Nach Messerangriff in Solingen: Friedrich Merz will dicht machen

Der CDU-Vorsitzende nutzt die Ereignisse in Solingen für seine eigene politische Agenda. Merz ist nicht der Einzige, der eine neue Asylpolitik fordert

Auf dem Weg zum Kanzler: Friedrich Merz will härtere Grenzkontrollen durchsetzen Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Nein, niemand hat die Absicht eine Mauer oder Ähnliches zu bauen. „Wir denken nicht über einen Zaun nach“, so Unionsfraktionschef Friedrich Merz am Dienstag in der Berliner Bundespressekonferenz. Aber ansonsten dürfe es „keine Tabus geben“, um „den Zustrom von Asylbewerbern signifikant zu senken“.

Als da wären: dauerhafte Kontrollen an den deutschen Grenzen. Zurückweisung aller Flüchtlinge, die aus sicheren Drittstaaten kommen, mithin aller Nachbarländer Deutschlands. Und ein genereller Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien.

Falls das mit europäischem Recht nicht vereinbar sei, und das sind die Vorschläge nicht, fordert Friedrich Merz, Deutschland solle die Notlage erklären. „Wir können nicht noch mehr Menschen aufnehmen.“ Wobei seine Partei, das räumte der CDU-Fraktionschef ein, „nicht ganz unschuldig an der gegenwärtigen Situation“ sei.

All das hatte Merz dem Bundeskanzler am Dienstag beim Frühstück im Kanzleramt vorgeschlagen, verbunden mit dem Angebot, dass Union und SPD jeweils eine Person benennen, die einen Katalog von Gesetzesänderungen erarbeiten und diese im Bundestag gemeinsam abstimmen. „Dazu brauchen wir weder FDP noch Grüne.“ Also nicht nur eine Aufforderung zum Rechts-, sondern auch zum Koalitionsbruch. Was Scholz dazu meinte? Er habe spontan keine Zustimmung geäußert, aber zugehört, so Merz.

Doch kein vertraulicher Austausch

Der CDU-Politiker hatte die Pressekonferenz kurzfristig nach seinem Gespräch mit dem Bundeskanzler anberaumt. Das war eigentlich als vertraulicher Austausch geplant und seit sechs Wochen geplant. Ursprünglich sollte es um die Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen gehen, nach dem Messeranschlag von Solingen wollte Merz nun einzig und allein über die Flüchtlingspolitik sprechen. Aus SPD-Kreisen hieß es, das Gespräch sei konstruktiv und zugewandt verlaufen, auch Merz bestätigte das.

Was er dem Kanzler sagen wollte, hatte er schon am Sonntag in seinem Newsletter #MerzMail unter der Überschrift „Es reicht“ publik gemacht. Scholz’ Regierungssprecher hatte der Forderung nach einem Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan denn auch bereits am Montag eine Absage erteilt: Es sei das gute Recht eines Oppositionsführers, Forderungen aufzustellen, auch frei von der Kenntnis des Grundgesetzes oder anderer Gesetzesvorschriften.

Im vergangenen Jahr stellten 320.000 Menschen einen Erstantrag auf Asyl in Deutschland, darunter rund 50.000 afghanische und rund 100.000 syrische Staatsangehörige.

Ähnlich wie der CDU-Chef äußerte sich die gleichnamige Gründerin des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW). „Der Bundeskanzler sollte das Stoppsignal an die Welt senden: Die Willkommenskultur ist vorbei. Wir schaffen es nicht. Macht Euch nicht auf den Weg!“, sagte Sahra Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur.

Flucht vor Verfolgung sei nicht illegal

Auch Wagenknecht verlangte eine „Zeitenwende in der Flüchtlingspolitik“ und legte dazu einen Sechs-Punkte-Katalog vor, unter anderem mit der Forderung, abgelehnten Asylbewerbern nach einer kurzen Übergangsfrist alle Leistungen zu streichen. Auch das ist allerdings praktisch nicht umsetzbar, das Bundesverfassungsgericht hat Einschnitten bei Leistungen für Asylbewerber in mehreren Urteilen enge Grenzen gesetzt.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, sagte der taz: „Das schreckliche Attentat von Solingen darf kein Anlass sein, jetzt die Grund- und Menschenrechte von Geflüchteten zu schleifen.

Auch wenn der CDU-Chef und andere immer wieder von illegaler Migration sprechen ist klar, dass Flucht vor Verfolgung nicht illegal ist.“ Merz beteuerte mehrfach, keine taktischen Absichten zu verfolgen. Seine Vorschläge stünden nicht im Zusammenhang mit den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am Sonntag. Also: Niemand hat die Absicht, das Thema zu instrumentalisieren.

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