sich die Situation endlich bessert. Damit kein Kind mehr von der eigenen Mutter je die Drohung erhält, dass sie sich das Leben nehmen wird, nur weil das eigene Kind so ist, wie es ist. Denn wer will schon in einer solchen Welt leben?

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120 Kommentare

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  • @ CAZZIMMA



    Aber wurden wir nicht mehrheitlich (!) so sozialisiert? Haben wir nicht in der Schule immer wieder und auch meist im Elternhaus gelernt, dass man sich als Erwachsener sachlich auseinandersetzt, dass Schreien und Beleidigungen ein Mittel von unreifen Jugendlichen, Kindern oder sehr unreifen Erwachsenen ist und eher den Diskutierenden diskreditiert?



    Und jetzt wird immer wieder gesagt, bestimmte Erwachsene hätten aber das Recht zu schreien und zu beleidigen, weil sie ihre angestauten Gefühle ausdrücken oder (manchmal) sich gar nicht anders äußern könnten. Wohlgemerkt, es ist da nicht von Menschen mit intellektuellen Einschränkungen die Rede.



    Wie wird eine Gruppe (Mehrheit? Minderheit?), die so erzogen wurde, dass Erwachsene sachlich diskutieren und nur Kinder, Pubertierende, Alkoholisierte oder komplett Ungebildete Schreien, Drohen und Beleidigen als Mittel der Argumentation ansehen Gruppen oder Individuen ansehen, von denen gesagt wird, dass sie mehrheitlich oder teilweise nur so kommunizieren können?



    Möglicherweise wird man das akzeptieren, aber man wird diese Menschen immer als defizitär betrachten, als unfähig, auch als Erwachsene sachlich zu bleiben.

    ODER man wird den Schluss ziehen, dass man falsch erzogen wurde und Schreien, Provozieren, Beleidigen, vielleicht sogar handgreiflich zu werden heutzutage ein angemessenes Mittel ist, seine Wünsche durchzusetzen oder sich Gehör zu verschaffen.



    Ich will ehrlich sein: In dieser Welt hätte ich dann Angst vor sehr vielen Menschen.

    • @BlauerMond:

      sehr schön gesagt.

  • Man hätte es sagen können, das meine ich ja.

    Nur war damals offenbar bereits eine neue Zeit der Identitätspolitik angebrochen.

    Dann hängt man im "wir" und "die".

  • "Wir werden unseren Platz weiter einfordern, weil auch wir Teil des großen Wirs sind. Genau deswegen setze ich mich mit vielen anderen seit Jahren auf verschiedenen Ebenen dafür ein, dass sich die Situation endlich bessert."

    Hier liegt meines Erachtens der Kern des Problems - nämlich was für ein "wir" gemeint ist. Thierse legt Wert auf die Feststellung, dass zu einem "Wir" gehört, miteinander zu reden, selbst wenn man verschiedener Ansicht ist und will die Grenzen dessen, was in diesem "Wir" sagbar ist, nicht zu sehr zu beschneiden.



    In der Zoom-Konferenz kam ein Verleger zu Wort, der genau darauf hinwies, was sonst die Folge ist: das "Wir" wird sehr sehr klein, wenn die Grenzen des Sagbaren zu eng definiert werden und alle anderen "Ihr" oder "die" sind: von vielen "Genossen" über noch mehr "CDU-ler" bis fast(?) zur ganzen AfD.....(wobei selbst Homosexuelle wie Spahn und Weidel kaum zum "wir" gezählt würden).

    Wer soll das "wir" sein?

    Die Frage ist also, wie dieses "wir" aussehen soll.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Dr. McSchreck:

      Zu dem Wir fällt mir der alte FDP Spruch ein, "Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht". Kann man "sich" und "alle" durch "uns" ersetzen.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Die Antwort geht aber ein wenig an meiner Frage vorbei: für mich hat es den Anschein, dass die Vertreter der Minderheiten - hier der LGBDT -dass man sie inkludiert und dafür die Leute aus dem "wir" ausschließt, die sich minderheitenfeindlich äußert. Gesetzlich ist das (wurde weiter unten diskutiert) nicht möglich, weil es eben eine Frage ist, die sich im gesellschaftlichen Normenraum abspielt, also durch soziale Übung....

        Hier stellen sich dann 2 Probleme: zum einen gibt es derzeit eben noch keine gesellschaftliche Übereinkunft, die die Positionen ausschließt, wie Thierse oder die Frau von der FAZ sie vertreten, im Gegenteil sind diese ja noch liberal und lernbereit, während Teile der Gesellschaft (wie groß, weiß ich als Großstädter nicht) noch auf dem Niveau der Eltern des Autors denken und offen schwulenfeindlich sind. Gesellschaftliche Übereinkunft bzw. soziale Normen kann man aber nicht diktieren, sie entwickeln sich.

        Der Punkt ist, dass damit zugleich das "wir" sehr klein wird, das die Aktivisten durch Inklusion bzw. Exklusion neu definieren würden.

        Es ist gut, wenn es dieses neu definierte kleinere "wir" auch gibt, weil es vorbildhaft für die Gesellschaft sein kann und dadurch wachsen (in der Erziehung hat sich z.B. ein neuer Erziehungsstil inzwischen sehr weit durchgesetzt, der Kinder nicht mehr mit Strafe und Angstmacherei lenken will, weil er sich bewährt hat und die Angst sich nicht bestätigte, es würde zu Chaos usw. führen, wenn Kinder nicht Zucht und Ordnung lernen).

        Nur braucht diese Entwicklung Zeit.

  • "Außerdem hat er schon 2014 gegen die Ehe für Alle argumentiert: www.queer.de/detai...p?article_id=21008" - Das Zitat sagt gerade nicht, dass er diese andere Auffassung teilt, sondern nur, dass auch diese Auffassung in einem liberalen Rechtsstaat unter die Meinungsfreiheit fällt und daher legitim geäußert werden kann. Dass sie richtig wäre oder er sie teilen würde - sagt er nicht.

    • @Dr. McSchreck:

      Die Frage ist die der Grenze des Legitimen. Darum geht es. Ist "Homosexuelle sollten unter staatlicher Aufsicht therapiert werden" eine legitime Äußerung? Schließlich wurden Homosexuelle mit Elektroschocks und Gehirn-OPs behandelt, während dasselbe Grundgesetz galt. Wie steht es mit "Der Islam gefährdet Deutschland existenziell und darf darum nicht von der Religionsfreiheit gedeckt werden"? Oder vielleicht Frauen-Quoten ablehnen mit der Begründung "Frauen sind von Natur aus nicht fähig, große Unternehmen und Konzerne zu leiten"? Alles doch ganz rational, oder? Wenn aber diese Äußerungen (heute) nicht (mehr) legitim sind, die andere aber ja, woher weiß Herr Thierse das so genau? Und woher wissen Sie das?

      • @mats:

        Was legitim ist, bestimmen einerseits die Gesetze und andererseits die "Moral", also die "gesellschaftliche Übereinkunft". Es gab mal eine interessante Entscheidung des BVerfG zur Frage des Verbotes von Sexualkontakten zwischen 2 Geschwistern, das diese Punkte diskutiert hat. 6 Richter waren dafür, die Strafbarkeit bestehen zu lassen, 2 meinten, der Staat sei für Moral nicht zuständig.



        Dass allerdings die große Mehrheit der Deutschen den sog. Inzest für "verwerflich" hält, dürfte ziemlich sicher sein.

        Das fortschrittliche Milieu kann versuchen, mit Überzeugungsarbeit den Horizont zu erweitern, dass Menschen Verbote in Frage stellen. Das wird aber nicht gelingen, indem man aus einer Minderheitenposition einfach behauptet, man habe Recht und alle sollten schweigen, die etwas anderes behaupten, denn sie wären rückständig und anti-liberal. Selbst wenn das stimmt - so entsteht kein gesellschaftlicher Konsens, der für eine Veränderung nötig wäre.

        Im Falle der "Ehe für alle" und erst Recht des "Adoptionsrechts für alle" wird man sicher bei vielen Leuten auf Vorbehalte stoßen, erst Recht wenn man die eher bildungsfernen Milieus befragt.

    • @Dr. McSchreck:

      Das stimmt, dass nicht jede*r ein Fan der Ehe für alle sein muss. Aber es ist zum einen ein Beispiel dafür, dass Herr Thierse jetzt schon länger keine besonders große Sensibilität bei dem Thema beweist.



      Und zum Anderen hat man da auch wieder diese Umkehr - Johannes Kram hat das gut ausgedrückt, ungefähr so: Meinungen sind gleichberechtigt, Ressentiments nicht. Die müssen als solche erkannt und eingeordnet werden.



      Und die Diskriminierung queerer Menschen, z.B. bei der Ehe, ist ein Ressentiment.



      Aber anstatt dass diese Einordnung stattfindet, wird der Spieß umgekehrt, und es wird eine Verfolgung herbeifantasiert, die einfach nicht da ist.



      Als Folge davon wird nicht mehr darüber diskutiert, was wir alle zusammen gegen Diskriminierung machen können, und wo man selber vielleicht nochmal nachsteuern kann. Sondern darüber, dass Thierse beleidigt ist.



      Manchmal habe ich den Eindruck, es ist schlimmer unhöflich zu sein als homophob und rassistisch. Solange die Argumente intelektuell und höflich genug verpackt sind, kann man eigentlich so ziemlich jeden beleidigen.

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @Hedera:

        Bei der Ehe geht es doch vornehmlich um Steuervorteile. Die sind gerechtfertigt, wenn Kinder erwartet/vorhanden sind.



        Die würde ich nicht jeden Paar zubilligen wollen. Z.B. wenn man kinderlos mit über 40 heiratet ist das Ehegattensplitting sinnlos.



        Das gilt ja auch für viele nicht heterosexuelle Paare.



        Das ich glaube, dass Kinder nicht in jeder Beziehung, in die sie hineingeboren werden glücklich werden ist meine Meinung und die darf ich äußern.



        Das trifft auf viele egozentrische Menschen zu und davon sind, vermute ich, viele unter denen, die jetzt am lautesten schreien.

      • @Hedera:

        "Meinungen sind gleichberechtigt, Ressentiments nicht. Die müssen als solche erkannt und eingeordnet werden"



        Hmm: Wer legt fest, wo die Grenze liegt? Worunter fallen da etwa Blondinenwitze? Oder Schenkelklopfer über ostdeutsche Hartz IV-Empfänger?

        • @Linksman:

          Sie sagen es ja selber. Schenkelklopfer. Meist Sch...witze.

  • "Wir werden unseren Platz weiter einfordern, weil auch wir Teil des großen Wirs sind." - nach Sehen des Videos kann ich dazu sagen, dass dies nicht bestritten wurde. Zum "Wir" gehört aber eben auch die Akzeptanz, dass es hier verschiedene Meinungen gibt, sogar welche, die man unerträglich findet (nein, es sind nicht "keine Meinungen", jedenfalls nicht in einem Staat mit Gedankenfreiheit).

    Sonst wird das "wir" nämlich sehr klein und die "anderen" sehr viele, mit denen man nichts zu tun haben will. Das ist dann allerdings nicht Ausgrenzung durch die anderen - sondern man stellt sich selbst an den Rand. Wenn die FAZ-Journalistin in eine Reihe mit der AfD gestellt wird, von den meisten CDU-lern und vielen in der SPD auf Thierse-Kurs abgesehen, dann wird das "wir" eben sehr klein....zu dem all diese Leute ja nicht gehören sollen.

    Genau diesen Punkt scheinen einige zu verkennen.

  • Die immer wieder kritisierte "Identitätspolitik" - wobei das auch ein verschwommener Begriff ist - wird doch zuallererst von denjenigen betrieben, die diskriminieren.

    Das heißt, sie erniedrigen, beleidigen etc. Menschen, von denen sie annehmen, sie gehörten einer bestimmten Gruppierung an, hätten eine bestimmte Eigenschaft. Dieses Reduzieren auf etwas, statt den ganzen Menschen wahrzunehmen, geht also von solchen rassistischen, homophobe etc. Leuten aus.

    Und wenn diese sich dann wehren - als LGBTQ-Zugehörige beispielsweise - und Diskriminierung anprangern und zurecht fordern, dass damit einfach endlich mal Schluss sein muss und der Staat seinen Teil dazu beitragen möge - dann betreiben die Angegriffenen also "Identitätspolitik".

    Auch Hannah Arendt hat ja sinngemäß zurecht gesagt, wer als Jude/ Jüdin angegriffen wird, soll sich auch als solche(r) wehren.

    Wie soll's denn sonst gehen?

    • @cazzimma:

      Natürlich ist Identität(-spolitik) zuallerst das Spielfeld der Diskriminierenden - der Rechten, der Nazis, der klassischen Rassisten etc.

      Deshalb kann man linke Identitätspolitik durchaus als Teil eines Rechtsrucks in der Gesellschaft lesen.

      Identitätspolitik ist mehr als Diskriminierung anprangern und deren Beendigung einfordern.

      Beides geht auch gut ohne Identitätspolitik.

    • @cazzimma:

      Danke, dass Sie daran erinnern. Genau so ist es.

      Das Umkehren von Ursache und Wirkung gehört zu den bekannten Abwehrmechanismen. Frei nach Adorno könnte man sagen, dass die Bessergestellten nicht ständig mit den Ungerechtigkeiten und dem Leid konfrontiert werden wollen, das jenes System verursacht, das sie besserstellt. Also erklären sie den Hinweis auf das Problem selbst zum Problem.

      Und angesichts dessen, dass jetzt "Identitätspolitik" an fast allem Schuld sein soll, weil es angeblich von den "wahren Problemen" ablenke, frage ich mich, ob es nicht eher so ist, dass das Sich-Einschießen auf "Identitätspolitik" nicht der Versuch ist, davon abzulenken, dass man auf die Probleme der ökonomischen Ungleichheit seit langem schon keine schlüssige Antwort mehr geben kann - im Gegenteil, diese Ungleichheit als SPD (ja, die SPD auch eines Thierse und einer Schwan) mit Hinweis auf die Erfordernisse der Globalisierung und mit einer gehörigen Portion Zynismus und Arroganz ggü. den Benachteiligten aktiv verstärkt hat.

    • @cazzimma:

      und welche Folgen hat das, wenn eine Minderheit die Mehrheit angreift?

      • @Usch Bert:

        Wo, bitte, greift eine Minderheit denn die Mehrheit an? Kapiere ich nicht. Ist ein etwas anderer Lebensstil ein Angriff? Oder die Forderung, dass man einfach sein Leben so leben möchte, wie man es für sich für angemessen hält?

        Die Mehrheit hat letztendlich immer die Macht. Vielleicht erscheinen deshalb manchmal auch Angehörige von Minderheiten etwas dünnhäutig und emotional - weil man weiß, wie sehr man von den Stimmungen in der Mehrheit abhängig sein kann.

        Wenn man mitbekommen hat, wie schnell sich eine AfD etablieren konnte.

        Da wir einem in der Minderheit schon mal mulmig.

  • Schon oft habe ich es mit einem im Hintergrund laufenden Programm verglichen: Das ständige abscannen des Gegenübers, ist er, sie, Frau, Mann, etwas dazwischen, oder auch, wo kommen diese dichten schwarzen Augenbrauen her, sicher Migrationshintergrund, das Scannen der Codes, des Verhaltens.... anstatt sich einfach mal neugierig auf das ein zu lassen, was Mensch visavis sagt und tut. Dieses im Hintergrund laufende Programm reduziert nämlich nur unsere Rechenleistung. Oder auch: Einsortieren in Schubladen ist nicht dumm, es macht dumm.

  • "Wenn Frauen und vermeintliche Minderheiten strukturell so hart ausgegrenzt werden, haben sie einen Anspruch darauf, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und die Ungerechtigkeiten zu artikulieren, auszusprechen. "

    Nein, niemand hat einen Anspruch, durch Schreien und Aggressionen andere zu demütigen und ihnen ihre Würde zu nehmen.

    Es hilft auch in der Sache nicht, weil Verletzungen immer Gegenverletzungen erzeugen.

    Schreien überzeugt niemanden.

    Im Gegenteil macht das Gegenüber dann dicht.

    Hatte jemand den Eindruck, dass Frau Schwan oder Herr Thierse jetzt überzeugt sind?

    • @rero:

      Würden Sie dasselbe JüdInnen in Deutschland antworten, die wiederholt und nachdrücklich auf den Antisemitismus in Deutschland hinweisen?

    • @rero:

      schreien? ich habe in dem video niemanden schreien gehoert. hat auch niemend. mache sind sehr ruhig geblieben, manche emotional. manche haben emotional kritisiert. ist das verboten? natuerlich erreicht man beim gegenueber meistens mehr mit ruhe und ueberzeugung. der gegenueber will sich akzeptiert und respektiert fuehlen. das ist aber die welt des gegenueber. und dies definiert nicht den verhaltenskodex des agierenden.



      also hier von ´falschem verhalten´ zu sprechen, soweit der agierende nicht beleidigt, geht in richtung neurotische erwartungshaltung.

      • @the real günni:

        "... haben sie einen Anspruch darauf, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen "



        würde auch Anschreien und ähnliches implizieren.

        Ich lese diese Passage so, dass der Autor auch Beleidigungen nicht ausschließen würde, schließlich lässt man dann ja seinen Gefühlen freien Lauf und wird so zur Realität der anderen.

        Was haben Sie gegen Beleidigungen?

        Liegt es womöglich an der Demütigung, die eine Beleidigung bedeutet?

      • @the real günni:

        Genau.

        Das geht so in die Richtung: nur, wer sich benimmt und souverän auftritt, darf überhaupt Kritik äußern.

  • Ich finde den Artikel, weil er sehr gut widerspiegelt, wo die Probleme bei der Identitätspolitik liegen

    "Es gibt Menschen, die der Meinung sind, dass wir hier in Deutschland in einem regenbogenfarbenen Paradies leben. Schwule und Lesben dürfen jetzt heiraten – „was wollt ihr eigentlich noch?“ Diese Frage wird uns konstant entgegengeschleudert, als wäre Gleichstellung in unserer Verfassung nicht zum obersten Ziel für unsere Gesellschaft festgeschrieben worden."

    Ich habe am Anfang den Slogan "Ehe für alle" nicht mal verstanden, weil ich es mit Identität nicht so habe.

    Schwule und Lesben durften schon immer heiraten. Ich kenne persönlich eine Reihe, die das gemacht haben.

    Sie mussten nur wie jeder andere Partner des anderen Geschlechtes heiraten.

    Ich habe die Zulassung von gleichgeschlechtlichen Ehen als Erweiterung meiner eigenen persönlichen Freiheit begriffen.

    Wer ist aber der Staat, dass er mir ohne sachlichen Grund vorschreibt, ich dürfte nur ca. die Hälfte der Weltbevölkerung heiraten, die andere nicht?

    Ich bin mit einer Frau in einer nichtgleichgeschlechtlichen Ehe verheiratet, aber in wen ich mich verliebe, hat den Staat nichts anzugehen. Das läuft für mich unter Freiheitsrechte.

    Wenn in der Werbung für die Gesetzesänderung hingegen behauptet wurde, diese betreffe nur bestimmte Identitätsgruppen, darf man sich nicht wundern, wenn die Leute mit anderer Identität dann auch glauben, es betreffe sie nicht.

    I

    • @rero:

      "Schwule und Lesben durften schon immer heiraten."



      Das ist zynisch. Die Situation war, dass Paare, die seit Jahrzehnten zusammenlebten, vor Staat und Gesetz als Fremde gesehen wurde. Menschen hatten kein Besuchsrecht, wenn ihre Partnerinnen oder ihr Partner auf der Intensivstation lag. Starb der Partner, hatten sie keine gesetzlichen Ansprüche als Erbin / Erbe oder aus Alterversorgung der Paratnerin / des Partners. Gerade in den Jahren der vielen AIDS-Toten in den späten 80er und den 90er Jahren sind zahlreiche verwitwete Männer in Armut zurückgeblieben. Auch gegenüber den Kindern von Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen wurden die Partnerinnen und Partner vom Staat wie Fremde behandelt, selbst wenn letztere die Kinder 18 Jahre lang als Co-Eltern großzogen hatten. Die Kinder hatten keine Rechte als Erben der Co-Eltern, und wurden im Falle des Todes des biologischen Elterteils zu Waisen erklärt. Gleichgeschlechtlich Beziehungen wurden nicht als Familien anerkannt, Personen im öffentlichen Dienst z.B. konnten keinerlei Rechte geltend machen, wie die Berücksichtung des Lebensmittelpunktes ihrer Partnerschaft bei Abordnungen und Versetzungen. Die Parftnerschaften wurden behandelt, als wären sie nicht existent. Ganz zu schweigen davon, dass die Lebensgemeinschaften von Frauenpaaren als "ungeeigneter Erziehungsort" klassifiziert wurden und Müttern das Sorgerecht abgesprochen wurde. Reicht? Man kann noch problemlos 100 Sätze hinzufügen.

      • @mats:

        Eventuell lesen Sie meinen Kommentar noch mal?

        Ich käme nicht ansatzweise auf die Idee, dass "früher" irgendwas besser gewesen wäre.

      • @mats:

        Nachtrag 1:



        K. Kühnert hat in einer Diskussionsrunde gesagt (ich zitiere aus der Erinnerung): "Es geht darum, dass ich und andere unsere Partner heiraten können, um nichts anderes geht es". "Unsere Partner heiraten" - und nicht irgendjemand. Die, die bis dahin allein heiraten durften, haben ja auch nicht irgendjemanden aus der "anderen Hälfte der Weltbevölkerung" geheiratet.

        • @mats:

          Nachtrag 2:



          "darf man sich nicht wundern, wenn die Leute mit anderer Identität dann auch glauben, es betreffe sie nicht."



          Frage: Warum kann man sich nicht einfach hinstellen und sagen "Hey Leute, in Bezug auf die gleichgeschlechtlich veranlagten Menschen haben wir uns geirrt. Tatsächlich haben wir Menschen uns seit Jahrtausenden über uns und unsere eigene Natur geirrt. Heute wissen wir mehr. Gesetzen und andere gesellschaftliche Regeln, die lange Zeit Leid, Gewalt und Tod über viele Menschen gebracht haben, werden geändert oder abgeschafft." Es bedarf keiner Entschuldigung der einen Gruppe ggü. der anderen. Es bedarf auch nicht der Dankbarkeit der anderen Gruppe ggü. der einen. Alle sollten sich freuen darüber und stolz sein darauf, dass dieser Fortschritt gelungen ist. Denn jeden betrifft es.



          Also, warum kann man es nicht sagen? Tja, wenn man diese Frage nur beantworten könnte ...

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Mal was zum "Händchenhalten" in der Öffentlichkeit. Finde ich unter Heteros auch sehr angestaubt, ist ein Klischee, daß diese das ständig machen, wird manchmal dem Hetero vom Partner vorgeworfen, daß er es nicht macht...usw

    • @97760 (Profil gelöscht):

      Beyond the point.

    • @97760 (Profil gelöscht):

      Für mich eine schöne Geste, manchmal auch bei sehr alten Paaren zu beobachten. Was soll daran angestaubt sein? Ist da jemand neidisch?

    • @97760 (Profil gelöscht):

      Ist ja interessant zu hören, dass es bei den Heteros auch nicht immer so rund läuft... Hoffe, die können das bald mal klären!

  • Danke, super Kommentar!

    Eine Anmerkung: bei der Bezeichnung "sexuelle Orientierung" habe ich manchmal Bauchschmerzen, weil sie für meine Begriffe auch dazu beiträgt, dass LGBTQ-Menschen auf Sexualität reduziert werden und Partnerschaft, Liebe nicht mitgedacht werden.

    Auch ich verstehe den Begriff "Identitätspolitik" nicht. Wenn man sich gegen Rassismus oder Homophobie wendet, wendet man sich gegen Diskriminierung. Das sollte doch in einer solidarischen Gesellschaft, wie sie sich die SPD wünscht, begrüßt werden.

    Warum spielt man in diesen merkwürdigen Diskussionen die klassische SPD-Klientel gegen AktivistInnen aus, obwohl es doch in jedem Fall um Respekt und Solidarität gehen sollte?

    • @cazzimma:

      Ich wünschte, wir könnten öfter über solche Fragen diskutieren, und müssten nicht jedes mal bei Adam und Eva (haha) anfangen, nämlich der Frage ob es Queerphobie gibt und wenn ja, ob das denn tatsächlich schlimm ist.

      Haben Sie denn andere Vorschläge? Finde ich generell eine spannende Frage, und ich kann Ihre Bauchschmerzen bei dem Begriff verstehen.

      • @Hedera:

        Ich habe leider auch keine anderen Vorschläge. Bezeichnungen sind immer schwierig und es hat (z.Tl. berechtigterweise) ja auch schon immer Streit darüber gegeben, besonders auch innerhalb der queeren Community.



        Generell weiche ich oft auf "nicht heterosexuell" aus.

  • "„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, doch unsere Lebensrealität sieht anders aus. Allein in Berlin bekommen queere Menschen jeden Tag mindestens einmal eins auf die Fresse"



    Soweit ich weiß ist das gesetzlich verboten, und zwar unabhängig von der sexuellen Orientierung. Wo ist hier der Zusammenhang?

    • @Encantado:

      Hilft denen, die auf die Fresse kriegen, wahnsinnig viel, zu wissen, dass es verboten ist, oder?

      Wie ignorant kann man sein?

      • @cazzimma:

        Das Grundgesetz misszuverstehen oder mit bewussten Fehlinterpretationen für die eigene Position zu missbrauchen, hilft den genannten Personen nicht, es schadet eher ihrer Sache. Darauf hinzuweisen ist nicht ignorant.

      • @cazzimma:

        Und was schlagen Sie vor?

    • @Encantado:

      Was gemeint ist, dass sie "eins auf die Fresse" bekommen, weil sie von den Tätern als queer erkannt werden. Statistisch ist das Risiko, Opfer einer Körperverletzung zu werden, für queere Menschen deutlich erhöht. Eine österreichische Studie schätz ein 10fach erhöhtes Risiko gegenüber der nicht-queeren Bevölkerung. Das ist aber nur der gemittelte Wert. Wenn Sie bedenken, dass viele Queers sich gar nicht trauen, in der Öffentlichkeit erkennbar zu sein, dann können Sie sich vorstellen, wie viel höher das Risiko noch ist, wenn Sie Hand in Hand mit ihrem Partner / ihrer Partnerin durch eine Großstadt laufen.

      • @mats:

        Auch Ihre Erläuterung stellen Straftatbestände dar, die von Polizei und Justiz verfolgt werden.

        Der Autor suggeriert mit seiner Formulierung, dass die Lebensrealität seiner Identitätsgruppe widerspiegeln, seine Identitätsgruppe sei nicht vor dem Gesetz gleich.

        Und das stimmt nicht.

        Insofern hat Encantado da recht.

        • @rero:

          Das stimmt, da haben Sie recht, das macht keinen Sinn. Sinn würde es machen für Länder, in denen LGBT kriminalisiert werden oder zumindest nicht in gleicher Weise durch die Exekutive geschützt werden.

    • @Encantado:

      Fragen Sie nach dem statistischen Zusammenhang?

      • @yul:

        Nein, ich frage nach dem Grund, warum hier das Gesetz bemüht wird, wenn es eben darum gar nicht geht.



        Mir fehlt der thematische Zusammenhang.

    • @Encantado:

      das nennt man wunschvorstellung versus realitaet, diese diskrepanz kommt leider haeufiger vor

      • @the real günni:

        Ja, aber was ist denn hier nun die Wunschvorstellung? Queeren Personen eine auf die Fresse geben, ist verboten. Genauso wie nicht-queeren Personen eins auf die Fresse geben.



        Queere und nicht-queere Personen sind also vor dem Gesetz gleich.

        Hier nun unterschwellig anzudeuten, das wäre anders, wäre unredlich.



        Ich einfach hoffen, dass das nicht absichtlich geschehen ist, sondern lediglich aus Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit. Sowas sollte ich einem Zeitungsartikel allerdings nicht vorkommen. Auch nicht in einem Kommentar.

        Ich bin für andere Erklärungen offen.

  • "Gesine Schwan und Wolfgang Thierse (...) haben (...) eine alte Diskussion angestoßen, wie ich sie persönlich für (...) nicht mehr notwendig, für überwunden erachtet hatte."

    Insbesondere Thierses Beitrag verstehe ich primär als Äußerung zur Cancel Culture, die in dieser Form ein recht neues Phänomen ist.

    Warum ist das eine alte Diskussion?

    • @Encantado:

      Das Cancel-Culture-Narrativ ist Teil der rechten Strategie, sich als Opfer darzustellen.

      Diese Strategie ist so alt, wie der Faschismus selbst.

      www.vox.com/2018/9...rump-jason-stanley

      • @yul:

        @YUL www.vox.com/2018/9...rump-jason-stanley



        Danke für diesen interessanten Link! Das ist seit langem das Beste, was ich zum Thema "Faschismus" gelesen habe. Allerdings ziehen Sie offensichtlich andere gedankliche Konsequenzen als ich. In dem Interview geht es ja nicht um "den" Faschismus als Ideologie und Herrschaftsform, sondern um diskursive und propagandistische Techniken des Machterwerbs, die prinzipiell von ALLEN politischen Strömungen (ob links oder rechts), angewendet werden können: "I don’t really think of a fascist as someone who holds a set of beliefs. They’re using a certain technique to acquire and retain power". Es geht also NICHT um ein "rechtes Weltbild", sondern um Techniken, Macht zu erlangen und zu erhalten. "The key thing is that fascist politics is about identifying enemies, appealing to the in-group (usually the majority group), and smashing truth and replacing it with power." Dieses Muster ist mir leider aus identitätspolitischen Diskussionen vertraut: Man identifiziert Feinde (z. B. alte weiße Männer). Man appelliert an die eigene In-Group. Man biegt sich die gesellschaftliche Realität zurecht (z. B. dass Minderheiten ständig diskriminiert würden) und leitet daraus einen Machtanspruch ab. Natürlich gibt es dieses Muster auch (und insbesondere) von Rechts! Und natürlich setze ich Identitätspolitik NICHT mit Faschismus gleich! Denn weitere Merkmale faschistischer Rhetorik, die im Interview thematisiert werden (z. B. Personenkult) finden sich auf identitätspolitischer Seite NICHT. Trotzdem sollte wir lernen, dass sich Elemente einer faschistischen Einstellung nicht nur darin zeigen, WAS wir glauben, sondern schon darin, WIE wir diskutieren. Und das schließt manche linken Diskurse mit ein.

      • @yul:

        Als Opfer sehen sich in diesem Artikel und in den Kommentare nicht die vermeintlich Rechten. Aber gut, jedem sei zugestanden, ein Opfer zu sein. Unangenehm wird es jedoch, wenn eines der selbst identifizierten Opfer die anderen als Täter abstempelt.

      • @yul:

        Die Wahrnehmung einer Cancel Culture beschränkt sich aber nicht nur auf rechte Strategen.

        Es würde dem gesellschaftlichen Diskurs deshalb guttun, den Vorwurf argumentativ zu widerlegen, statt nur die Personen, die ihn erheben, in die rechte Ecke zu stellen.

      • @yul:

        Man kann von dem Sinn der Diskussion halten, was man will. Ich glaube, Thierse und Schwan hätten auch mit Widerspruch leben können. Aber wenn eine Frau Esken davon spricht, dass sie sich für ihn schämt, dann wäre ich als jemand, der so viel für die Sozialdemokratie getan hat, auch eingeschnappt. Manchmal macht auch der Ton die Musik.

        • Alfonso Pantisano , Autor des Artikels, Queerer Aktivist
          @Sophokles:

          Frau Esken hat an keiner Stelle gesagt, dass Sie sich für Herrn Thierse schämt! Das stand in der Mail so nicht drin.

          • @Alfonso Pantisano:

            Ich finde dieses Vor- und Zurückgerudere peinlich (und es ist mir schnurzpiepegal, ob jetzt jemand liest, ich fände die Art der Außenkommunikation peinlich, oder die Parteiführung persönlich). Es legt nahe, dass die Parteispitze hier unterschiedlich ggü. zwei Seiten spricht.

            "Wir haben uns geschämt und wir waren stinksauer. Punkt. Aber jetzt ist es durch, lasst uns reden" - *das* wäre mal ein Aufschlag gewesen!

            • @mats:

              Der Eindruck drängte sich mir auch auf.

          • 0G
            04105 (Profil gelöscht)
            @Alfonso Pantisano:

            Diese Antwort war jetzt aber schon fast AfD-Rhetorik: "...hat xyz nicht ganz Genaus os gesagt und schon gar nicht gemeint...".



            Wenn Du (und nur Du) Dich zu etwas äußerst und ich äußere mich dergestalt, dass mich die Äußerungen von irgendjemand aus der Quere-Comunity beschämen würden - wer könnte wohl gemeint sein? Der Papst?

            Zwei Arten von Einschätzungen teile ich nicht, die Induktivität, mit der Einzelerlebnisse "hochgerechnet" werden und die Fragen nach der Strategie.



            Andererseits gestehe ich, dass ich auch keine Patentlösung habe, wie man Gleichberechtigung und Teilhabe durchsetzen kann. Ich wünschte, wir würden uns als Gesellschaft schneller weiter entwickeln. Allerdings bin ich auch sicher, dass der Schmollwinkel, in den sich viele der Identitätsfanatiker zurückgezogen haben, nicht wirklich weiter hilft. (Und insofern wäre ich auch bei dem, was Thierse wirklich gesagt hat.)

            Doch von diesen Einwänden abgesehen hat mich Dein Artikel als "Hete" berührt, vor allem, weil er, wie ich finde, mit einem sehr liebevollen Grundton geschrieben wurde. Ich bin auch sicher, dass man auf diese Weise mehr Verständnis, mehr Offenheit und mehr Annahmebereitschaft erzeugt als durch dass gelegentlich zu hörende Krakeelen. Danke.

          • @Alfonso Pantisano:

            Jeder, der als Kind nicht vom Wickeltisch gefallen ist, hat es so verstanden und es war ziemlich sicher auch so gemeint.

          • @Alfonso Pantisano:

            Sondern?

            "...die fehlende Zurückweisung von Grenzüberschreitungen und die mangelnde Sensibilität im Umgang mit den Gäst*innen aus Euren Reihen, manche Rechtfertigung im Nachgang – all das beschämt uns zutiefst"

            Das klingt für mich ziemlich eindeutig nach "Wir schämen uns zutiefst für das Verhalten von Gesine Schwan und Wolfgang Thierse.

            Ich bin deshalb neugierig auf Ihre Interpretation.

          • @Alfonso Pantisano:

            Aus dem Tagesspiegel:

            "Was Thierse empört, ist ein Schreiben von Parteichefin Esken und Vizeparteichef Kevin Kühnert an die SPD-Arbeitsgemeinschaft Queer. Als Queer bezeichnen sich Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgenderpersonen. In dem Schreiben zeigten sich beide „beschämt“ über SPD-Vertreter, die ein „rückwärtsgewandtes Bild der SPD“ zeichneten".

            Ok, "beschämt". Sorry, kommt aber irgendwie auf dasselbe raus.



            Ich habe die Mail naturgemäß nicht im Originsl gelesen, gehe aber mal davon aus, dass so stimmt.

  • „In these days of changing ways So called liberated days“ (1):

    Allein in Berlin bekommen queere Menschen jeden Tag mindestens einmal eins auf die Fresse – egal wo in unserer Stadt, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. es beunruhigt mich sehr zu sehen, wie in Russland, Ungarn und Polen, aber auch in Ghana und Uganda und überall sonst, wo meine Leute nicht frei leben dürfen, unsere Identität von der Mehrheitsgesellschaft zum Problem, zur Straftat erklärt wird.“

    „The Killing of Georgie“,

    Song, Rod Stewart /1976/ (1) = Zitat aus dem Songtext wie genannt

    www.youtube.com/watch?v=95zxtaKQBBc

    • @Moon:

      "Auf die Fresse" in Berlin bekommen Sie aber nicht von Thierse, Schwan etc. Diese Menschen haben für Ihre Freiheiten gekämpft (und für die anderer Gruppen und Menschen).

      • @Markus Michaelis:

        Wolfgang Thierse hat für die Freiheit gekaämpft und tut es noch. Gesine Schwan hat für die Freiheit gestritten und tut es noch.



        Was ich ansprach im Kommentar ist meine Reaktion auf die persönlichen Schilderungen des Autors in Bezug auf sein Leben. Ich hätte offen gestanden nicht erwartet, dass ein so schwerer, schwieriger Lebensweg aufgrund einer geschlechtlichen Identität noch möglich ist. Es ist aber so. Respekt vor dem Autor, das auch öffentlch zu machen. Da kann vieles leicht wieder umgedeutet werden.

        Tatsache ist doch leider, dass in D. Menschen wegen ihres Glaubens ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts...gehetzt und ermordet werden. Und dann Ungarn, Polen...Egal, wie ich z. B. über Identitätspolitik in bestimmten Aspekten denke, das Geschilderte darf nicht so sein und ich will nicht, dass es so bleibng wie hier. Wie ich versucht habe herauszustellen, war das nie weg - und es jetzt tritt es wieder hervor.



        Ich wende mich z. B. gegen das Wort vom "weißen alten Mann". Aber das ist doch kein Grund mich nicht gegen die beschriebene Entwicklung zu wenden.

        • @Moon:

          Klar, wenn Leute in Ungarn oder Polen oder auch hier gehetzt oder ermordet werden, sollte jeder dagegen vorgehen.

          Aber gegen die Täter. Was auch geht ist, sein allgemeines Anliegen der Gesellschaft vorzutragen, weil man meint, dass gewisse Strukturen, Denkweisen, allgemeine Verhaltensweisen diese Taten begünstigen.

          Was aus meiner Sicht nicht geht, ist der Anspruch über das Vortragen hinaus auch festlegen zu können, welche Denkweisen etc. das begünstigen. Das liefe für mich dann darauf hinaus (zugespitzt), dass weil in Polen jemand ermordet wurde, den ich zu meiner Gruppe rechne, ich in Deutschland gesamtgesellschaftlich entscheiden kann, was geht.

          Da würden viele Menschen kommen: Leute sterben im Straßenverkehr, in Kriegen, durch unnötige Krankheiten, Waffenverkäufe, chemische Verseuchungen, Depression, Tabak- Alkohol- Drogenmissbrauch, verschiedenste Verbrechen, Falschbehandlungen, Klima usw: hinter allem stehen irgendwie auch gesellschaftliche Strukturen. Da gibt es eine lange Liste von Menschen, die an Sie mit Ansprüchen herantreten, was Sie zu ändern haben.

          Das müssen wir demokratisch ausdiskutieren - das kann nicht eine Gruppe festlegen.

          • @Markus Michaelis:

            "Das müssen wir demokratisch ausdiskutieren - das kann nicht eine Gruppe festlegen."

            Ich fand Ihren Kommentar erst heute, so viele Tage später. Vielleicht erreicht er Sie noch. Ich stimme zu.

            Z. B. Kenne H4. Die Gruppe der Grundsicherungsempfänger kann nicht "für die Gesellschaft" die Höhe der Grundsicherung festlegen. In einem anderen Kommentarzusammenhang um Themen "Armut-Arbeitslosigkeit-Identitätspolitik" wurde diese Frage nämlich einmal gar nicht so rethorisch aufgeworfen.



            Aber so könnte unsere repräsentative Demokratie nicht funktionieren. Und deshalb spreche ich mich als Betroffener auch gegen eine solche Form der Beteiligung aus. Aus meiner Sicht als Erwerbsloser würde ich mir damit auch selbst schaden.

  • ich finde den Text auf der menschlichen Seite absolut zutreffend und es sollte das Erziehungsziel sein, dass der Wunsch am Ende des Artikels in die Realität umgesetzt wird. Ebenso verstehe ich die Frage von Frau Schwan nicht als "in Frage stellen", sondern als Appell, Verschiedenheit zu akzeptieren, aber in beide Richtungen. Als Erwachsener kann man sogar versuchen, die in einem bestimmten Milieu und einer bestimmten Zeit aufgewachsenen Eltern zu verstehen - ohne richtig zu finden, was sie sagen oder getan haben....

    Aber das sind Probleme, die sich nicht mit Quoten oder Gesetzen lösen lassen - und darum geht es in der SPD derzeit, um die Ausrichtung der Politik und die Themen, die man in den Vordergrund stellen will. Da will auch der von Arbeitslosigkeit bedrohte Kohlearbeiter gehört werden.

    • @Dr. McSchreck:

      Der arbeitslose Kohlearbeiter liegt der SPD aber auch schon länger nicht mehr am Herzen, das hat mit LGBTQ* Themen erstmal nix zu tun. Außerdem - was macht der Kumpel, wenn er schwul ist?



      Das Narrativ, dass queere Belange Luxusprobleme sind, während die ehrlichen Arbeiter*innen mit wichtigen und irgendwie echteren Problemen zu kämpfen hat, ist übrigens auch nicht ungefährlich.



      Wenn wir bei der Kohle bleiben wollen, sind Minderheiten recht gute Kanarienvögel - wenn wir uns nichtmal darauf einigen können, dass Heteros in der SPD vielleicht nocht was dazu lernen können, was queerphobe Diskriminierung angeht, trauen wir ihnen dann zu, bei struktureller Armut auf die Betroffenen zu hören?

      • @Hedera:

        Allerdings! Diese merkwürdige Hierarchisierung: hier der schuftende, unterbezahlte Kumpel, dort die "bunte" Partygemeinde mit ihren Luxusproblemen.



        Von dieser Klischeedenke muss sich die SPD lösen.

        • @cazzimma:

          Das hat die SPD gemacht und ist geschrumpft. Außerhalb gewisser Milieus interessiert man sich nicht allzu stark für diese Themen.

    • @Dr. McSchreck:

      Das ist alles schön und begrüßenswert. Verstehen kann ich viel, und sicher trägt das zur Qualität der Debatte bei.

      Aber Hand aufs Herz: Wie würden Sie reagieren, wenn Sie nach Jahrzehnten des Kampfes um gleiche Rechte immer noch tagtäglich erleben müssen, dass irgendjemand in der Öffentlichkeit ebendiese Rechte in Frage stellt oder zumindest Ihr berechtigtes Anliegen dahinter? Ich spreche nicht von Schwan und Thierse, aber von Kegel ...

      • @mats:

        danke für das freundliche Feedback: - die Anwort auf den zweiten Absatz: zum einen geht mir das ja zum Teil so, wenn auch nicht im Bereich Homosexualität, aber es gibt auch anderes, wo die Gesellschaft noch weit vom Ideal des "leben und leben lassen" entfernt ist.

        Meine Antwort ist daher zweitgeteilt: zum einen erwarte ich nicht vom Staat, dass er mir dieses Problem lösen kann, sondern das ist leider eine Aufgabe von Generationen von Eltern, ihre Kinder zu Offenheit und Toleranz zu erziehen - und dabei kann man helfen, wenn man Menschen selbst offen und tolerant begegnet. Vielleicht kann der Staat einen Austausch ermöglichen, Diskussionsräume, gemeinsame Reisen - aber klick machen muss es in den Köpfen des Einzelnen.



        Und daher das zweite, mein persönlicher Anteil: aus meiner Erfahrung kommt man weiter, andere zu erreichen, wenn man ihnen zuhört und versucht, auf sie zuzugehen.

        Beides ist übrigens ganz auf der Linie von Thierse, der sich vor allem gegen eine Zersplitterung der Gesellschaft in lauter Einzelgrüppchen ausgesprochen hat, die nicht mehr miteinander reden, sondern nur noch mit Vorwürfen überziehen. Das scheint ihm - wie mir - ein Weg in die Sackgasse zu sein.

        • @Dr. McSchreck:

          Ich dagegen erwarte sehr wohl vom Staat, dass er meine Probleme löst - z.B. dass bei lesbischen Paaren immernoch eine der Mütter das Kind adoptieren muss, während das bei Heteropaaren nicht der Fall ist. Oder dass das vorgeschlagene Gesetz zur Änderung des Geschlechtseintrags weit hinter den Hoffnungen von trans* Verbänden zurückbleibt (taz.de/Trans-Recht...entwurf/!5750869/). Da kann halt auch die wohlwollendste Erziehung nix dran ändern, da müssen die Gesetzgeber ran.

          • @Hedera:

            das sind politische Forderungen. Aber dass es unsensible Eltern gibt, die schwule Söhne nicht ertragen können, Arbeitskollegen, die dumme Sprüche machen usw. - das kann der Staat nicht ändern und das ist auch nicht seine Aufgabe, denn der Mensch hat nach dem GG auch das Recht, nicht perfekt zu sein. Das tut manchmal weh, aber irgendwann lernt man, damit umzugehen.

            So viel Freiheit muss einfach möglich sein, sonst darf ein Mensch nicht mehr Mensch sein, mit Emotionen und Unvernünftigkeiten. Für besonders schlimme Feinseligkeiten gibt es das Strafrecht oder zivilrechtliche Unterlassungsansprüche, aber manches ist einfach nicht regelbar, zumal Empfindlichkeiten auch verschieden sind.

            • @Dr. McSchreck:

              Ich denke, es muss eine Mischung sein aus ziviler und politischer Entwicklung. Tatsächlich halte ich den aktiven Anteil der Politik an den Emanzipationen für überschätzt. Frauen z.B., die einfach studiert haben, was sie wollten, und sich nicht abbringen ließen, haben in der Masse sicherlich die Gesellschaft und ihre Rollenbilder mehr verändert, als irgendwelche Quoten. Aber es braucht eben beides: Mutige Menschen, die vorangehen, und das gesellschaftspolitische Klima inkl. politisch garantierter Freiräume. Was mich eher stört ist, wenn sich Politiker hinterher Verbesserungen allein selbst auf die Fahne schreiben - so wie mit der Eheöffnung. Das war in der Bevölkerung doch schon längst durch, als es beschlossen wurde. Und da haben all die lesbischen und schwulen Menschen, die über Jahre zu ihrer Liebe gestanden sind und ggf. mit ihren Allies gegen Familie, Kollegen und Nachbarn verteidigt haben, den größten Anteil dran.

              Die reaktionären Kräfte wissen um diese Kraft des einzelnen. Darum ist es ihnen so wichtig, wie in Polen oder Ungarn die einzelnen unsichtbar zu machen. Dagegen muss man kämpfen - auch auf der Straße.

            • @Dr. McSchreck:

              Ich finde es schade, dasss Sie sich daran gewöhnen wollen, dass Ihre Mitbürger*Innen diskriminiert werden.



              Aber klar, können Sie machen. So viel Freiheit ist tatsächlich möglich. Ich bin froh, dass es Menschen wie Alfonso Pantisano gibt, die das anders sehen.

              • @Hedera:

                Ijoma Mangold sagt dazu:"Leben heißt versehrt werden."

                Man muss sich nicht an Ablehnung gewöhnen wollen.

                Die meisten Menschen auf dieser Welt tun es automatisch, oft bis sie volljährig sind.

              • @Hedera:

                ich finde das fast erstaunlich, wie freundlich sie alle zueinander bleiben koennen, das mag dann eine tugend sein. mich regt diese attituede auf. diskriminierung zu akzeptieren, aus der position des privilegierten, das ist arrogant und ueberheblich. und auf lange sicht auch schaedlich fuer die gesellschaft. wer sich als intelligent, gebildet und kulturell bruestet, und das anders sieht, ist in meinen augen weder intelligent, noch gebildet, noch kulturell. der staat hat sehr wohl die aufgabe, hier entgegen zu wirken, und zwar mit aller kraft. mag sein, dass sich das nur die am weitesten entwickelten staaten leisten loennen, im yemen und syrien wird es gerade keine arbeitsgruppe geben, aber hier in deutschland ist es geboten. daher sind solche aktionen wie des staatssekretaers im aussenministerium vorbildlich.

                taz.de/Staatsminis...-Konzept/!5750823/

                • @the real günni:

                  ¯\_(ツ)_/¯ Ich wundere mich auch oft darüber, wie man da so besonnen bleiben kann, oder was daran so erstrebenswert ist. Eine Tugend ist das wirklich nicht. Das sind so Diskussionen, bei denen das Schlimmste nicht ist, wenn Sandra Kegel von "Opferkonkurrenz" spricht, sondern wenn die Diskussionspartner als unhöflich wahrgenommen werden...

                • @the real günni:

                  Es geht doch nicht darum, die Diskriminierung zu akzepieren, weil man sie gut fänden. Sondern es geht um den Preis, der dafür zu zahlen wäre, wenn der Staat sich nicht mehr darauf beschränken würde, Gesetze durchzusetzen, sondern darüber hinaus auch Anstand und Moral (im positiven Sinne, dass man also Menschen anders sein lässt, insbesondere die eigenen Kinder). Ich glaube, die wenigsten wollten in so einer Welt leben - auch wenn es immer wieder Eltern gibt, die so krass versagen wie die im Artikel oben...(und es gib ja viele weitere Beispiele).

                  • @Dr. McSchreck:

                    "sondern darüber hinaus auch Anstand und Moral"

                    Ja und nein. Wenn z.B. die Raten von Kindern und Jugendlichen, die sich aufgrund von Beschämung und Mobbing das Leben nehmen, eklatant erhöht sind, muss der Staat schon mit präventiven Maßnahmen gegensteuern. Dazu können auch Aufklärungskampagnen an Schulen oder an anderer Stelle in der Öffentlichkeit gehören. Das Gleiche gilt für die stark erhöhten Risiken queerer Personen, Opfer von Gewalttaten zu werden.

                    Der Staat hat nicht nur die Legislative als Mittel zur Steuerung, und nicht alles, was am Ende hilft, ist ein Gesetz, s. den Link oben, den TheRealGünni gepostet hat.

                    • @mats:

                      Natürlich soll der Staat mit präventiven Maßnahmen gegensteuern, dafür haben wir ja Jugendämter. Aber dafür muss er von diesen Misständen erfahren.

                      Was ich dagegen oben ansprechen wollte, war ein Staat, der bis ins privateste hinein regiert, klare Erziehungsvorschriften macht und durchsetzt.

                      Das Menschenbild des Grundgesetztes, das ich teile, geht davon aus, dass grundsätzlich jeder Mensch auch das Recht hat zu irren und Fehler zu machen, ungerecht zu sein und dumm - ohne dass der Staat das verhindert, solange es nicht um Straftaten geht (oder bei Kindern um Kindeswohlgefährdung). Eine solche lag hier sicher vor - aber leider hat es niemand mitbekommen. Sonst hätte das Jugendamt durchaus mit den Eltern an ihrem "Erziehungskonzept" arbeiten können....wie man mit Kindern umgeht, die anders sind, als ihre Vorstellungen waren.

                      • @Dr. McSchreck:

                        Sie vergessen, dass Jugendämtern noch vor 20 Jahren den Eltern jedes Recht zugesprochen hätte. Was heißt "irren" heute, was hieß es gestern? Und warum ändert sich das?

                        Außerdem können Jugendämter nicht lösen, wenn Kinder in der Schule gemobbt werden, und ebenso wenig, wenn sie auf der Straße zusammengeschlagen werden. Da hilft nur Bildung und Aufklärung, polizeiliche Präventionsmaßnahmen, etc. pp.. Das alles muss aber jemand regeln, nicht per Gesetz, aber per Konzept, Verordnung und so fort.

                        • @mats:

                          Das ist doch genau mein Reden und das passiert doch auch. Wie viele Initiativen gibt es, die sich gegen Homophobie engagieren, mit staatlicher Förderung.? Bildung und Auflärung sind genau das, was ich weiter oben gefordert habe - aber es gibt auch Menschen, die sind lernresistent oder dumm oder haben es sich mit ihre Vorurteilen bequem eingerichtet oder haben Komplexe, die sie an Leuten auslassen, die sie als "schwächer" ansehen. Was wollen Sie dagegen tun? Irgendwo sind einem liberalen demokratischen Staat dann Grenzen gesetzt - und wenn er nicht mehr liberal und demokratisch ist, könnte es sein, dass die "Außenseiter" das als erstes spüren und zwar nicht im Positiven.

                        • @mats:

                          Nachtrag: Also "jedes Recht" heißt jedes Recht im Rahmen des Gesetzlichen.

                  • @Dr. McSchreck:

                    es wird immer wirrer.

                    an welcher stelle wurde gefordert oder behauptet, der staat solle anstand und moral durchsetzen?

                    der staat muss raeume schaffen, in der gleichberechtigung gelebt werden kann, und ungleichheit permanent sichtbar gemacht wird, und damit die gesellschaftliche wahrnehmung geschaerft wird.

                    in diesem ganzen disput geht es aber darum, dass thierse/kegel/schwan pikiert, gekraenkt, empoert sind, dass die diskriminierten selbst sie angreifen. der angriff erfolgte, weil die oben genannten die diskrminierung an sich klein geredet und in frage gestellt haben, und nicht nur das, sondern in teilen auch die worterhebung der diskriminierten. aus der position der privilegierten.

                    darum geht es.

                    • @the real günni:

                      Freiräume schaffen - genau das tut der Staat ja, von der Strafbarkeit zu staatlich geförderten Schwulen- und Lesbenzentren war schon ein gutes Stück Weg, dann Ehe für alle, Adoptionsrecht....

                      Mir geht es konkret - siehe der erste Beitrag - darum, dass die Möglichkeiten, Kinder vor so etwas zu schützen, wie es dem Autor passiert ist, sehr begrenzt sind.

                      Ich schrieb gleich zu Beginn, dass es natürlich wünschenswert wäre, wenn niemand erleben muss, verstoßen und verprügelt zu werden, dass man aber Menschen hat, die das anders sehen und dass der Staat keine Möglichkeit hat, diese Menschen umzuerziehen. Diese Differenzierung zwischen "gesellschaftlich wünschenswert" und "staatlich durchsetzbar" zieht sich durch all meine Beiträge. Sie können nicht verordnen, dass die Arbeitskollegen oder der Personalchef tolerant sind und die Eltern liebevoll und liberal. Die Möglichkeiten der Politik sind irgendwann am Ende - oder sie werden erweitert, indem eine Gesinnungskontrolle stattfindet. Aber diesen Preis will ich nicht zahlen, zumal sich das ja auch mal umkehren kann.....wer die Kontrollen macht und was erlaubt ist.

  • Thierse hat in seinem Beitrag vollumfänglich die Veränderlichkeit von Kultur anerkannt, dass diese kein herdersches homogenes Gebilde ist, dass jeder frei von Diskriminierung nach seiner Facon leben soll, dass Betroffenen zugehört werden soll.



    Er fordert lediglich, dass über Schlussfolgerungen und Lehren und das gemeinschaftliche Miteinander eben auch gemeinsam diskutiert werden soll und das dabei auch verschiedene Meinungen akzeptiert werden sollen, ohne dass derjenige, der von abweicht, deshalb gleich diskursiv ausgeschlossen oder in entsprechende Schubladen mit Ideologien der Ungleichwertigkeit gesteckt wird.



    Im Artikel wird richtig genannt, dass Thierse die Vehemenz der Diskussion beklagt, nicht die Berechtigung der Anliegen.

    • @Marius:

      Thierse hat ja im Großen und Ganzen Recht, aber es muss immer klar sein, dass zwischen "anderer Meinung sein" und Diskriminierungen von Lebensformen ein massiver Unterschied besteht.



      Hass ist keine Meinung, gegen wen auch immer er sich richtet. Und das hat er vielleicht nicht wirklich deutlich gemacht.



      "Ich will Lesben und Schwule weiter scheiße finden und es auch sagen dürfen" - diese Haltung scheinen mir Thierse und Schwan eben doch ein Stück weit zu akzeptieren: als Meinung. Und da wird's dann schwierig.

      • @cazzimma:

        Ich denke, da haben sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Das hat Thierse tatsächlich 2014 auch fast wörtlich gesagt:



        www.queer.de/detai...p?article_id=21008

        "Die vertraute Ehe, die vertraute Form der Partnerschaft [damit meint er Heteros] für gut, für gar besser zu halten und sie zu verteidigen, ist das schon Intoleranz, ist das schon Homophobie, ist das schon Pflege von Vorurteilen. Oder sollte das in unserer Gesellschaft nicht eine legitime respektable Position sein, zumal sie sich auch in unserer Verfassung, im Grundgesetz findet? Man muss genau dieses beides sehen."

        • @Hedera:

          Ok, interessant.

          Wobei ich persönlich es als Meinung sehen würde, wenn Leute aus religiösen Gründen z.B. nur heterosexuelle "Ehen" in Ordnung finden.

          Aber es dürfen damit dann legal eben trotzdem keine Sonderrechte im Vergleich zu anderen Lebensgemeinschaften entstehen.

    • @Marius:

      Das ist ja erstmal schön, wenn Herr Thierse auch findet, dass Diskriminierung nicht gut ist, und wir aushandeln müssen, wie wir miteinander umgehen.



      Dabei beansprucht er aber, die Deutungshoheit über diese Diskussion zu behalten - er entscheidet, wann ein Beitrag zu emotional, zu vehement ist. Dafür gibt es den englischen Begriff "tone policing", der dieses Phänomen ganz gut beschreibt.



      Sie können das ganz gut im Kommentar von Encantado oben sehen - anstatt sich darüber zu empören, dass queere Menschen im Alltag von Gewalt bedroht sind, sobald ihre Queerheit sichtbar ist, wird eine zynische Frage gestellt - Es ist gesetzlich verboten, Menschen zu schlagen, was wollt ihr denn noch?



      Anstatt sich mit dem Inhalt auseinander zu setzen, wird der Ton kritisiert.



      Sie können sich bestimmt vorstellen, wie herablassend das bei LGBTQ* ankommt. Stellen Sie sich vor, jedes mal wenn Sie Ihre*n Partner*in dazu auffordern, die dreckigen Socken vom Sofa zu räumen, kommt erstmal eine Diskussion, ob der Ton dieser Bitte angemessen ist. Nur dass es für die queere Community halt nicht um Socken, sondern um Beschimpfungen, Bedrohungen, und Gewalt geht.

      • @Hedera:

        Ich denke, die von Ihnen genannten Punkte bezüglich Beschimpfungen und Gewalt sind völlig unstrittig. Ich habe manchmal das Gefühl, die Diskutanten reden aneinander vorbei. Vielleicht kann ich Ihnen ein Beispiel aus eigener Erfahrung nennen.



        Ich denke, dass gegenderte Sprache nicht notwendig ist, weil sie auf einem Missverständnis beruht. Als Gegenargument wird u.a. angeführt, ich wäre halt ein Mann, was hätte ich dazu zu sagen? Das ist der Punkt, um den es Thierse geht. Meinungen und Standpunkte gewinnen durch Herkunft bzw. Gruppenzugehörigkeit/Identität an Legitimität und Bedeutung, nicht durch inhaltliche Argumentation.



        Im übrigen beansprucht Thierse keine Deutungshoheit, er beansprucht lediglich am Diskurs teilnehmen zu können, ohne verbal ausgegrenzt bzw. herabgewürdigt zu werden.

        • @Marius:

          Natürlich ist "du bist halt ein Mann" an sich kein Argument.

          Was aber immer wieder auffällt in der Debatte, ist, dass sich Leute aus der Mehrheitsgesellschaft oft überhaupt nicht hineinversetzen können in diejenigen, für die Diskriminierung eine Realität ist, und die das berechtigterweise immer wieder ansprechen.

          Und da, wo diese Leute einfach mal zuhören könnten - das gilt für Alltagsrassismus ja ganz genau so - wird genervt abgewunken.

          Betrifft mich nicht, interessiert mich nicht, so bin ich ja nicht.

          Es scheint eine Hierarchisierung zu geben im Bewusstsein mancher SPDler, nach der der Langzeitarbeitslose, der prekär Beschäftigte, Betroffenheit und Mitgefühl auslöst, und andere sich eben in ihren Communities um sich selbst kümmern sollen.

          • @cazzimma:

            Was mich interessieren würde: muss ich mich als "Mehrheitsgesellschaft" in andere Gruppen hineinversetzen - wenn ja welche? Muss ich mich als Minderheitsgruppe in andere hineinversetzen - in alle? Wer legt fest, dass ich Mehrheit bin - ich könnte etwa depressiv sein. Bin ich dann Mehrheit oder Minderheit? Müssen Minderheiten die Mehrheit verstehen und können sie das?

            Meinem Gefühl nach bringt das so nichts. Man sollte nicht wissentlich auf anderen herumtrampeln und man sollte einen gewissen Prozentsatz seiner Aufmerksamkeit auch dafür haben, wie es wohl anderen geht. Um Alle kann sich niemand kümmern.

            Da hat jede Gruppe die eigene Verpflichtung auf Ihre Situation aufmerksam zu machen und das ist dann eben eines von vielen Anliegen im demokratisch-politischen Aushandeln. So in etwa würde ich das sehen.

            Natürlich gibt es auch große Trends und Neuerungen der Gesellschaften/Menschheit, wie früher mal Demokratie, Rolle der Religion, heute Rolle des Geschlechts, Auflösung des Nationenbegriffs etc., aber das kann nicht so weit gehen, dass Menschen als "Mehrheit" oder "veraltet" abgestempelt werden dürfen und dann nur noch die Gefühle anderer bedienen müssen. Das ist schon mehr gegenseitig.

        • @Marius:

          Aus Interesse - haben Sie den Jour Fixe der SPD gesehen, der diese Debatte losgetreten hat? Mich hat dabei vor allem erschreckt, wie sehr die nicht-queeren Diskussionsteilnehmer*innen die Ohren verschlossen haben, und den queeren Menschen, die sie eingeladen hatten, mit Herablassung begegnet sind.



          Alfonso Pantisano wurde einfach das Mikro ausgeschaltet, als er Sandra Kegel widersprochen hat. Und er ist Vorsitzender der SPDqueer Berlin. Ist das die respektvolle Art der Diskussion, die Sie sich wünschen?



          Was mich an Argumenten wie dem Ihren ("Im übrigen beansprucht Thierse keine Deutungshoheit, er beansprucht lediglich am Diskurs teilnehmen zu können, ohne verbal ausgegrenzt bzw. herabgewürdigt zu werden.") so sehr ärgert ist die Umkehr der Verhältnisse. Die queeren Teilnehmer*innen an dem Jour Fixe wurden herablassend und beleidigend abgekanzelt. Aber das Problem ist, dass Wolfgang Thierse sich missverstanden fühlt? Außerdem hat er schon 2014 gegen die Ehe für Alle argumentiert: www.queer.de/detai...p?article_id=21008



          Ich finde, bevor er sich hier zum Opfer hochstilisiert, kann er erstmal die eigene Homophobie reflektieren & bearbeiten.

          • @Hedera:

            ich habe mir das gestern noch ansgesehen, wo es so stark diskutiert wird. Es wurde 2 x das Mikro abgeschaltet und zwar jeweils bei der Forderung, der Gast solle nicht mehr eingeladen werden, sie selbst nannte das "deplatforming". Die Begründung war, dass man auf diesem Niveau nicht diskutieren wolle - genau der Ansatz von Thierse, dass man eben im Gespräch bleiben muss, auch wenn man verschiedener Ansicht ist. Frau Schwan hat sich entschuldigen wollen, dass sie Menschen verletzt hat und der Verleger hat auf den wichtigen Punkt hingewiesen, dass man mit diesem internen Kampf Energie aufwendet, die besser eingesetzt würde gegen die, die im Bundestag am liebsten das Rad zurückdrehen wollen und Schwule gar nicht akzeptieren.

            • @Dr. McSchreck:

              Außerdem - setzen denn Thierse und Schwan ihre Energie dafür ein, der Homophobie der AfD entgegenzutreten? Also so ganz konkret? Hab ich nicht mitbekommen, lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.

            • @Dr. McSchreck:

              Ich kann verstehen, dass Ihnen die AfD im Bundestag (ich nehme an, die meinen Sie) als schlimmere Bedrohung erscheint. Aber "Schwule gar nicht akzeptieren" ist leider nicht die einzige Form von Homophobie, und auch nicht die, die den meisten Schaden anrichtet.



              Um mal bei der SPD zu bleiben - die hat jahrelang die Ehe für Alle mitblockiert. Das war ziemlich wirkungsvoll. Sandra Kegel erreicht ein riesiges Publikum. Diese freundliche wartet-bis-ihr-dran-seid Queerphobie ist leider nicht weniger abwertend, sie ist nur für nicht-Betroffene leichter auszuhalten. Und das ist ein großes Problem.

    • 9G
      97075 (Profil gelöscht)
      @Marius:

      Danke für den Kommentar, trifft den Nagel auf den Kopf.

  • und eigentlich ist, anschliessend an meinen kommentar, dieses interview, danke taz, genau die antwort darauf, naemlich was es braucht, und was es nicht braucht

    taz.de/Staatsminis...-Konzept/!5750823/

  • ich bin gestern zufaellig ueber den tagesspiegelartikel gestolpert, der hier nur versteckt im text verlinkt ist. in diesem artikel ist wiederum das 90min video zusehen, was auch grundlage dieses textes ist.

    www.tagesspiegel.d...chen/26966828.html

    ab minute 45 geht es dann so langsam los, und die diskussion hat mich auch geschockt. wir sind als gesellschaft ja noch lange nicht so weit, und ich habe auich nicht ganz verstanden, wieso frau kegel mehr eine verletzlichkeit bei sich verortet, als dort, wo sie sie ausgeloest hat, und die blosse anklage hat sie empoert. das verstoert.



    taeter-opfer-umkehr mal anderesherum. der kritiker fuehlt sich missverstanden, nur weil er kritisiert, weil er den finger in die wunde legt, weil er ausspricht, was er denkt.



    ganz schwierig. oder wirklich? kann man nicht erwarten, dass die gesellschaft einen konsens erreicht hat? wenn diskriminierte den wunsch aeussern, den anspruch haben, es einfordern, nicht mehr diskriminiert zu werden, - ist dann die kritik an dieser aeusserung nicht diskriminierung per se?

    • @the real günni:

      Und legt immer weiter nach: erst das Interview mit Thierse

      "Wie viel Identität verträgt die Gesellschaft?"

      is.gd/M1OsAS , dann

      "Worauf will die SPD verzichten?"

      is.gd/eC5aFG und

      "Wie kann man sich für Wolfgang Thierse schämen?"

      is.gd/vQSgM8 und weiter

      "Gegnerische Blöcke in der SPD"

      is.gd/PpwqYN

      Pantisano, Kram, Hoppe und Horwitz sollten bei dem jour fixe gar nicht gehört werden, höchstens kultiviert (zu)gucken, wie sich die Grundwertekommission mit Feuilleton (und, tolerant, mit ihnen) schmückte.

      "Sind Sie wahnsinnig?" ist Kegel Pantisano da angegangen - hatte ihn wohl missverstanden, gedacht, seine Geschichte handle von ihr (?!?) - der Ton aber war wie ihr Artikel.

      Die Queeren wurden da völlig abgewürgt, auf keinen ihrer Einwände eingegangen.

      Und vor dem Hintergrund dieses Mundtotmachens bei der SPD ist es wirklich ein Hohn, zu lesen, wie Thierse faire Debatten, jeder solle mit jedem reden können, einfordert.

      Und dabei, im Superwahljahr, instrumentalisiert wird: die FAZ will Zwietracht säen, und es ist ihr gelungen, nun bläst sie das Feuer immer weiter an.

      Ganz mieses Spiel, keine Spur von 'we agree to disagree', womit sich Kegel beim jour fixe herausreden wollte: eine Breitseite nach der anderen gegen Esken.

    • @the real günni:

      Sehe ich auch so.

      Es gibt eine komische Empfindlichkeit der Mehrheitsgesellschaft, wenn sie darauf hingewiesen wird, dass sie eben doch noch nicht immer so entspannt und inklusiv ist, wie sie gerne wäre.

      Das ist so ähnlich wie bei der Thematik von Gewalt gegen Frauen, wo dann in den Kommentarspalten - auch linke - Männer gerne mal ausflippen und sagen, dass sie selbst natürlich nicht so sind und sie selbst es auch nicht immer leicht haben.

      Eine Art infantiles Schmollen.

      • @cazzimma:

        Ja, dieses Schmollen ist echt anstrengend. Es ist nicht besonders angenehm, sich den eigenen Vorurteilen zu stellen (muss man leider immer wieder), aber so eine Zumutung wie das immer dargestellt wird ist es auch nicht.



        Auf lange Sicht ist es viel angenehmer, selbstbewusst zu sagen dass man ein Mensch ist, der an sich arbeitet, anstatt jedes mal so ein Theater zu machen.

        • @Hedera:

          ... wenn man denn an sich arbeiten möchte; denn das setzt ja immerhin eine gewisse Einsicht voraus.

  • Bei allem Respekt, aber dieser Kommentar liefert eher Argumente für die Position der SPD/Thierse.



    Was soll die These, dass Menschen auch nach 5 Generationen oder wegen ihrer Ur-Ur-Grosseltern noch ausgeschlossen werden....?

    • @alterego:

      weil die ausgrenzung keine frage des gefühls ist sondern knallharter fakten, die sich ökonomisch, in den bildungschancen, auf dem wohnungsmarkt und bei anderen soziologischen faktoren nachvollziehen lassen.

      • @LesMankov:

        Nochmal nachgefragt: ich kenne einige Schwule, die deutlich mehr verdienen als ich, damit verbunden auch Jobs mit höherem Ansehen haben. Ich kenne auch viele Migranten, die mehr verdienen und höher angesehene Jobs haben. Ich habe mal unter einem schwarzen IT-Chef gearbeitet (zugegeben, da sind es bis jetzt in D wenige - das wird sich in ein paar Jahren aber auch ändern).

        Wie ist das jetzt zu werten: bin ich dann Teil einer benachteiligten Gruppe nach irgendwelchen Kriterien. Vielleicht habe ich von meinen Eltern nicht genügend Ehrgeiz oder Durchsetzungswillen oder ökonimisches Interesse gelernt - auch eine Gruppe - etwa wie die Gruppe, die zu sehr nach Frauenrollen erzogen wurde?

        Wie genau muss man Gruppen zusammenfassen? Wir wissen ja, dass alle Dinge nur konstruiert sind. Welche Gruppen sind dann so klar, dass die Fakten so knallhart klar sind, wie Sie das andeuten?

      • @LesMankov:

        In Deutschland sinid alle möglichen Menschen aller möglichen Herkünfte bestens aufgestiegen - andere nicht. Müsste man da nicht mehr Gründe ausbreiten - reicht es auf die "Mehrheitsgesellschaft" (zunehmend auch ein Konstrukt) draufzuhauen?

    • @alterego:

      nicht verstanden? der punkt ist, dass die forderung nach voller integration - sei es von welcher diskriminierten volksgruppe auch immer - als nervig empfunden wird. das ist der punkt. aus der position des privelgierten heraus, ist die kritik, diese forderung sei unagebracht, nervig, tendenzioes, einfach nur kritik? ganz wertfreie kritik? oder was ist es genau? frage

  • Wunderbar, dass hier mehrere ausgegrenzte Gruppen im Blick behalten werden. Das macht letztendlich eines klar: Es geht ums Menschsein, das persönliche und das gemeinschaftliche. Es darf sehr gerne besser werden.

    • @HanM:

      Eben. Von der SPD würde man eigentlich erwarte, dass sie das kapiert hätte.

  • Danke für diesen Kommentar. Es ist nicht so leicht, in Worte zu fassen was es heißt, immer unter dem Radar zu fliegen, und was das auf die Dauer mit Menschen macht.

    • @Hedera:

      Und deswegen sollen jetzt immer mehr andere unters Radar gedrückt werden, in ihren Sprechweisen, Interessen, Filmvorlieben, Schreibweisen und vielem mehr?

      • @Markus Michaelis:

        Joa, das finde ich schon in Ordnung. Man muss sich ja nicht alles anhören.

        • @Hedera:

          Diese Haltung ist genau das Problem - sie sind nicht besser als die von ihnen beklagten ,Diskriminierer,.

          • @marusja meyer:

            Es gibt einen Unterschied zwischen "Ich darf im Feuilleton einer der größten deutschen Tageszeitungen homophobe Positionen runterattern, ohne dass Widerspruch kommt" und "Strukturelle Diskriminierung von Minderheiten ist in Deutschland auch im Jahr 2021 ein Problem".



            Wenn Sie den Unterschied nicht erkennen können, kann ich da nix dran ändern. Deswegen ja - ich bin dafür, dass es aufgezeigt wird, wenn Leute reaktionären Blödsinn von sich geben. Wenn es sich jemand zweimal überlegt, ob man die Anliegen der LGBTQ*-Bewegung als Opferkonkurrenz abtut, finde ich das schon zumutbar.

            • @Hedera:

              Ja, es gibt soetwas wie Mehrheiten, die dadurch auch Verantwortung haben und es gibt auch soetwas wie Minderheiten und es gibt Diskriminierung, z.B. gegenüber Minderheitengruppen. Eine Gesellschaft muss sich mit soetwas beschäftigen. Das hört auch nie auf, weil es keinen gerechten Endzustand dafür gibt, das Nachjustieren hört nie auf.

              Aber irgendwo kippt das auch. Ich lasse mich auch nicht einfach von anderen als "DIE" Mehrheitsgesellschaft einsortieren und andere legen fest, welche Verantwortung damit verbunden ist. Ich spreche es Ihnen auch ab für "DIE" diskriminierten Minderheiten zu sprechen - das ist dann doch recht bunt und manche werden durch mein Verhalten benachteiligt, andere durch Ihr Verhalten oder Ihre Gruppe.

              Aber wo ich ganz bei Ihnen bin: Sie haben jedes Recht und sollten sogar Ihre Sicht äußern. Gerade weil ich eben keine Verpflichtung habe mich aktiv um ein Verständnis für alle Gruppen zu bemühen. Und ich muss natürlich auch nicht jede Sichtweise für mich aktzeptieren. Wo ich Mehrheiten sehe und welchen ich mich zuordne, entscheide ich auch für mich - andere sortieren mich anders ein.

              • @Markus Michaelis:

                Naja, ob Sie zur Mehrheit gehören oder nicht kann man sich leider nicht aussuchen. Aber man kann sich schon aussuchen, wie man sich dann verhält. Wenn Sie nicht mit wehenden Fahnen in den Kampf der Gleichberchtigung ziehen wollen, ist das vollkommen in Ordnung. Kriegen wir auch ohne Sie hin.

                Aber in meinem ersten Kommentar habe ich mich bei Herr Pantisano dafür bedankt, dass er einige sehr traurige und urqueere Erfahrungen so berührend dargestellt hat. Wenn Ihre erste Reaktion darauf ist "Aber was ist mit mir", dann habe ich eigentlich keine Lust auf dem Niveau zu diskutieren. Let's agree to disagree!