Klimaschädliche Biokraftstoffe: Schlimmer als Diesel und Benzin
Einer Studie im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe zufolge schaden Biokraftstoffe dem Klima mehr als sie nutzen. Der Biokraftstoffverband widerspricht.
![Ein Rapsfeld, im Hintergrund Windräder Ein Rapsfeld, im Hintergrund Windräder](https://taz.de/picture/5412075/14/DUH-Biokraftstoffe-Klima-Autos-Diesel-Benzin-1.jpeg)
Der Hintergrund: Die Europäische Union schreibt vor, Diesel oder Benzin einen bestimmten Prozentsatz an Kraftstoffen beizumischen, die einen geringeren CO2-Ausstoß haben. Das sind zurzeit vor allem die auch als Agrokraftstoffe bezeichneten Biokraftstoffe. Deutschland hat die EU-Vorgabe mit der Einführung einer sogenannten Treibhausgasminderungsquote umgesetzt. Mineralölkonzerne müssen zurzeit eine Quote von 6 Prozent erfüllen. Das können sie, indem sie Kraftstoff mit Beimischungen etwa aus Pflanzen versehen oder andere Energieträger wie Strom, Erdgas oder Wasserstoff vertreiben. Bis 2030 soll die Quote auf 25 Prozent steigen.
Allein in Deutschland wird der ifeu-Studie zufolge für Agrokraftstoffe auf 460.000 Hektar vor allem Raps angebaut, aber auch Getreide, Mais oder Zuckerrüben. Weltweit werden 1,2 Millionen Hektar für den Anbau von Pflanzen genutzt, aus denen Biokraftstoffe für den deutschen Markt hergestellt werden. Die Studienautor:innen haben für einen Zeitraum von 30 Jahren berechnet, was eine Renaturierung der Flächen bringen würde. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass pro Jahr im Schnitt 16,4 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden könnten, wenn auf einer Fläche in der Größe der heutigen Anbaufelder eine natürliche Vegetation wie Wälder wachsen würde. Das wären laut DUH 7,2 Millionen Tonnen CO2 mehr, als die Nutzung von Agrokraftstoffen in Deutschland im Jahr 2020 an Reduktion der klimaschädlichen Emissionen gebracht hat. Ein Ausstieg würde nach Angaben von Studienautor Horst Fehrenbach den Spritpreis nicht weiter nach oben treiben, weil Agrokraftstoffe teurer sind als herkömmliche.
Allerdings will die DUH kein Zurück zu mehr fossiler Kraftstoffnutzung, sondern ein schnelles Ende des Verbrennerautos und den Umstieg auf E-Fahrzeuge. Der Strom dafür ist weitaus umweltfreundlicher zu gewinnen als Agrokraftstoffe. „Die Erzeugung von Solarstrom ist viel effizienter“, sagte Fehrenbach. Für die gleiche Kilometerleistung wie die von Agrokraftstoffen würde bei der Produktion von Solarstrom 97 Prozent weniger Fläche gebraucht.
Kritik von der Biokraftstoffindustrie
„Der Anbau von Pflanzen für die Produktion von sogenannten Bio-Kraftstoffen schadet dem Klima und der biologischen Vielfalt“, sagte DUH–Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Der Ausstieg aus Agrokraftstoffen schaffe sofort eine spürbare Flächenentlastung. „Fruchtbares Ackerland muss für die naturverträgliche Nahrungsmittelproduktion priorisiert und geeignete Flächen, wie etwa entwässerte Moore, müssen konsequent für Renaturierung zur Verfügung gestellt werden“, forderte er.
Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie greift die DUH scharf an. „Rohstoffe für Biokraftstoffe dürfen nicht auf Flächen angebaut werden, die nach 2007 entwässert worden sind“, sagte VDB-Geschäftsführer Baumann. „Die Umwelthilfe sollte sich mit der geltenden Gesetzgebung auseinandersetzen, bevor sie Forderungen nach der Abschaffung einer der wenigen wirksamen Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr aufstellt.“ Auch wenn das Ziel der Bundesregierung erreicht werde, dass bis 2030 in Deutschland 15 Millionen E-Autos unterwegs sind, blieben noch 30 Millionen Verbrenner-Pkws auf den Straßen. „Dieser Fahrzeugbestand kann in den nächsten Jahren nur mit nachhaltig produzierten Biokraftstoffen klimafreundlicher fahren“, sagte er. Biokraftstoffe mindern nach seinen Angaben den Treibhausgasausstoß im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen um 67 bis über 90 Prozent.
Das grün geführte Bundesumweltministerium dagegen sieht Biokraftstoffe ebenfalls kritisch. Viele leisten auch aus Sicht des Ministeriums keinen Beitrag zum Klimaschutz. Unter der früheren Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) wurde der Anteil der Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermitteln an der Treibhausgasminderungsquote auf maximal 4,4 Prozent eingefroren. „Das ist weniger als der Status quo, der im Jahr 2020 bei 5,3 Prozent lag“, sagte ein Sprecher. Die Nutzung sogenannter fortschrittlicher Kraftstoffe, etwa aus altem Frittierfett oder Gülle, soll forciert werden. Das extrem umweltschädliche Palmöl ist als Biokraftstoff ab 2023 verboten.
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