Kritik an TU-Präsidentin Geraldine Rauch: Maßlose Debatte
Wegen ein paar Social-Media-Likes ist die Präsidentin der Berliner TU in Kritik geraten. Dahinter stecken vor allem rückwärtsgewandte Akteure.
W enn diese Woche der Akademische Senat der TU Berlin über die Zukunft von Präsidentin Geraldine Rauch berät, lastet enormer medialer Druck auf dem Gremium: Von Springer („Skandal-Professorin“) bis in die taz („ungeeignet“) überschlagen sich die Rücktrittsforderungen, in den sozialen Medien wird die Mathematikerin als „woke-linke Antisemitin“ oder „Universitätsschande“ gebrandmarkt. Getoppt wird das alles von einem Poster an der TU, das Rauch neben Hitler zeigt, Überschrift „Adi & Geri – Brüderchen & Schwesterchen“.
In der Politik fährt besonders die Berliner CDU einen Frontalangriff auf die Präsidentin, seit bekannt ist, dass diese privat drei Tweets geliket hat, von denen einer bei genauem Hinweisen zweifelsohne ein antisemitisches Motiv zeigt. Sie wisse nicht, „welche Entgleisungen denn sonst rücktrittswürdig“ wären, so das reichlich absurde Statement der Berliner CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein. Auch der Kultursenator und der Regierende Bürgermeister haben sich entsprechend, wenn auch etwas verschwiemelter, geäußert.
Diese Debatte – wenn man sie so bezeichnen will – lässt jegliches Maß vermissen. Denn mit ihrer Entschuldigung hat Rauch die nötige Reflexion bereits geliefert und all jenen mit tatsächlich antisemitischer Geisteshaltung ein klares Signal gegeben. Zwei weitere Posts, in denen unter anderem der Begriff „Völkermord“ verwendet wird, stuft der TU-Antisemitismusbeauftragte Uffa Jensen im Übrigen als „nicht per se antisemitisch“ ein.
Eine Kampagne mit Ansage
Aber die Kampagne gegen Rauch hat gleich mehrere Vorgeschichten. So attackiert etwa der Zentralrat der Juden den erst kürzlich vom TU-Präsidium ernannten Jensen, weil der die IHRA-Antisemitismus-Definition ablehnt, die Israelkritik und Antisemitismus nicht klar trennt.
Wirklich allzu offensichtlich ist jedoch, wie Rechte sich jetzt an der Personalie Rauch gesundstoßen wollen. Die ist nicht nur jung und links, sie hat es auch gewagt, das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ anzugreifen, das Gendern verteufelt und „Cancel Culture“ beklagt. Jetzt wollen manche offenbar zurückcanceln. Bleibt zu hoffen, dass das nicht gelingt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient