Mögliches Verbot der Partei: Es würde die AfD nur stärken
Ein Verbotsverfahren gegen die AfD wäre unklug. Sie könnte sich jahrelang als Opfer inszenieren.
D ie AfD hat den Rechtsextremisten Maximilian Krah zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gekürt. Das ist eine Wegmarke auf dem Weg der Partei in den Rechtsradikalismus. Denn Krah ist mehr als ein wütender Rechtskonservativer, der sich nach einer Republik ohne Moscheen, Genderbeauftragte und Windräder sehnt. Er ist ein schneidiger Antidemokrat. Zu seinen Feindbildern zählt, neben MigrantInnen, der „Machtanspruch“ des westlichen Universalismus. Die Verachtung der universellen Menschenrechte ist seit jeher Kennzeichen rechtsradikaler Politik, die alles der völkisch definierten Nation unterordnet.
Glaubt man dem gemäßigten AfD-Abgeordneten Norbert Kleinwächter, dann zielen Krahs Ideen letztlich auf einen „brutalen Führer- und Gewaltstaat“. Das aggressive Antidemokratische ist in diesem Ausmaß für die AfD neu. Muss man also versuchen, diese Partei zu verbieten? Zweimal Nein. Es wäre zunächst einmal wenig nützlich. Ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht dauert Monate, eher Jahre.
Das würde der AfD die Chance eröffnen, sich 2024 bei den Landtagswahlen und 2025 bei der Bundestagswahl in ihrer Lieblingsrolle zu präsentieren: als einsame Künder der Wahrheit und als von Unterdrückung bedrohtes Superopfer. Die Opferrolle, das aggressiv aufgeladene Gefühl, zu kurz zu kommen, ist ein Rohstoff rechtsextremer Politik. Mit einem Verbotsverfahren würde man das Munitionsdepot der AfD-Propaganda auffüllen. Zudem hat die Beobachtung durch den Verfassungsschutz die Partei bislang nicht geschwächt. Auf Parteitagen brüstet man sich sogar mit der Rebellenrolle.
Zweitens: Ein Parteienverbot ist in einem liberalen Rechtsstaat eigentlich ein Fremdkörper, der eher in den Instrumentenkasten autoritärer Regime gehört. Die Wahl ist die Herzkammer der parlamentarischen Demokratie. Ein Ausschluss von der Wahl ist ein Mittel, das, wenn überhaupt, nur im äußersten Notfall angewandt werden darf. Für ein Parteienverbot gibt es daher zu Recht sehr hohe Hürden: Eine Partei muss demnach „kämpferisch“ und „wirksam“ die freiheitliche Demokratie zerstören wollen.
Keine geschlossen rechtsextreme Partei
Auf Parteitagen verfassungsfeindliche Ideen zu vertreten, reicht nicht aus. Die AfD ist aber, anders als es die NPD war, keine geschlossen rechtsextreme Partei, auch wenn sie auf dem Weg dorthin zu sein scheint. Kurzum: Ein Verbotsverfahren wäre doppelt falsch. Es würde wahrscheinlich, zum Jubel der Rechtsextremen, scheitern. Wäre es erfolgreich, hätte die hiesige Demokratie einen Makel.
Es ist vielleicht eine Besonderheit der bundesdeutschen Konsensdemokratie, politisch komplizierte Fragen gern rechtlich lösen zu lassen. Die Antwort auf die AfD muss aber politisch sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu