Neuer Ärger in der Linkspartei: Frieden war gestern
Nach der Zustimmung der Länder Bremen und Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat zur Grundgesetzänderung rumort es wieder kräftig in der Linkspartei.

Grund für den Unmut ist, dass am Freitag der Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit einem Grundgesetzänderungspaket zugestimmt hat, das neben der Einrichtung eines Infrastruktursondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro und der Schaffung eines größeren finanziellen Spielraums für die Länder auch eine Lockerung der Schuldenbremse zur Ermöglichung wesentlich höherer Verteidigungsausgaben enthält.
Nur die vier Bundesländer, in denen das BSW oder die FDP mitregieren, enthielten sich der Stimme. Die beiden Bundesländer, in denen die Linkspartei beteiligt ist, stimmten hingegen zu. Damit stellten sich die Linken in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern gegen den Kurs der Bundespartei, die vehement gegen den „Blankoscheck für unbegrenzte Aufrüstung“ protestiert hatte.
Mit mehreren Eilanträgen beim Bundesverfassungsgericht hatte sie sogar vergeblich versucht, eine Beschlussfassung durch den alten Bundestag zu verhindern, weil im neuen Union, SPD und Grüne nicht mehr die nötige Zweidrittelmehrheit haben. Noch am Dienstag warnte Fraktionschef Sören Pellmann im Bundestag vor einer „Militarisierung in nie gekanntem Ausmaß“.
Rechtfertigungsversuche aus Bremen und Mecklenburg-Vorpommern
Der Bundesvorstand hatte am Donnerstag in einem Beschluss festgehalten, er setze darauf, dass es „zu einer Ablehnung des Finanzpakets in den links mitregierten Ländern“ kommen werde. In einem offenen Brief forderten mehrere Kreisverbände, der Linken-Studierendenverband sowie mehr als 2.500 Mitglieder die Linken in Mecklenburg-Vorpommern und Bremen auf, „innerhalb der jeweiligen Landesregierung ein klares Nein anzuzeigen“.
Doch die dortigen Ministerinnen und Senatorinnen haben sich anders entschieden. „Ausschlaggebend für unsere heutige Zustimmung im Bundesrat war am Ende die Verantwortung für das Bundesland Bremen“, erklärte die Bremer Linken-Senatorin Claudia Bernhard. Das Paket könne Bremen und Bremerhaven „einen dringend benötigten finanziellen Spielraum verschaffen, auch wenn dieser begrenzt ist“.
Angesichts des aktuellen Drucks auf die öffentlichen Finanzen könne „dies einen spürbaren Unterschied machen“. Deswegen habe die Linke in Bremen nach intensiven Diskussionen und einer sorgfältigen Abwägung dem Paket schließlich zugestimmt, auch wenn sie weiterhin Kritik daran habe.
Ähnlich lautet die Begründung in Mecklenburg-Vorpommern. „In Mecklenburg-Vorpommern ist sich die Linke ihrer Verantwortung bewusst, Landespolitik im Interesse der Menschen zu gestalten“, heißt es in einer Stellungnahme der Landtagsfraktionsvorsitzenden Jeannine Rösler. „Die finanziellen Spielräume, die sich aus der Reform der Schuldenbremse ergeben, sowie die Mittel aus dem Sondervermögen müssen für dringend erforderliche Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, insbesondere Schulen und Kitas sowie Krankenhäuser, und den Klimaschutz verwendet werden.“
Darüber hinaus verweist Rösler auf die Erklärung, die das Land Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat zu Protokoll gegeben hat. „Die limitierte Bereichsausnahme für Verteidigungsausgaben im Rahmen der Schuldenregel wird von den Koalitionspartnern uneinheitlich bewertet“, ist da zu lesen. „Die Landesregierung nimmt mit Respekt die differenzierende und ablehnende Haltung des Koalitionspartners Die Linke zur Kenntnis.“ Aber in der Gesamtabwägung unterstütze das Land „aus landespolitischer Verantwortung sowie aus Landesinteresse das Gesetzespaket“.
Kritik des Bundesgeschäftsführers
Linken-Bundesgeschäftsführer Janis Ehling geißelte hingegen den Bundesratsbeschluss. „Die heute beschlossenen einseitigen Ausnahmen der Schuldenbremse sind falsch und demokratiefeindlich“, sagte er. Die Linke lehne „diese blinde Rüstungsspirale und diese Absage an eine soziale Demokratie ab“.
Seine Parteifreunde in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern würden das politisch ebenso sehen und hätten „das per Protokollnotiz auch zum Ausdruck gebracht“, versuchte Ehling sie in Schutz zu nehmen. Aber er fügte hinzu: „Konsequenterweise hätte aus Sicht der Bundespartei auch eine Ablehnung im Bundesrat erfolgen müssen.“
Hatte sich die Partei in den vergangenen Wochen und Monaten mit öffentlich ausgetragenen Streitereien auf Social Media-Plattformen wie „X“ auffällig zurückgehalten, scheint es damit jetzt vorbei zu sein. „Dass Bundesländer mit Beteiligung meiner Partei, die Linke, ihre Zustimmung zu den Kriegskrediten nicht verweigern, ist ein schwerer Fehler und untergräbt unsere friedenspolitischen Positionen“, twitterte die Ex-Bundestagsabgeordnete Susanne Ferschl.
Der frühere Thüringer Landtagsabgeordnete Frank Kuschel schrieb: „Das Abstimmungsverhalten aus Bremen und MV ist enttäuschend und durch nichts zu rechtfertigen, zumal diese sechs Stimmen nicht mal ausschlaggebend gewesen sind.“ Nur zwei von zahlreichen Proteststimmen.
Das doppelte Dilemma der Linken
Die Linkspartei befindet sich in einem doppelten Dilemma: Auch in Konkurrenz zur Kremlpartei BSW versucht die Linke zum einen als konsequente Friedenspartei zu erscheinen. Zugleich tritt sie für eine generelle Abschaffung der Schuldenbremse ein. Auch das würde der Regierungsmehrheit jenen „Blankoscheck für unbegrenzte Aufrüstung“ bescheren, den die Partei eigentlich entschieden ablehnt. Um eine schlüssige Antwort darauf, wie sie angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag mit diesem Widerspruch umgehen will, hat sich die Linke bislang gedrückt.
Zum anderen verweist insbesondere das Abstimmungsverhalten der Länder, in denen die FDP mitregiert, auf ein weiteres Problem: Wenn die Grundgesetzänderungen im Bundesrat gescheitert wären, hätte das die Aufrüstungspläne von Union und SPD keineswegs verhindert. Die Folgen wären vielmehr fatal nicht nur für den finanziellen Spielraum der Länder, sondern vor allem für den Bundeshaushalt gewesen.
Die von den angehenden Koalitionären – und auch den Grünen – für notwendig erachtete Steigerung der Militärausgaben wäre in direkte Konkurrenz zu Ausgaben beispielsweise im Sozial- oder auch Klimaschutzbereich gestellt worden und damit zu deren Lasten gegangen. Genau das intendierte die FDP – und auch die AfD. Beide sind für starke Aufrüstung, aber unter Einhaltung der Schuldenbremse.
Tatsächlich könnte vor diesem Hintergrund eine Ablehnung im Bundestag als politisches Zeichen gegen Aufrüstung und die pragmatische Zustimmung der von den Linken mitregierten Länder im Bundesrat auch einfach nur als zwei Seiten einer Medaille gesehen werden.
Ob es klug gewesen ist, von den Linken in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern, allzu realpolitisch kein Veto einzulegen, obwohl es letztlich gar nicht auf die Stimmen der beiden Länder angekommen ist, ist eine andere Frage.
Im Mai kommt die Linke in Chemnitz zum Bundesparteitag zusammen. Es dürfte einigen Gesprächsbedarf geben.
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