Proteste gegen Hype-Kaffee: „LAP will das Red Bull des Kaffeesektors werden“
Die Kampagne „LapCoffeeScheiße“ wehrt sich gegen die Invasion der Hype-Läden. Warum es nicht um den Preis geht, erklärt ein Aktivist im Interview.
taz: Herr Schneider, Sie sind bei der Kampagne „LapCoffeeScheiße“ aktiv, die sich gegen eine neue Hype-Kette richtet, die mit To-go-Angeboten zu niedrigen Preisen wirbt. Wissen Sie denn, ob der Kaffee bei LAP wirklich so schlecht ist?
Mario Schneider (Name fiktiv): Nee, wirklich keine Ahnung. Unsere Kritik an LAP ist auch nicht, dass der Kaffee scheiße schmeckt.
taz: Am vergangenen Wochenende wurden alle LAP-Filialen mit Farbe beschmiert. Eine Aktion Ihrer Gruppe?
Schneider: Wir empfinden es als äußerst spekulativ, mit welcher Selbstverständlichkeit die Farbgeschichte nun in den Medien unserer Kampagne zugeschrieben wird. Meines Wissens gibt es da keine nachgewiesene Verbindung.
taz: LAP-Gründer Ralph Hage hat sich nach der Farbaktion dialogbereit gezeigt, gleichwohl ermittelt die Polizei wegen Sachbeschädigung. Ihre Gruppe hat in einem Offenen Brief mit einer Reihe von Forderungen reagiert: Unter anderem soll Hage 80 Prozent seines Vermögens an Gewerkschaften spenden und alle Läden schließen, in denen sich die Kiezbewohner:innen dagegen aussprechen.
Schneider: Ja. Hage hat ja vorher bei Red Bull und Delivery Hero gearbeitet. Beide Unternehmen sind für ihr Union Busting bekannt. Deshalb finden wir es nur fair, dass Hage mit seinem Geld die Kämpfe von Beschäftigten unterstützt. Und was das Schließen der Läden angeht: Es ist Teil der Image-Kampagne von LAP, angeblich nur dorthin zu gehen, wo die Läden auch gewollt sind. Wir nehmen Hage also nur beim Wort.
taz: Sie erwarten nicht wirklich, dass Hage darauf eingeht?
Schneider: Wir haben auf das Gesprächsangebot geantwortet. Wir stehen bereit, aber haben halt Vorbedingungen. Ehrlich gesagt, wir glauben, Hage geht ein bisschen der Arsch auf Grundeis. Er hat ja schon mal das Liefer-Start-up Yababa gegen die Wand gefahren. Er wirkt extrem nervös. LAP ist investorengetrieben, und Investoren wollen Rendite. LAP wird ja von so sympathischen Investoren wie HV Capital finanziert, die ihr Geld auch in Kriegsdrohnen stecken. Denen ist ein Ralph Hage egal, nur die Rendite zählt. Die sind schnell wieder weg, wenn es nicht so gut läuft. Da kann Kritik natürlich sehr gefährlich sein.
Mario Schneider ist Aktivist bei der Kampagne „LapCoffeeScheisse“. Er will für dieses Interview anonym bleiben.
taz: Hage hat in der B. Z. auch geraunt, Ihre Kampagne stamme aus der Kaffeeszene. Stimmt das?
Schneider: Die Aussage ist wirklich äußerst dubios. Wir halten das für einen Versuch, die Kritik, die es an LAP gibt, in eine Kritik der Preisgestaltung umzuwandeln. Auch der Spiegel schreibt ja etwa von einem „Kampf um den Billigkaffee“. LAP stellt sich so dar, als würden sie wegen ihrer günstigen Preise angegriffen. Aber die Kaffeepreise sind nicht das eigentliche Thema. Uns geht es um die politische Bedeutung von LAP.
taz: Die wäre?
Schneider: Hage hat kürzlich ein längliches Interview gegeben, was sich auf Youtube finden lässt. Darin sagt er recht deutlich, was die Vision ist. LAP will das Red Bull des Kaffeesektors werden. In den nächsten Jahren sollen 100 Läden aufgemacht werden. Aber das soll nur der Anfang sein. Über den Hype, den sie selbst versuchen zu inszenieren, wollen sie ins Onlinegeschäft einsteigen. Das Motto lautet: „Monetarize from existing costumers“ – also der „Community“, die sie um die Marke bilden wollen, noch andere Sachen zu verkaufen.
taz: Ist das nicht einfach stinknormaler Kapitalismus? Was unterscheidet denn LAP von anderen Kaffeeketten, wie etwa Starbucks?
Schneider: LAP geht viel aggressiver in die Kieze rein und mietet Flächen, die sich andere Leute nicht mehr leisten können. Dadurch setzt LAP ganz andere Standards für Gewerbemieten. Die Folge ist, dass die Schneiderei oder die Kita von nebenan verdrängt werden. Starbucks findet man an Bahnhöfen oder in Touri-Hotspots wie der Friedrichstraße. Aber LAP will eben diesen Hype schüren. Das ist natürlich auch fiktiv, wie kürzlich das Funk-Format Trasherchiert aufgedeckt hat: Die stellen eigene Influencer:innen ein, um einen Hype zu inszenieren. Dafür braucht es eben einen fancy Laden in der Kastanienallee.
taz: In der B. Z. wird Ihre Kampagne nun als gewalttätiger linker Mob geframt, der Leute mit Ideen aus der Stadt vertreibt.
Schneider: (lacht) Ja, stimmt. Als eine dieser Geschäftsideen, die Leute wie wir aus Berlin vertrieben haben sollen, werden da etwa Car-Lofts genannt: Dass heute also nicht viel mehr Leute ihren Porsche per Fahrstuhl auf ihrem Balkon parken können. Wir glauben ja, Luxuswohnungen mit Autoaufzügen sind nicht das Wichtigste für Berlin. Viel wichtiger sind bezahlbare Mieten, die Bekämpfung von Armut, die Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen. Wir wollen eine solidarische Stadt, in der es fair für alle zugeht – von den Beschäftigten in den Kaffeehäusern bis zu den Produzent:innen in Mittel- und Südamerika, von denen die meisten dem Kapitalismus und Geschäftsmodellen wie von Hage kritisch gegenüberstehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert