Kritik an Titelzeile der „Brigitte“: Mehr ist mehr
Das Cover der Zeitschrift „Brigitte“ ruft zum Abnehmen auf: „Weniger ist mehr.“ Eine Influencerin kritisiert den Diät-Wahn – und erhält viel Zuspruch.
Es ist wieder Januar. Die Zeit der guten Vorsätze, die Zeit des „In diesem Jahr wird alles anders“, die Zeit der Detox-Shakes, der Fitnessprogramme, der Kalorienzähl-Apps und der Selbstzweifel: Wenn alle anderen abnehmen, muss ich das vielleicht auch?
Im Jahr 2022 titelt das Frauenmagazin Brigitte: „Weniger ist mehr“. Gesund abnehmen soll Frau mit dem Balance-Konzept. Autorin und Körperaktivistin Melodie Michelberger postete ein Foto des Magazincovers bei Instagram mit den Worten „Diet Culture Bullshit Season – Wir sind mehr als unsere Körper!“. Darunter schrieb sie: „Liebes @BrigitteMagazin, das ganze Jahr wollt ihr uns empowern, schreibt von Feminismus und ‚starken Frauen‘ und dann haut ihr einen so problematischen Titel raus? Warum signalisiert ihr Frauen IMMER NOCH, dass sie WENIGER sein sollen? Warum wird weniger Gewicht angepriesen, als wäre es die neue It-Bag?“. Der Post erreichte über 5.000 Likes binnen eines Tages.
Der Schönheitsdruck des Schlankheitsideals
Frauen sollen weniger sein. Sie sollen nicht zu laut sein, nicht zu viel Raum einnehmen, bloß nichts fordern und erst recht nicht zu viele Gefühle zeigen. Je kleiner und dünner der Körper, desto besser passt er in die Ideal-Schablone der schönen, unemanzipierten Frau. „‚Weniger ist mehr‘ ist eine Lüge. Denn wir wollen doch mehr! Mehr Rechte, mehr Geld, mehr gute Gefühle für unseren Körper und mehr Themen, die Frauen wirklich interessieren“, sagt Michelberger der taz. Der Schlankheitswahn reduziere Frauen weiterhin auf ihr Gewicht und ihr Aussehen und befüttere das Narrativ Schönsein heißt Schlanksein. Die Brigitte habe auch in diesem Jahr die Chance verpasst, Frauen zu bestärken und sie stattdessen zum Hungern aufgerufen.
Michelberger, die sich selbst als „dick-fett“ bezeichnet, setzt sich für Akzeptanz verschiedener Körperformen ein. In ihrem Buch „Body Politics“ beschreibt sie den Schönheitsdruck des Schlankheitsideals, dem vor allem Frauen ausgesetzt sind. Früher hat sie selbst als Moderedakteurin für Magazine wie Brigitte gearbeitet und der Industrie vor einigen Jahren den Rücken gekehrt. „Es ist nun zwanzig Jahre her, dass ich bei Brigitte gearbeitet habe. 20 Jahre, in denen der Feminismus viel verändert hat. Die Cover der Brigitte scheinbar nicht“, sagt Michelberger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein