Polizeiskandal in NRW: Hitlerbilder und Hakenkreuze
In NRW werden 29 PolizistInnen suspendiert, die sich in rechtsextremen Chatgruppen austauschten. Innenminister Reul spricht von einer „Schande“.
Betroffen ist vor allem das Polizeipräsidium Essen. 25 der beschuldigten 29 Beamten kommen von dort. Die meisten gehörten zu der unterstellten Dienstgruppe in Mülheim an der Ruhr, die komplett suspendiert wurde. Auch der dortige Dienstgruppenleiter ist beschuldigt, zudem ein weiterer vom SEK Essen, einer vom LKA, einer vom Landesamt für Ausbildung und zwei vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste.
Durchsucht wurden insgesamt 34 Polizeidienststellen und Privatwohnungen, neben Essen und Mülheim in Duisburg, Oberhausen und Moers. Die Beamten sollen in fünf privaten Chatgruppen rechtsextreme Inhalte ausgetauscht haben. Die erste der Gruppen soll bereits 2012 gegründet worden sein, die größte 2015.
Hakenkreuze und Hitler-Bilder
Reul sprach von weit über 100 strafrechtlich relevanten Bildern in den Chatgruppen. Zu sehen seien Adolf Hitler und Hakenkreuze oder fiktive Darstellungen eines Geflüchteten in einer Gaskammer oder eines schwarzen Menschen, der erschossen wird. Der CDU-Politiker sprach von „abscheulichen Inhalten“. Gegen 11 der Beamten werde nun wegen Verbreitens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung ermittelt. Sie sollen die Bilder in die Gruppen eingestellt haben.
Die anderen 18 Beamte sollen die Bilder nur empfangen haben. Auch gegen sie laufen nun aber Disziplinarmaßnahmen wegen des Verdachts der Dienstverletzungen – weil sie die Inhalte nicht meldeten. Alle 29 PolizistInnen sind laut Reul suspendiert, sie mussten ihre Uniformen und Dienstwaffen abgeben, dürfen ihre Dienstgebäude nicht mehr betreten. Bei 14 Beamten wird angestrebt, sie aus dem Dienst zu entfernen.
„Der Vorgang macht mich sprachlos“, sagte Reul. Rechtsextreme hätten in der Polizei „nichts zu suchen“. Er könne nicht mehr von Einzelfällen sprechen. Der Großteil der 50.000 PolizistInnen in NRW seien aber „hochanständige Menschen und Demokraten“.
Nur durch Zufall aufgedeckt
Auf die Chatgruppen waren die Ermittler nur durch Zufall gestoßen – nach der Durchsuchung eines 32-jährigen Beamten Ende August. Dem Polizisten wurde vorgeworfen, Polizeiinterna an einen Journalisten verraten zu haben. Auf seinem Handy wurden dann die Chatgruppen entdeckt. Darauf begann eine eigene Ermittlergruppe ihre Arbeit, die „SoKo Parabel“. Und der Skandal könnte sich noch ausweiten: Denn bisher hatten die Ermittler nur Zugriff auf das Handy des 32-Jährigen. Seit Mittwoch aber werden nun weit mehr Datenträger ausgewertet.
Reul kündigte an, die Affäre „bis ins kleinste Detail“ aufzuarbeiten. Bereits am Mittwoch ordnete er die Bildung einer Sonderinspektion für das Polizeipräsidium Essen an. Dort soll geprüft werden, ob es weitere Fälle gibt und wie viele Beamte von den Chatgruppen noch wussten. Zudem kündigte Reul einen Sonderbeauftragten für rechtsextreme Tendenzen in der Landespolizei an, der ihm unmittelbar unterstellt werde. Dieser solle ein Lagebild und Handlungsempfehlungen zur Prävention erarbeiten. Auch werde es Regionalkonferenzen mit Polizeiführern geben.
Polizeigewerkschaft und Politik „erschüttert“
Der Essener Polizeipräsident Frank Richter, dessen Haus vor allem betroffen ist, sagte, er habe sich so einen Fall nicht vorstellen können. Es habe keine Auffälligkeiten gegeben, für die Chats seien nur private Geräte benutzt worden. Dass keiner der beteiligten Beamten seinen Dienstherren informiert habe, sei erschütternd.
Auch die Gewerkschaft der Polizei in NRW reagierte mit „großem Entsetzen“ auf die Vorfälle. „Die Bekämpfung des Rechtsextremismus gehört zur DNA der Polizei“, sagte Landesvize Michael Maatz. „Dass es trotzdem Beamte gibt, die in Chatgruppen rechtsradikale, fremdenfeindliche Inhalte teilen, ist unerträglich.“
Der CDU-Innenexperte Christos Katzidis zeigte sich ebenfalls „zutiefst erschüttert“: „Dass diejenigen, die unsere Werte schützen und verteidigen sollten, sie stattdessen wohl mit Füßen getreten haben, ist skandalös.“ SPD-Landeschef Sebastian Hartmann forderte eine „schonungslose Aufklärung und null Toleranz gegen die Feinde unserer demokratischen Gesellschaft“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“