Krankenkassen-Malus für Ungeimpfte: Populistisch und unethisch

Bayerns Gesundheitsminister Holetschek will, dass Ungeimpfte mehr für das Gesundheitssystem zahlen. Das würde zu konformem Verhalten erziehen.

Gesundheitsminister Klaus Holetschek bei einer Impfung.

Der Bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (re.) möchte Ungeimpfte blechen lassen Foto: Sammy Minkoff/imago

Auf den ersten Blick mag der Versuch ja einleuchten, dem Frust derjenigen zu begegnen, die zum Wohle aller seit Monaten Verzicht üben. Wer noch immer stur und realitätsfern auf seinem Recht beharrt, sich nicht impfen zu lassen, und damit die Allgemeinheit gefährdet und Krankenstationen verstopft, der soll dann auch für die Mehrkosten aufkommen, könnte man meinen.

Bayerns CSU-Gesundheitsminister Klaus Holetschek, derzeit auch Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz, bringt stammtischwirksam höhere Krankenkassenbeiträge für Ungeimpfte, eine Beteiligung an den Behandlungskosten und die Streichung des Krankengelds ins Spiel. Holetscheks Botschaft: Die Strapazierfähigkeit der Solidargemeinschaft hat Grenzen.

Mal abgesehen davon, dass die derzeit rasant verbreitende Omikron-Variante gegenüber den zugelassenen Impfstoffen widerstandsfähiger reagiert, ist der Vorschlag praktisch schwer umzusetzen: Welches Gremium soll künftig auf welcher Grundlage entscheiden, wie hoch der Zusatzbeitrag eines Ungeimpften, einer Raucherin oder einer Extremsportlerin sein soll? Denn sie alle belasten durch ihren Lebenswandel das Gesundheitssystem potenziell mehr als der durchgeimpfte Bürger daheim vor dem Fernseher. Zudem würde diese perfide Spielart einer Impfpflicht die Widerspenstigkeit der meisten Impf­geg­ne­r:in­nen nicht brechen.

Holetscheks Vorschlag ist aber nicht nur unpraktikabel, kontraproduktiv und populistisch: Er ist zudem unethisch. Mit solchen Maßnahmen würde man sich eine Gesellschaft wie im autoritären China erziehen, in der man für konformes Verhalten Punkte zugeteilt oder abgezogen bekommt. In der jeder den anderen misstrauisch beäugt, kontrolliert und bei Bedarf denunziert.

Was die Solidargemeinschaft wirklich belastet, sind Vorschläge, die die Schuld an zu wenig Intensivbetten, knappem Pflegepersonal und explodierenden Kosten für Krankenhäuser auf Einzelne umwälzen wollen, anstatt als Gesundheitsminister, der an den Gegebenheiten etwas ändern könnte, die Verantwortung selbst zu übernehmen.

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