Kritik am Koalitionsvertrag: „Diese Klimapolitik wird Autokraten stärken“
Union und SPD wollen neue Gaskraftwerke und raus aus dem Heizungsgesetz. Das finden viele falsch. Bundesweit sind für Freitag 50 Proteste angekündigt.

„Wer jetzt im großen Stil neue fossile Infrastruktur ausbaut und fördert, sorgt dafür, dass wir uns in neue fossile Abhängigkeiten begeben und Autokraten stärken“, warnte die Aktivistin. Das formale Bekenntnis der Koalition zum EU-Klimaziel 2040 reiche nicht aus, um das Pariser Abkommen einzuhalten.
Besonders scharf greift Rittmann die Absicht an, das Gebäudeenergiegesetz – umgangssprachlich: Heizungsgesetz – abzuschaffen. „In einer Phase politischer Unsicherheit ein Gesetz zu kippen, das Planungssicherheit gegeben hat, ist gefährlich – für den Klimaschutz wie auch für das Vertrauen in die Politik.“ Der Schritt sei „an Absurdität nicht zu überbieten“, findet die Klimaaktivistin und erinnert daran: Der erste Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes stammte von CDU-Politiker Peter Altmaier, und große Teile der Wirtschaft befürworten ihn.
Marktkräfte werden entfesselt
Auch Greenpeace kritisiert die neue Koalition: Diese wolle „die Marktkräfte entfesseln, die in den letzten Jahrzehnten Klima und Natur zerstört haben“. Effizienz und Klimagerechtigkeit gerieten in vielen Bereichen aus dem Blick, erklärte Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand. Es sei „zukunftsvergessen“, Superreiche nicht für die Finanzierung eines modernen Gemeinwesens in Verantwortung zu nehmen. „Mit der Ablehnung einer ökologisch orientierten Milliardärssteuer ignoriert die neue Koalition die Chance, unsere Gesellschaft gerechter zu gestalten.“
Umwelt- und Entwicklungsorganisationen äußern sich ebenfalls besorgt. Germanwatch lobt zwar das Fortbestehen des Entwicklungsministeriums. Allerdings entsprächen die geplanten Kürzungen der Klima- und Entwicklungsgelder nicht dem Anspruch, internationale Kooperation und Krisenbewältigung zu stärken, kritisiert Bereichsleiter Christoph Bals. „Das wäre vor dem Hintergrund der geopolitischen Herausforderungen und dem Wegfall der USA in der internationalen Entwicklungsfinanzierung eine Kapitulation vor Trump.“
Ähnlich sieht das Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam: „Eine der Folgen dürfte sein, dass die international viel beachtete Zusage Deutschlands nicht eingehalten werden kann, die einkommensschwachen Länder mit jährlich mindestens 6 Milliarden Euro bei der Bewältigung der Klimakrise zu unterstützen. Der Schaden für die Klimadiplomatie wäre immens.“
Blank bei Lieferketten und Biodiversität
Die Koalition plant zudem, das deutsche Lieferkettengesetz abzuschaffen. Für einen Übergangszeitraum sollen Verstöße nicht mehr sanktioniert werden. Germanwatch stuft das als „hochproblematisch“ ein. „Das wäre ein rechtlich fragwürdiger Schritt, der die Achtung der Menschenrechte in den Partnerländern der Handelsnation Deutschland gefährdet“, sagte Cornelia Heydenreich, die den Bereich Unternehmensverantwortung leitet. Stattdessen bekenne sich die künftige Koalition dazu, die weniger ambitionierten EU-Regeln zu Lieferketten in deutsches Recht zu übernehmen.
Der WWF kritisiert den mangelnden Artenschutz im Dokument. „Die angekündigte ‚Praxistauglichkeit‘ bei der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie mag gut klingen, lässt im Hinblick auf ambitioniertes Handeln aber nichts Gutes vermuten“, fürchtet Matthias Meißner, Leiter für Politik und Biodiversität bei der NGO. Die EU-Verordnung zur Renaturierung sei keine Option, sondern Verpflichtung.
Union und SPD müssten beim Klima- und Naturschutz dringend nachbessern, fordert Greenpeace-Chef Kaiser: „Das ist im Interesse der nächsten Generationen und wäre eine starke Antwort auf Trump und Putin.“
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