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Nach Einstufung durch VerfassungsschutzZuspruch für Ende Gelände

Die Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen wurden vom Verfassungsschutz als „linksextremer Verdachtsfall“ eingestuft. Nun solidarisieren sich andere Gruppen.

Ak­ti­vis­t:in­nen von Ende Gelände protestieren 2021 am Tagebau Garzweiler II gegen den Abriss von Lützerath Foto: F. Andorra/Adorra Press

Berlin taz | Nach der Einstufung von Ende Gelände als „linksextremer Verdachtsfall“ solidarisieren sich mehrere Gruppen und Personen mit den Klimaaktivist*innen. Carola Rackete, gerade für die Linkspartei ins Europaparlament eingezogen, nannte am Donnerstag die Einstufung in einer Erklärung „absurd“: Ende Gelände trete für Naturschutz und eine demokratische Gesellschaft ein. Die Einstufung rühre wohl eher daher, dass die Aktionen deutsche Energiekonzerne herausforderten, vermutet Rackete. „Der Verfassungsschutz ist aber nicht dazu da, die Profite von Konzernen abzusichern.“

Auch Ulrike Dufner, Geschäftsführerin des Südwind Instituts, erklärte, zivilen Ungehorsam wie von Ende Gelände „in den Bereich der Verfassungsfeinde zu rücken, halten wir für skandalös“. In Deutschland gebe es Tendenzen, zivilgesellschaftliche Initiativen zu kriminalisieren.

David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte nannte die Einstufung „hanebüchen“: Wer Kritik am Staat übe, auch radikale, dürfe nicht vom Verfassungsschutz „als extremistisch diffamiert werden“. Das Grundgesetz sei wirtschaftspolitisch neutral, zur demokratischen Grundordnung gehöre nur der absolute Kern der Verfassung. Auch Benjamin Hersch, Vorstand des Republikanischen An­wäl­t*in­nenvereins, warf den Behörden vor, „ihr Nichtstun gegen die Klimakatastrophe repressiv absichern zu wollen“.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte am Dienstag die Einstufung von Ende Gelände bekannt gegeben und dies mit einer „Verschärfung der Aktionsformen bis hin zu Sabotage“ begründet. In Grundsatzpapieren des Bündnisses werde ein „Kampf für einen Systemwandel“ propagiert oder eine Abschaffung der Polizei gefordert. Auch habe sich Ende Gelände an den Protesten gegen die Räumung von Lützerath im vergangenen Jahr beteiligt, bei denen „massiv“ Polizeibeamte angegriffen worden seien. Der Geheimdienst kann die Gruppe nun überwachen, auch mit V-Leuten.

Ende Gelände hält Einstufung für „absurd“

Ende Gelände setzt auf Aktionen zivilen Ungehorms und hatte mit Besetzungsaktionen von Kohletagebauen im Rheinland oder in der Lausitz für Aufsehen gesorgt. Bereits 2020 hatte der Berliner Verfassungsschutz die Ortsgruppe in der Hauptstadt als linksextrem eingestuft – was damals ebenfalls eine Solidarisierung anderer Gruppen ausgelöst hatte.

Die nun bundesweite Einstufung von Ende Gelände als „Verdachtsfall“ nannte eine Sprecherin der Gruppe, Jule Fink, „absurd“. Man sei ein Bündnis „aus der Mitte der Gesellschaft“ und verteidige die Werte der Verfassung, indem man sich für die Erhaltung der Lebensgrundlagen und „ein gutes, würdevolles Leben für alle“ einsetze – anders als die Bundesregierung, die konsequenten Klimaschutz vermissen lasse. Auch die Aktionsformen verteidigte Fink: „Ziviler Ungehorsam ist Teil unserer demokratischen Rechte. Mit solchem Protest haben wir die meisten der heutigen Rechte gewonnen.“ Die Aktionen von Ende Gelände seien nicht extrem, „sondern gelebter Verfassungsschutz“.

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22 Kommentare

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  • Eine Klage gegen diese Einstufung könnte erfolgreich sein.

  • Fink: „Ziviler Ungehorsam ist Teil unserer demokratischen Rechte. Mit solchem Protest haben wir die meisten der heutigen Rechte gewonnen.“ Die Aktionen von Ende Gelände seien nicht extrem, „sondern gelebter Verfassungsschutz“.

    Vielleicht braucht der Verfassungsschutz mal eine 'Nachschulung', denn was Jule Fink da sagt, das bringt es ja auf den Punkt. Aber darum geht es wohl gar nicht. Es geht eher darum, dass man eine Klimaschutzgruppe wie "Ende Gelände" als verfassungsfeindlich hinstellen möchte, damit der klimaschädliche Irrsinn weitergehen kann. Wenn man aber erst mal eine Klimaschutzgruppe so ausgehebelt hat, dann werden auch die anderen Klimaschutzgruppen demnächst so "behandelt" werden. Das ahnen natürlich auch die anderen Klimaschutzgruppen, deshalb solidarisieren sie sich ja auch mit "Ende Gelände". Es wird langsam Zeit, dass die Klimaschutzgruppen sich geschlossen zusammentun, denn gegen eine "Staatsgewalt" die nur die klimaschädliche Wirtschaft beschützt, obwohl der Klimawandel schon die große Keule aus dem Schrank holt, sind viele einzelne Gruppen nicht sehr effektiv. Es ist ohnehin traurig, dass die jungen Klimaschützer bei unseren "Volksvertretern" kein Gehör finden.

    • @Ricky-13:

      „Ziviler Ungehorsam ist Teil unserer demokratischen Rechte."

      Das Werfen von Brandsätzen auf Menschen ist kein Ziviler Ungehorsam sondern eine lebensgefährdende Straftat.

  • Ende Gelände wurdecalsclinksextremervVerdachtsfall eingestuft, weil aus der Gruppe heraus Brandätze auf Polizisten geworfen wurde.

    Wie kann man sich damit solidarisch zeigen?

    • @Rudolf Fissner:

      Ohne das Werfen von Steinen und Brandsätzen auf Menschen rechtfertigen zu wollen - das lehne ich genau so ab wie Sie: Der Kontext war die Räumung von Lützerath. Der VS überzieht komplett, wenn er auf der Grundlage Ende Gelände als gewaltbereite Extremisten definiert. Ich bin mir auch nicht sicher, ob er das tut, er kritisiert das Verhalten (zurecht), aber die Grundlage für die Einstufung als Verdachtsfall scheint mir eher der Kampf für einen "Systemwandel" zu sein, und da liegt David Werdermann m.E. richtig: "Das Grundgesetz sei wirtschaftspolitisch neutral, zur demokratischen Grundordnung gehöre nur der absolute Kern der Verfassung."

      Was als ziviler Ungehorsam noch legitim, wenn auch teilweise strafbewehrt ist, ist Aushandlungssache, und da werden die Räume gerade sehr, sehr eng gemacht. Zu Unrecht, wie ich finde.

  • Der Verfassungsschutz macht anscheinend genau das, was das Innenministerium als Prüfungsergenis gerne hätte,. Das Innenministerium, also die jeweilige Regierung, ist gegenüber dem Verfassungsschutz weisungsbefugt.

  • Der Verfassungsschutz wird seinem Namen nach häufig missverstanden. Er ist tatsächlich dazu da, die Gesellschaft vor der Verfassung zu schützen.

  • …anschließe mich - Schlapphüte bleiben Aldehyde! Gelle

    “Oberhalb einer bestimmten Konzentration werden derartige Carbonylverbindungen allerdings oft als ranzig, fischig, metallisch oder als kartonartige Aromen bewertet und verursachen insgesamt einen - Altgeschmack.“ Eben!



    Wohl wahr! - 🙀🥳🤧 - Newahr!



    Normal Schonn •

    unterm——servíce



    de.wikipedia.org/wiki/Aldehyde

  • Die Tendenz, Umweltorganisationen zu kriminalisieren, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Verfassungsschutz wird zum Kampfinstrument gegen Kritiker staatlicher Maßnahmen bzw. Nichttätigkeit gemacht. Die Ampel wird zunehmend autoritärer.

    • @Rolf B.:

      …fein gesagt - ja in der Gruppe Gehlen - sei hier mal gerade - auch schon nazi-Sozial-Krade

      unterm——servíce —-



      Mit „Nümaat“ ist der Kölner Neumarkt gemeint. Mit „Krat“, „Kraat“ oder „Krad“ bezeichnet der Kölner eine Kröte. Der Nümmaatskraat ist ein Mensch, der sich (bevorzugt am Neumarkt) herumtreibt um zwielichtigen Geschäften nachzugehen.“ Paschd scho



      & Däh / Spitzköpfe



      Und schon war der Streit um das kölsche Wort Krade entbrannt. Das Kölsch-Lexikon der Akademie för uns kölsche Sproch übersetzt „Kradepack“ kurz und knapp mit „Pöbel“. Im „Wrede“ (das renommierte Kölsch-Lexikon) ist Krad auch ein Schimpfwort.“🤬



      Na letzteres - wobeis wobeis: “du bist mir jan lecker Arschloch“ 👨🏼‍⚖️ - 🧑‍⚖️ rechtlich umstritten ist!;))



      Normal Schonn

  • Tatsächlich nicht nachvollziehbar.

  • Wer kontrolliert eigentlich den Verfassungsschutz?

    • @Sonnenhaus:

      Der Verfassungsschutz "kontrolliert" sich wohl selbst.

      „Ziviler Ungehorsam wird zur heiligen Pflicht, wenn der Staat den Boden des Rechts verlassen hat.“ - Historische Vorläufer dieser Maxime lassen sich bis in die Spätantike, so zum Beispiel bei Augustinus von Hippo, zurückverfolgen.

      Dass das Bundesverfassungsgericht 2021 das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung (2021 war das noch die GroKo) als in Teilen verfassungswidrig erklärt und damit den Klimaschutz in Deutschland gestärkt hat, haben viele Politiker und auch die 'Leute vom Verfassungsschutz' wohl immer noch nicht mitbekommen. Anstatt da endlich mal den Hebel anzusetzen und für Klimaschutz in Deutschland zu sorgen, stempelt man Klimaschützer lieber zu Linksextremisten, Schwerkriminellen und Terroristen ab.

      Der CO2-Gehalt steigt immer mehr an und ist ein wesentlicher Auslöser der Erderwärmung. Wir haben jetzt schon 420 ppm CO2 in der Atmosphäre, und das CO2 steigt und steigt. Aber der "Schornstein" des klimaschädlichen Wirtschaftswachstum soll weiter "rauchen", und damit der "Schornstein" weiterrauchen kann, muss man die Klimaschützer 'mundtot' machen.

      "Linksextreme Klimaschützer". Stempel drauf und damit hat sich's.

  • Carola Rackete: „Der Verfassungsschutz ist aber nicht dazu da, die Profite von Konzernen abzusichern.“

    Und der Verfassungsschutz ist auch nicht dafür da, das Anliegen des Umweltschutzes als "extremistisch" zu diffamieren.

    Wenn überhaupt, soll er sich um die menschenfeindlichen Gruppen kümmern, die sich zu 99% im rechten politischen Spektrum tummeln.

    • @Uns Uwe:

      Nein der Verfassungsschutz ist dazu da, die Verfassung zu schützen. Und das was Ende Gelände macht verstößt gegen die Verfassung und ist organisiert.



      Ergo ein Fall für den Verfassungsschutz!

      • @Walterismus:

        Und was genau verstößt wie gegen die Verfassung? (ich weiß es wirklich nicht)

      • @Walterismus:

        Aha? Interessant.



        Ende Gelände fordert ja erstmal nur einen systemischen Wandel hin zu einer postkapitalistischen Gesellschaft. Das verstößt nicht gegen die Verfassung (das GG schreibt keine Wirtschaftsform vor, auch wenn ich als Anarchist durchaus der Meinung bin, dass Staat und Kapitalismus gleichzeitig fallen müssen).



        Ergo kein Fall für den Verfassungsschutz. Außer dieser wäre dazu da, die herrschenden (Eigentums-) Verhältnisse zu schützen ;)

        • @Piratenpunk:

          Naja, es gibt halt auch ein Recht auf Eigentum in unserer Verfassung.

          • @Tom Tailor:

            Schon richtig. Darum heißt es in Art.



            14 Abs. 2 GG: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." In Abs. 3 spricht das GG sogar von der Möglichkeit der Enteignung.

            • @hinnerk untiedt:

              Von diesem Recht macht der Staat ja auch hin und wieder Gebrauch. Wobei "Enteignung" nicht mit "entschädigungsloser Enteignung" gleichzusetzen ist.

      • @Walterismus:

        Es verstößt möglicherweise gegen Gesetze, aber nicht gegen die Verfassung. Und auch Verstöße gegen die Verfassung machen einen noch nicht zum Verfassungsfeind. Verfassungsfeind ist, wer die freiheitlich demokratische Grundordnung abschaffen möchte. Die Privilegien des Bergrechts gehören nicht dazu.

      • @Walterismus:

        Gegen welchen Artikel des Grundgesetz verstößt denn "Ziviler Ungehorsam" ?