Religion als Schulfach in Berlin: Gott in der Hauptstadt
In Berlin soll Religion ordentliches Schulfach werden. Das kann auch eine Chance sein für ein Nachdenken über zeitgemäßen Glaubensunterricht.

D as Berliner Schulsystem kam bisher immer ganz gut ohne Gott aus – tatsächlich ist die Hauptstadt das einzige Bundesland, in dem Religion, ob evangelisch oder katholisch, kein ordentliches Schulfach ist. Dieser säkulare Sonderweg soll sich jetzt ändern. Nach übereinstimmenden Medienberichten will die künftige schwarz-rote Regierung am Montag den Entwurf eines Koalitionsvertrags präsentieren, in dem Religion ab Klasse 7 Wahlpflichtfach wird.
Lebenskunde als weltanschauliche Alternative zu wählen, ist auch in Zukunft möglich, und Ethik bleibt Pflichtfach. Zudem verliert der Religionsunterricht sowieso beständig Interessent*innen: Laut Bildungsverwaltung sank die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den vergangenen fünf Jahren um etwa 5.500 auf heute 172.326. Erstmals belegten mehr Kinder die Lebenskunde anstelle von evangelischer Religion.
Nun ist die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit ein hohes Gut und deshalb gibt es auch keine staatlich verordnete Religionskunde, sondern die religiösen Glaubensgemeinschaften sind selbst für Personal und Lehrpläne verantwortlich. Und dennoch war Berlin mit der bisherigen Wahlfreiheit deutlich liberaler unterwegs als der Rest der Republik. Oder doch nicht? Denn so richtig konsequent ist die Religionsdebatte auch in der Hauptstadt nie geführt worden.
Freiwilligkeit ja – aber das reguläre Angebot beschränkte sich dann doch nur auf die konfessionellen Spielarten des Christentums. Andere Länder wie etwa Hamburg binden auch islamische, alevitische und jüdische Gemeinden in einen „Religionsunterricht für alle“ ein. Wobei es auch hier die Kritik gibt, dass der Anspruch „für alle“ natürlich auch nicht eingehalten wird, denn wo sind die Buddhist*innen?
Berlin musste sich bisher nicht konsequent der Frage stellen, wie zeitgemäßer Religionsunterricht eigentlich aussehen könnte. Die neue Koalition ist eine Chance, dieses Thema insgesamt mal wieder auf die bildungspolitische Agenda zu setzen. Gott weiß, was dabei noch rauskommt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links