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Kopftuchstreit in SpanienGlaube und Feminismus

In einem Madrider Vorort demonstrieren Schüler und Studierende für das Recht, einen Hidschab zu tragen. Sie werfen dem Staat Rassismus vor.

Streik gegen Kopftuchverbot mit der Forderung: „Zwinge mich nicht, zwischen meinem Glauben und der Bildung entscheiden zu müssen“ Foto: Reiner Wandler
Inhaltsverzeichnis

Madrid taz | Was ist Laizismus an einer Schule? Darüber wird an drei Oberschulen im spanischen Ort Parla, der Nicolás Copérnico, der Humanejos und der Narcís Monturiol, derzeit gestritten. Ende Februar beteiligten sich mehrere Dutzend Schülerinnen an einem Streik an den drei Schulen im Vorort 30 Autominuten südlich der Hauptstadt Madrid.

Sie gingen auf die Straße, um das Tragen des islamischen Kopftuchs, des Hidschabs, zu verteidigen. An zwei der drei Oberschulen ist jedwede Kopfbedeckung, egal ob Mütze oder Kopftuch, im Unterricht strikt verboten, an der dritten wird eine solche Regelung diskutiert.

„Unser Kopftuch stört niemanden, eure Islamfeindlichkeit schon“ und „Mein Körper, meine Entscheidung“ lauten zwei der Parolen, die die jungen Frauen, meist mit Migrationshintergrund und mehrheitlich mit Kopftuch, immer wieder skandierten. Streik und Marsch, an dem auch religiös korrekt gekleidete Mütter teilnahmen, war von der linken spanischen Studentengewerkschaft organisiert worden. Es gehe um die Rechte der Immigrantinnen, geben sie dem ganzen im Vorfeld des Internationalen Frauentags eine feministische Begründung.

„Für uns besteht der Laizismus darin, dass die Religion Privatangelegenheit ist. Die Schule kann das nicht verbieten. Genauso wie jemand mit einem Kreuz an einer Halskette in den Unterricht kann, können sie unseren muslimischen Mitschülerinnen nicht verbieten, mit Hidschab in die Schule zu gehen“, sagt Celia Del Barrio, Sprecherin der Studentengewerkschaft, die an ihrer Tasche neben allerlei linker Symbole einen Batch mit der Aufschrift „Zionismus ist Todeskult“ trägt.

Unverständnis auf beiden Seiten

Für die junge Frau, die gemeinsam mit zwei komplett schwarz gekleideten Frauen mit eng anliegendem schwarzen Kopftuch, das kein bisschen Haar freilässt, die Demo per Megafon animiert, ist das Verbot „als Laizismus getarnter Rassismus“. „Jede hat das Recht sich zu kleiden, wie sie will. Das Bildungsgesetz erlaubt es nicht, die Meinungs- und Religionsfreiheit einzuschränken“, fügt Del Barrio hinzu.

In den betroffenen Schulen freilich sehen sie das anders. Der Streik sei „ein direkter Angriff auf die Unabhängigkeit und auf den laizistischen Charakter unseres Bildungsprojekts“, heißt es in einem Kommuniqué des Direktors der Nicolás-Copérnico-Schule, an der die Mobilisierung den größten Zulauf hat. Auf die Copérnico gehen viele Schüler und Schülerinnen mit marokkanischem Migrationshintergrund. Es habe vor dem Streikaufruf nie Beschwerden über das Kopftuchverbot gegeben, erklärt ein Lehrer, der im Schulrat sitzt und nicht mit Namen genannt werden will, „um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen“. Für ihn ist es ein künstlicher Konflikt. Die Haltung der linken Studentengewerkschaft kann er nicht verstehen.

Die Copérnico ist überall in der Region für ihren laizistischen Bildungsansatz – alle integrieren – bekannt. Hier gibt es zu Weihnachten keine Krippe und auch nicht die sonst übliche Dekoration. Die Religionslehrer dürfen die Schule nur in „zivil“ betreten. So wurde zwei Nonnen der Zutritt im typischen Gewand verwehrt. Laut Bildungsgesetz können die Schulen über solche Fragen entscheiden. Den christlichen Religionsunterricht allerdings können die Schulleitungen nicht abschaffen, er ist gesetzlich vorgeschrieben.

Der Schulleiterverband stellt sich hinter die drei Schulen in Parla. Der Streik sei „eine Kampagne, um eine gereizte Stimmung zu erzeugen“ und Probleme zu schaffen, wo es bisher keine gab. Alles begann damit, dass an der Oberschule Narcís Monturiol, die bisher das Tragen des Kopftuchs zulässt, zwei junge Frauen im Burka auftauchten. Es waren kaum die Augen zu sehen, selbst die Hände waren mit Handschuhen bedeckt. Das war der Grund dafür, dass jetzt auch dort über ein Verbot jedweder Kopfbedeckung nachgedacht wird. Hinter vorgehaltener Hand ist davon die Rede, dass alles damit begann, dass die Moschee in Parla einen neuen Iman bekam. Der sei radikaler als der alte.

Debatte geht weiter

An Druck durch den Imam glaubt die Sprecherin der Studentengewerkschaft Del Barrio nicht. Das Tragen eines Kopftuchs oder nicht sei eine „individuelle Entscheidung“. Schließlich wären beim Streik auch Mädchen ohne Hidschab dabei, „um das Recht ihrer Schwestern zu tragen zu verteidigen“. Die öffentlichen Schulen müssten „das Recht auf Bildung verteidigen – egal welcher Rasse oder Religion jemand angehört“, fordert sie etwas, was niemand wirklich infrage stellt.

Zwei Tage nach dem Streik meldete sich die auch ins deutsche übersetzte marokkanischstämmige Schriftstellerin Najat El Hachmi in einer Kolumne in der größten spanischen Tageszeitung El País zu Wort. „Keine Frau wacht eines Morgens auf und beschließt, nie wieder mit unbedecktem Kopf auszugehen und ihren männlichen Begleitern kein einziges Haar zu zeigen“, schreibt die in Spanien aufgewachsene Schriftstellerin.

„Sie fordern das Tragen des vorgeschriebenen Schleiers, eines fundamentalistischen Schleiers, auch wenn die Trägerinnen sich dessen nicht bewusst sind, legitimieren sie einen frauenfeindlichen patriarchalischen Zwang, dessen Ziel es ist, dass wir mit diesem Zeichen, diesem mobilen Gefängnis, durch die Welt gehen“, richtet sie sich an die Studentengewerkschaft, die ihren Kopftuchstreit als feministisch darzustellen versucht.

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45 Kommentare

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  • Im Grunde hat Nour Khelifi 2022 in der "Zeit" das ganze Dilemma bezüglich des Kopftuches auf den Punkt gebracht:

    "Kopftuchzwang, Kopftuchverbot – beides unterdrückt Frauen"

    www.zeit.de/zett/p...ste-kopftuchverbot

  • Mich würde die Meinung von iranischen Frauen zum Thema „religiös korrekt gekleidet“ interessieren. Die Bezeichnung ist auch sehr anmaßend gegenüber allen Muslima die kein Kopftuch tragen.

    • @Mendou:

      Die iranischen Frauen sind da auch nicht einer Meinung - auch wenn man hier gerne nur die säkulare Hälfte der iranischen Gesellschaft zur Kenntnis nimmt und daher die Tragödie dieses Landes nicht versteht.

  • Ich würde auch diese Diskussion darauf herunterbrechen, dass der Hauptgrund für Gegner der Verschleierung fehlendes Vertrauen in Staat/Institutionen und Gesellschaft ist. Fehlendes Vertrauen darin, dass für jetzt und immer sichergestellt ist auch ohne Kopftuch, man selber oder wer anders, unterwegs sein zu können ohne belästigt zu werden. Denn ich schätze das Gros der Leute schon so ein, dass es ihnen eigentlich, auch wenn sie sich darüber teilweise aufregen, egal ist wie jemand rumläuft.

    • @FancyBeard:

      Wenn Sie religiös denken, tragen Sie kein Kopftuch, um nicht belästigt zu werden.

      Dann steht für Sie die Religion im Vordergrund.

      Außerdem werden Sie hier auch mit Kopftuch "belästigt ".

      Dann eher politisch als sexuell.

  • Dann aber bitte konsequent, und zumindest im Sommer jedwede Kleidung verbieten, die nicht ausschließlich dem Wärmen dient, denn laut Bibel ist doch auch die Scham vor unseren nackten Körpern auch erst im Garten Eden entdeckt und just mit Feigenblättern verdeckt. Oder sind religiös motivierte Kleiderordnungen vielleicht doch so tief in uns allen indoktriniert, dass man uns kaum noch einen Vorwurf daraus machen kann, wenn wir uns daran halten? Die weibliche Brust scheint in diversen Indigenen Völkern keine sexuelle Rolle zu spielen und ihre Bedeckung nicht ausschließlich, aber in großen Teilen ein Relikt der großen monotheistischen Religionen. Wenn wir dem Islam mit Feminismus kommen wollen, sollten wir uns doch zumindest vorher selbst von Moral getriebenen Kleiderzwängen befreien.

  • Das eigentliche Problem dabei ist doch, dass hier einzig über die Kopfbedeckung bei islamischen Frauen gesprochen wird. Das es die Pflicht zur Bedeckung des Kopfes von Frauen auch in den orthodoxen Kirchen Osteuropas und bei den Haredim (ultraorthodoxen Auslegung im Judentum) gibt, sollten wir vielleicht den patriachalen Ansatz in allen abrahamitischen Religionen kritisieren. Wenn diese Praxis nur in einer Religion kritisiert und eingeschränkt , in den Anderen aber stillschweigend toleriert wird, dann ist da immer Rassismus mit dabei.

    • @Erwin1.:

      Das stimmt nicht, was Sie über die "orthodoxen Kirchen Osteuropas" schreiben! Das ist ein typische Missverständnis, aus dem dann Leute ableiten, es müsse sich um eine besonders streng gelebte Form des Christentums handeln. Es gibt keinen Zwang zum Kopftuch in den Kirchen der osteuropäischen "orthodoxen Christen" , lediglich innerhalb der Kirchen können Sie /manchmal) Frauen sehen, die diese tragen .



      Ich kenne keine einzige Russin, Ukrainerin, Serbin, Bulgarin oder Rumänin (...) die Kopftuch tragen würde! Keine! In all diesen (ex kommunistischen!) Ländern ist das "orthodoxe" Christentum die häufigste Religion bzw. Konfession! Die einzigen Frauen in diesen Ländern mit Kopftuch im öffentlichen u. speziell urbanem Raum sind muslimische Minderheiten !



      Falls Sie selbst nie in einem dieser Länder waren, schauen Sie sich um : wie viele Ukrainerinnen haben Sie getroffen, die Kopftuch tragen? Wie viele Immigrantinnen aus Russland oder Serbien kennen Sie mit Kopftuch ?



      Bildung schadet nicht, Kontakte zu EinwanderInnen auch nicht ;)



      Im Englischen gibt es zur Unterscheidung zwei Begriffe, "orthodox" und "eastern orthodox" . Es wird Zeit im Deutschen neue Begriffe zu finden!



      Mit Grüßen

    • @Erwin1.:

      Tut das Gesetz in der spanischen Schule doch.

      Es gilt auch für jüdische oder atheistische Frauen.

      Es sind offenbar nur die Musliminnen, die sich beschweren.

      Das "eigentliche Problem " gibt es anscheinend gar nicht.

    • @Erwin1.:

      Da bin ich ganz bei ihnen.



      Zudem muss ich sagen ist für mich als Frau Feminismus nicht das ich ein Verbot durch ein anderes ersetze, also die Pflicht eine Kopfbedeckung zu tragen mit der Pflicht keine zu tragen. Ziel ist doch eigentlich, dass jede Frau ein selbstbestimmtes Leben führt und ich frage mich ob man nicht selbst in patriarchalische Strukturen verfällt, wenn man jeder muslimischen Frau per se eine eigene Meinung oder Entscheidung zu diesem Thema von vornherein aberkennt! Der Islam ist genauso wenig ein Monolith wie das Christentum und das Judentum, es gibt auch dort verschiedene Strömungen die mal mehr mal weniger konservativ sind, ja und wie in vielen Religionen auch radikal sein kann.

  • Man muss sich bei der Kopftuchdebatte ehrlich machen:

    Das Kopftuch bei muslimischen Frauen ist NICHT in erster Linie ein religiöses Symbol wie etwa eine Halskette mit Kruzifix oder mit Davidsstern. Das islamische Äquivalent dazu wäre eher eine Kette mit Halbmond als ein Kopftuch.

    Und das muslimische Kopftuch dient auch nicht dem Schutz der Haare vor Wind und Wetter, wie seinerzeit bei Grace Kelly im Cabriolet oder wie bei manchen deutschen Bäuerinnen während der Feldarbeit.

    Worum es hingegen beim muslimischen Kopftuch geht, hat Deniz Baspinar 2011 in der "Zeit" sehr schön und unumwunden dargelegt:

    "Eine Frau mit Kopftuch signalisiert, dass sie sexuell nicht verfügbar ist. "

    www.zeit.de/gesell...me-frauen-kopftuch

    DARUM also geht es beim islamischen Kopftuch: Um das Signalisieren der "sexuellen Nichtverfügbarkeit".

    Dass dieses Statement natürlich auch einen bedenklichen Umkehrschluss enthalten könnte, hatte zwei Jahre zuvor, also 2009, Nicola Liebert aus einer persönlichen Erfahrung heraus in der "taz" beschrieben, in einem Artikel mit dem Titel "Wut über Doppelbotschaft":

    taz.de/Debatte-Ver...e-Frauen/!5157715/

    • @Rojas:

      Es ist doch völlig egal was damit gesehen wird und was damit signalisiert wird. Da kann man noch ewig drüber Mensplaning betreiben. Es zählt der Wille der Frau. Und Notwendigkeiten, kein Kopftuch zu tragen, fallen mir nicht ein.

  • Wenn ich durch eine Religion derart indoktriniert bin, dass ich mein Alltagsverhalten komplett danach ausrichte, ist das hoch problematisch, denn dann stelle ich auch irgendwann anachronistische Regeln aus alten Schriften alter Männer über die aktuellen Regeln für das Zusammenleben innerhalb unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.



    Mehr Laizismus wagen!

    • @Axel Schäfer:

      Waren Sie mal in den USA?

  • Das ist ein schwieriges Thema. Einerseits gibt es das Recht auf freie Religionsausübung.



    Andererseits hat die Schule das Recht zu bestimmen wie die Chancengleichheit und die Bildung in einer laizistischen Umgebung auszusehen hat.



    Es gibt ja auch Schulen die vorschreiben können, dass eine Schuluniform getragen werden muss. So dass es eine strenge Kleiderordnung gibt und keine Abweichungen durch Religiosität oder finanziellem Status.



    Daher muss es je nach Schule individuel verhandelt werden.

    • @danwizz:

      Schuluniform für alle ist eine sehr gute Lösung. Eine Reihe von Ländern habe damit gute Erfahrungen gemacht.

      • @shantivanille:

        Ich fürchte, das führt zu denselben Problemen wie z. B. die ja auch "uniforme" Vorschrift, generell keine Kopfbedeckungen zu tragen: Wer mit der Uniform ein Problem hat, weil kein Kopftuch dazugehört, wird den Zwang für unzumutbar halten.

  • Die taz brachte in dem Zusammenhang mal ein hervorragendes Interview mit Frau Prof. Schröter vom Goethe-Institut der Frankfurter Uni, dem einzigen Zentrum im deutschsprachigen Raum, das sich dezidiert mit dem politischen Islam beschäftigt und zu repressiven islamistischen Ordnungen forscht. Natürlich steht auch sie deshalb seit Jahren unter massivem Polizeischutz. Dabei kritisiert sie nicht den Islam sondern den islamischen Totalitarismus.

    Prof. Schröter: "Es (das Kopftuch) ist eine absolute Dämonisierung des weiblichen Körpers, von dem angeblich „Gefahr“ ausgeht und den man deshalb reglementieren, einsperren, verhüllen, wegstecken muss."

    Dabei ist das Kopftuch ist im Koran nicht vorgeschrieben.

    "Das Konzept hinter dem Schleier ist, dass eine Frau ihre vermeintlichen sexuellen Reize „verschleiern“ muss, damit Männer nicht provoziert werden. Wer sich nicht verschleiert, so das dahinter stehende Konzept, nimmt sexuelle Übergriffe billigend in Kauf oder fordert sie geradezu heraus."

    Und das machen Frauen freiwillig mit? Wie weit können gesellschaftliche Konditionierungen die authentische innere Stimme überfahren?

    taz.de/Forschung-z...en-Islam/!5608768/

    • @shantivanille:

      Nun fällt Schröter (die übrigens gar keine Islamwissenschaftlerin bzw. Arabistin ist, sondern hauptsächlich über Südost-Asien geforscht hat) ein verlässliche Quelle ist, sei dahingestellt. Interessant ist allerdings was Sie über die "authentische innere Stimme" schreiben, denn genau darin liegt eine Anmassung: denn was junge islamische Frauen als authentisch empfinden, liegt immer noch in deren eigenem Ermessen (und ist auch von Fall zu Fall verschieden). Die Erfahrungswelt eines deutschen Mannes mittleren Alters (?) hat jedenfalls keinen Absolutheitsanspruch und sich von diesem zu verabschieden wäre ein erster Schritt, um eine Welt besser zu verstehen, die sich eben nicht um Sie oder mich dreht.

    • @shantivanille:

      Oder versucht vielleicht nur, mal eine Straße zu überqueren, ohne belästigt zu werden. Was, wenn das Problem gar nicht im Glauben liegt, sondern daran, dass man sich als Frau kaum irgendwo sicher vor blöder Anmache fühlen kann? Waa, wenn sich ein Vater heuer eher denkt, dass die Tochter mit Hidschab vielleicht ein kleines bisschen weniger männliches Gegockel ertragen muss, als dass sie ohne die Männer "anmacht"? Und natürlich wacht man nicht auf und denkt sich, hey, ab heute verstecke ich meine Haare. Vielleicht wacht man erstmal auf und lässt den Minirock im Schrank, weil man die Pfiffe und die Anmache, das Upskirting und die "zufälligen" Berührungen ebenso satt hat wie die "was hatten Sie denn an, und waren Sie betrunken?" - Fragen nach einer sexuellen Belästigung. Und dann das süße Top. Und dann das enge TShirt. Und dann, wenn schlabbrige Jeans und Pulli auch nichts helfen, wacht man auf, bedeckt die Haare und zapp, endlich Ruhe? Das Problem liegt hier nicht bei den Frauen, die sollten das tragen können, worin sie sich wohlfühlen. Was das für uns symbolisiert, muss sie dabei nicht stören.

      • @ANonnyMouse:

        Ich bin absolut okay mit Frauen, die sich über ein Mehr an Kleidung schützen wollen. Auch mit der Burka wenn es sein muss.

        Entscheidend ist die absolute Freiwilligkeit.

        Und wenn eine Frau das freiwillig tut, frage ich mich natürlich, warum tut sie das?

        Das Kopftuch ist nicht über den Koran verpflichtend sondern bekam erst ab 1979 die Bedeutung, die es aktuell global hat. Es ist das Fanal des Islamismus. Und über die Burka, von der die Taliban so begeistert ist, müssen wir nicht weiter sprechen.

        Entscheidend finde ich, hat die Frau reflektiert was sie da tut? Nun, sie glaubt, über Glauben kann man streiten. Kann man noch glauben wenn man weiß, dass dieses Universum etwa 1,5 Billionen Galaxien hat mit jeweils Hunderten von Milliarden Sternen und Billionen Planeten? Wie kann man sein anthropozentrisches Modell da noch aufrecht erhalten? Die Menschen, etwas besonderes im All? Die Chancen liegen wohl nur bei eins zu Billionen.

        Hat die Frau noch Zugang zu ihrer inneren Stimme? Unverdorben von der Gesellschaft? Das ist Freiwilligkeit.

        Übrigens: Modest Fashion ist längst ein gigantisches Business.

        Modest Fashion bedeutet "die bescheidene Mode".

        Und nicht Protection Fashion.

    • @shantivanille:

      Dem ist nicht hinzuzufügen. Traurig, aber wahr.

    • @shantivanille:

      Mag ja alles stimmen, nur:



      In einem freien Land müssen alle Menschen das Recht haben ihren Kopf zu bedecken…oder dies eben auch nicht zu tun! Jegliches Ver- oder Gebot ist rigoros abzulehnen. Punkt.

      • @Saile:

        Grundsätzlich ja, nur geht es hier um Schulen, die von einem laizistischen Staat betrieben werden und damit zum öffentlichem Raum gehören. Insofern sind Einschränkungsbestimmungen hinsichtlich der Bekleidungswahl durch die Schulbehörden legitim.

      • @Saile:

        Die Frage ist nur, ob Minderjährige es in der Schule tun dürfen.

        Auf der Straße sieht das anders aus.

        Zudem ist das Kopftuch nicht nur eine Kopfbedeckung, sondern fungiert als islamistisches Symbol und steht für ein Moralkonzept.

        Insofern ist "Punkt" doch recht unterkomplex für dieses sehr sensible Thema.

        Es hat eindeutig seine zwei Seiten.

        • @rero:

          und auch @Budzylein & @shantivanille:

          Wieso sollten das Minderjährige in einer normalen öffentlichen Schule nicht selbst entscheiden dürfen?! Es ist trotz allem nur ein Stück Stoff, keine Droge und auch nichts pornographisches…gerne dürfen die Lehrkräfte mal nachfragen ob der Hijab wirklich freiwillig getragen wird und über das Für & Wider solcher Traditionen diskutieren…aber mehr eben auch nicht. Ich bin nicht für die Schulpflicht, aber gerade weil es diese hierzulande nunmal leider gibt sind weitere Übergrifflichkeiten strikt zu unterlassen.

          • @Saile:

            Man sollte sich aber auch in die Situation derjenigen Mädchen reinversetzen, die explizit keinen Hijab tragen wollen. Gerade in Schulklassen, in denen mehrheitlich Hijab getragen wird, werden die teilweise erheblich unter Druck gesetzt.



            Und einige Frauen sind aus islamisch geprägten Ländern geflohen, weil sie die "religiöse" Repression satt haben. Und geraten in Deutschland wieder unter die Räder.



            Meines Erachtens ist der Hijab, ob freiwillig getragen oder nicht, auch ein politisches Symbol. Überall dort auf der Welt, wo ein fundamentalistisches Islamverständnis stärker wird, steigt auch die Zahl der Hijab- oder Burkaträgerinnen. Ein Beispiel dafür ist Bosnien, aber auch Ägypten.

      • @Saile:

        Die Mädchen und Frauen, die Hijab tragen, tun dies aber gerade deswegen, weil sie es für ein Gebot halten, den Hijab zu tragen. Auch die Lehrerinnen, die vor dem Bundesverfassungsgericht das Recht erstritten haben, im Unterricht Kopftuch zu tragen, haben damit argumentiert, dass es für sie ein göttliches Gebot hielten, ihre Haare zu bedecken.

        Und wieso sollte ein religiöses Gebot nicht genauso "rigoros abzulehnen" sein wie ein staatliches? Mal zur Erinnerung: Für die Existenz eines Gottes und damit auch für die Behauptung, dieser habe irgendwelche Gebote in die Welt gesetzt, spricht nicht mehr und nicht weniger wissenschaftliche Evidenz als für die Existenz der Zahnfee. Mir ist es schleierhaft, weswegen Leute, die sich für links halten, sich im 21. Jahrhundert so vehement für die Befolgung archaischer religiöser Gebote einsetzen, wobei gern beschwiegen wird, was dieselben Theologen, die die Kopfbedeckungsgebote predigen, z. B. von Homosexualität halten. Was diesbezüglich bei einheimischen evangelikalen Christen zu großer Aufregung unter "Progressiven" führt, können Sie auch von nahezu jedem Imam hören.

        • @Budzylein:

          Weil es für Leute die sich für links halten noch schlimmer wäre irgendwie in den Verdacht zu geraten ausländerfeindlich oder gar rassistisch zu sein.

      • @Saile:

        Das sehe ich ein bisschen anders.

        Meine Oma trug manchmal ein Kopftuch bei der Gartenarbeit, doch hier müssen wir über potentiell faschistische Symbole sprechen.

        Wie kam es dazu?

        Es begann 1979.

        Alice Schwarzer: "Ich war wenige Wochen nach der Machtübernahme Chomeinis mit einer Gruppe Französinnen, dem Comité Simone de Beauvoir, in Teheran. Wir waren den Hilferufen von Feministinnen gefolgt, die wie Chafiq die Ankunft des Ajatollahs zunächst bejubelt hatten. Doch dann kam der 8. März 1979 und das Dekret: „Die Frauen dürfen nicht mehr nackt in die Ministerien kommen. Sie können arbeiten, aber nur verschleiert.“ Was von nun an für alle Berufs- und Bildungsbereiche galt.

        Seither ist das Kopftuch, die Verhüllung des „sündigen“ Haares und Körpers der Frau, das identitätsstiftende Symbol der Islamisten. In den ersten Jahrzehnten schlugen die Revolutionswächter so mancher Frau das verrutschte Kopftuch mit Nägeln in den Schädel."

        Im Artikel ging es um ein laizistisches Bildungsprojekt. Wo bestimmte Regeln gelten. Für alle.

        In den Straßen Spaniens ist das wiederum anders.

        www.aliceschwarzer...en-toleranz-337003

        • @shantivanille:

          Es begann eben nicht 1979, weder im Iran, noch in der restlichen islamischen Welt. Denken Sie an die Türkei: das Kopftuch hat sich seit längerem im Spannungsfeld zwischen Tradition und durchaus erzwungener "Modernisierung" (ein Begriff, den man kritisch hinterfragen kann), zwischen individueller Frömmigkeit und Politisierung bewegt. Und gerade diese Politisierung wurde auch von beiden Seiten betrieben - von den Religiösen und ihren säkularen Gegnern (deren Ansprüche nicht selten mit westlichen Hegemonieansprüchen verbunden waren - wir kommen hier wieder zur Problematik des Konzepts "Moderne"). Das sind Komplexitäten, denen man einfach gerecht werden muss, statt auf substanzlose Polemik zu setzen.

  • Wann wird man endlich verstehen, dass Religion das größte Übel von allen ist!

    • @Struppo:

      Wenn jemand ein für Alle besser funktionierendes Mittel gegen die Angst vor dem Tod findet.

    • @Struppo:

      Wenn für atheistische/humanistische ( als Gegensatz zu theistischen) Weltanschauungen nicht noch mehr gemordet wird und Menschen kein religiös-spirituelles Grundbedürfnis mehr haben.

      Also nie.

    • @Struppo:

      Es ist schwer zu verstehen weil bereits Kindern, grade Kindern, Religion oder andere Ideologien von Anfang an implementiert wird. Das System ist Jahrtausende alt.

      Kinder können dieses System noch nicht hinterfragen. Das was ihnen erzählt wird übernehmen sie, oft mit besonderem Eifer, weil sie meinen das System und seine Glaubenssätze seien wahr.

      Wenn das System auch im jugendlichen oder Erwachsenenalter nicht reflektiert wird, identifizieren sich die Kinder irgendwann mit diesen Glaubensintrojektionen.

      Ihre eigene innere Stimme, das Wertvollste was ein Mensch hat, ist vollkommen überlagert und wird nicht mehr wahrgenommen.

      Das ist unendlich traurig.

      Wachen einige von ihnen doch auf wird es extrem schwer aus diesen gesellschaftlichen Zwängen auszubrechen.

      Die Iranerinnen probieren es grade, kämpfen unter unglaublichen Opfern, werden getötet, landen in Foltergefängnissen oder speziellen Psychiatrien. Mein Mitgefühl, meine Solidarität und mein allergrößter Respekt sind bei ihnen.

  • Religion und alle ihre Symbole sollte komplett aus den Schulen verbannt werden. Allen Kinder sollten ein Recht auf Aufwachsen ohne Indoktrination von Sekten haben. Deshalb sollten diese grundsätzlich keine Minderjährigen mehr ansprechen oder rekrutieren dürfen.

    • @Šarru-kīnu:

      Stimmt. Aber muss man deswegen Kleidervorschriften erlassen?

    • @Šarru-kīnu:

      Genau, ebenso sollte man dies auch an Universitäten und in allen staatlichen Einrichtungen.

  • Mal eine blöde Frage: Können Personen mit Davidsternkette und /oder Kippa sich an der Schule sicher bewegen?

    • @aujau:

      An den beiden Schulen an denen das Tragen einer Kopfbedeckung verboten ist nein, den eine Kippa trägt man auf dem Kopf.



      Der Stern hat mit dem Thema nichts zu tun.

    • @aujau:

      Was hat das denn mit dem Kopftuch zu tun? Oder meinen Sie, dass einfach jeder Muslim ein Antisemit sei?

      • @EH 553:

        Das habe ich nicht gesagt. Allerdings fällt auf, dass jüdische Personen sich im öffentlichen Raum viel zu oft weniger sicher fühlen als alle Anderen.

        • @aujau:

          Eine Frau mit Kopftuch kann Ihnen sicher auch einiges über Unsicherheit im öffentlichen Raum erzählen, aber darum geht es hier nicht: der Artikel handelt von staatlichen Vorschriften, nicht von individuellen Übergriffen. Beides hat nichts miteinander zu tun (und es hilft auch Juden, die auf der Straßen für ihre Kippa angepöbelt werden wenig, wenn Kopftücher in Schulen verboten werden).

          • @O.F.:

            Ich habe den Artikel so verstanden, dass es eben NICHT um staatliche Vorschriften geht, sondern um die Regelungen an explizit laizistischen Bildungsprojekten. In zwei der erwähnten Schulen sind Kopfbedeckungen generell nicht gestattet, es gibt auch keinerlei christliche Folklore. Die staatliche Regelung ist, dass Schulen die Frage zu religiösen Bekleidungsvorschriften/ Gepflogenheiten selber regeln. Wer das so gar nicht aushält, könnte ja vielleicht eine religiös orientierte Schule besuchen? Auf der Straße darf darüber hinaus getragen werden was gefällt.

        • @aujau:

          Darum geht es hier aber Nullkommagarnicht