Mord an Lehrer in Frankreich: Neun Personen in Gewahrsam
Ein Mann wird auf offener Straße ermordet, die Polizei nimmt Familienangehörige des mutmaßlichen Täters fest. Macron spricht von islamistischem Terror.
Berichten zufolge soll es sich bei den Festgenommenen um Mitglieder der Familie des mutmaßlichen Täters sowie andere Personen handeln. Damit sind derzeit neun Menschen in Polizeigewahrsam, darunter ein Minderjähriger.
Im Verlauf des Freitagabends war bekannt geworden, dass es sich bei dem mutmaßlichen Mörder um einen 2002 in Moskau geborenen Tschetschenen handle, der der Polizei nicht wegen einer islamistischen Radikalisierung, sondern kleinerer Delikte bekannt war.
Die Kriminalpolizei in Eragny-sur-Oise im Nordwesten der französischen Hauptstadt hatte am Freitag gegen 17 Uhr auf der Straße einen Mann mit einem blutigen Küchenmesser entdeckt. Nach einer kurzen Verfolgungsjagd stellte sie ihn. Auf die Aufforderung der Polizei hin, seine Waffe auf den Boden zu legen, habe der Mann aggressiv reagiert und die Beamten mit einer Pistole bedroht. Diese hätten ihn daraufhin niedergeschossen. Kurz darauf wurde er für tot erklärt.
Nicht weit entfernt davon, vor der Mittelschule von Conflans-Sainte-Honorine, machten die Polizisten einen grausamen Fund: Am Boden die Leiche eines enthaupteten Mannes. Das Opfer der Bluttat, der 47-jährige Samuel P., war Geschichtslehrer in der Schule neben dem Tatort. Er soll kürzlich in seinem Unterricht eine Debatte zum Thema Presse- und Meinungsfreiheit organisiert und darin die umstrittenen Mohammed-Karikaturen aus der Satirezeitung Charlie Hebdo gezeigt haben. Im Januar 2015 hatten die Brüder Kouachi diese Zeichungen zum Anlass genommen, die Redaktion von Charlie Hebdo zu attackieren und dort elf Menschen und auf der Flucht noch einen Polizisten zu töten.
Messerangriff auf ehemalige Hebdo-Redaktion im September
Präsident Emmanuel Macron hatte sich am Abend zum Tatort aufgemacht, in einer kurzen Erklärung aber keine Details zur Tat genannt. Es wurde erwartet, dass sich die Ermittler im Laufe des Samstags äußern. Die Anti-Terror-Fahnder der Staatsanwaltschaft hatten die Ermittlungen übernommen – Macron sprach von einem islamistischen Terrorakt.
Laut Schulleitung habe der Geschichtslehrer den Muslimen in seiner Klasse angeboten, dass sie den Raum verlassen könnten, wenn sie von den Karikaturen schockiert seien. In den Tagen darauf hätten sich Eltern über den Unterrichtsinhalt beschwert und die Versetzung des Mannes gefordert. Der Vorfall wurde zum Gesprächsthema in der Stadt. Wegen Drohungen soll der Lehrer Anzeige erstattet haben. Nach einer Aussprache innerhalb der Schule schien sich die Lage zuletzt beruhigt zu haben.
Der 18-jährige mutmaßliche Täter soll laut französischem Fernsehen ein Bild, das ihn mit dem Kopf seines Opfers zeigt, auf Twitter gepostet haben. Bevor er von der Polizei niedergeschossen wurde, habe er „Allahu akbar“ („Gott ist groß“) gerufen.
Ein weiteres Mal stehen die Mohammed-Karikaturen der Satirezeitung Charlie Hebdo im Mittelpunkt des Schreckens. Erst vor wenigen Wochen, am Tag des Prozessauftaktes gegen die Komplizen der Terroristen von 2015, hatte ein junger Pakistaners vor dem ehemaligen Büro der Zeitung zwei Angestellte einer Produktionsfirma mit einem Fleischerbeil schwer verletzt. Er soll nicht gewusst haben, dass die Charlie Hebdo-Redaktion längst umgezogen war. Der Mann wurde noch am selben Tag festgenommen.
Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer drückte noch am Abend seine Solidarität mit den Lehrern und Lehrerinnen Frankreichs aus: „Die Republik ist mit dieser niederträchtigen Ermordung eines Staatsdieners, eines Lehrers, attackiert worden. Unsere unerschütterliche Einheit ist die einzige Antwort auf den monströsen islamistischen Terror.“
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