Nazis in Brandenburg: Fataler Burgfrieden
Zwei Lehrkräfte kritisieren Naziumtriebe an ihrer Schule. Die Landesregierung hilft nur halbherzig – ein Vorgeschmack auf die Wahlen 2024.
Die zwei Lehrer:innen, die in Burg im Spreewald öffentlich gemacht haben, dass Schüler:innen dort Hakenkreuze malen, den Hitlergruß zeigen und geflüchtete Kinder rassistisch beleidigen, werden die Stadt verlassen. Laura Nickel und Max Teske haben in der vergangenen Woche um ihre Versetzung an andere Schulen in Brandenburg gebeten.
Es wiederholt sich ein Muster. Wer sich gegen Rechtsextremes wendet, gegen rassistisches Verhalten, der muss am Ende gehen. Und ja, die beiden Lehrer:innen sind hart bedroht worden. Ebenfalls in der vergangenen Woche klebten Unbekannte etwa 60 Aufkleber mit einem Schwarz-Weiß-Foto der Lehrer:innen und der Aufforderung „pisst Euch nach Berl*in“ in Burg. Aber ausschlaggebend ist in einer solchen Lage nicht so sehr das, was Faschist:innen und ihre Fans tun. Sondern das, was die anderen machen, die auch noch da sind. Die Kollegin Steffi Unsleber hat für die taz 2018 und 2019 Lokalpolitiker:innen besucht, die in Ostdeutschland von Rechtsextremen bedroht worden sind. Was sie sagen, gleicht sich:
Michael Richter, Die Linke, hat das sächsische Freital verlassen: „Beim Treffen sagt er, dass er geblieben wäre, wenn die Verwaltung in Freital anders reagiert hätte. Aber der Oberbürgermeister der CDU habe sich nie klar gegen die rechte Szene ausgesprochen.“
Mario Müller, SPD, floh und wollte nur unter Decknamen reden: „Die schweigende Mehrheit war das Hauptproblem“, sagt er. „Es wäre ganz anders gewesen, wenn jemand zu mir gekommen wäre und gesagt hätte: Schade, dass Sie gehen.“
Allein gelassen
Karin Larisch, Die Linke, lebt immer noch in Güstrow: „Dass man als Nestbeschmutzer gesehen wird, ist schlimmer als all die Angriffe“, sagt sie. „Würden alle zusammenstehen, dann würde viel weniger passieren.“
Martina Angermann, SPD, damals Bürgermeisterin von Arnsdorf: „Ich habe darunter gelitten, dass die Mitte der Gesellschaft geschwiegen hat.“
In Burg sah es nach dem Brief der beiden Lehrer:innen im April ein bisschen so aus, als hätten Gesellschaft und Politik gelernt, dass öffentliche Solidarität die richtige Antwort ist auf einen erwartbaren Gegenschlag der Rechtsextremen. Die Schulbehörden wollten sie unterstützen, Landespolitiker:innen lobten ihren Mut, Nickel und Teske durften auf einer Demonstration öffentlich sprechen. Aber diese volle Solidarität wurde schnell weniger, schwand zu einer Dreiviertelsolidarität, einer halben Solidarität, einer Solidarität mit Bedingungen.
Kolleg:innen grüßten nicht mehr, sagen die beiden Lehrer:innen, und manche, die auf ihrer Seite seien, äußerten das aus Angst nicht. Das Schulamt Cottbus wies sie an, nicht mehr mit der Presse zu reden. Nickel und Teske sagten, von der Regierung aus Potsdam sei kaum Hilfe gekommen.
Nazitolerantes Brandenburg
Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) gab der Süddeutschen Zeitung am 13. Juli ein Interview, in dem er über Teske und Nickel sagte: „So wie es die beiden gemacht haben, würde ich es zur Nachahmung nicht unbedingt empfehlen. Das habe ich ihnen auch gesagt.“
Ihn stört, dass Teske und Nickel Rechtsextremes und Rassistisches öffentlich benannt haben, statt zu ihm zu kommen. 2024 sind in Brandenburg Landtags- und Kommunalwahlen. Lange haben sich Politiker:innen darauf ausgeruht, dass Brandenburg nicht Sachsen ist, auf dem Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ gegen Rechtsextremismus: 25 Jahre wurde es gerade alt.
Bei dem Festakt Anfang Juli feierte Ministerpräsident Dietmar Woidke sich und seine Regierung. Er sagte: „Das Tolerante Brandenburg funktioniert, und es funktioniert sogar so gut, dass wir Vorbild sind.“
Und alles, was dieses Bild stört, stört. Eine Podiumsdiskussion während dieser Feier wurde angeblich aus Zeitgründen vorzeitig beendet. Einige Teilnehmer:innen waren gerade dabei, die Regierung zu kritisieren. Einige Politiker:innen dieser Regierung bekommen Herzflattern angesichts der Umfragewerte der AfD. 28 Prozent würde sie laut einer Befragung von Anfang Juli bekommen. Stärkste Partei vor der regierenden SPD (21 Prozent) und der CDU (18 Prozent).
Angesichts dieser Werte ist so etwas wie volle Solidarität vielleicht einfach nicht mehr zu haben.
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