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Klimaaktivist gewinnt bei „Wetten dass“50.000 Euro für Lützerath

Der Lützerath-Besetzer Marten Reiß wird Wettkönig bei Thomas Gottschalk. Mit dem Preisgeld will er das Dorf vor den Braunkohlebaggern retten.

Blumen und Glitzer: Klimaaktivist Marten Reiß bekommt Blumen und Thomas Gottschalk Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

BERLIN taz | Am Anfang klang es noch wie ein Witz. Ak­ti­vis­t:in­nen aus dem von Räumung und Abriss bedrohten Dorf Lützerath hatten am Donnerstag ein Video mit einer „Wetten dass …?„-Persiflage ins Netz gestellt. Darin sprang erst eine Frau erfolgreich über die Braunkohlegrube bei Garzweiler. Dann ging es bei der Außenwette um die Frage, ob x-tausend Leute zusammenkommen, um für den Erhalt des Dorfes zu demonstrieren. Schließlich trat ein „Marten aus Lützerath“ aus einem Holztor und behauptete, wirklich Kandidat bei der ZDF-Show am Samstag zu sein. Und dass er das Preisgeld von 50.000 Euro für den Wettkönig an die Bewegung geben wolle. All das wirkte wie eine amüsante Aktion von Kommunikationsguerilla.

Doch am Samstagabend tauchte der gleiche „Marten aus Lützenrath“ – dank seines auf dem Kopf hochgebundenen Zopfes unverkennbar – dann tatsächlich bei Thomas Gottschalk im Klassiker der ZDF-Samstagabendshow auf. Und während sich Marten Reiß als 3-D-Grafiker vorstellte, schwenkte die Kamera ins Publikum, wo laut jubende Ak­ti­vis­t:in­nen Schilder mit Aufschriften wie „Lützerath lebt! Alle Dörfer bleiben“ hochhielten.

Reiß verkündete, auf zwei Tafeln mit je 1.000 Fingerabdrücken binnen einer Minute den einzigen abweichenden erkennen zu können – was er auch ohne Probleme dreimal erledigte. Anschließend erklärte Reiß, er habe sich schon als Kind für 3-D-Grafiken begeistert, und schob beiläufig ein, dass er regelmäßig 3-D-Scans von Lützerath erstelle, um die Geschichte des Dorfes zu erhalten, das leider abgerissen werden solle. Zum Sehen dreidimensionaler Grafiken brauche man einen Kreuzblick, müsse also bewusst schielen – und damit könne man auch kleine Abweichungen wie bei den Fingerabdrücken schnell erkennen.

Als Komoderatorin Michelle Hunziger ihn fragte, was er mit dem Preisgeld machen wolle, sagte Reiß, er werde es zur Rettung seines Dorfes verwenden. Im Publikum erklangen „Lützi bleibt!“-Sprechchöre, als wäre dies eine Aktion von Ende Gelände.

„Lützerath ist gerettet“

Mit seiner Wette überzeugte er auch das Publikum. Vielleicht war das übliche „Wetten dass?“-Publikum zur späten Stunde schon eingeschlafen, vielleicht hatte es wie Popsänger Robbie Williams schon fluchtartig die Show verlassen, vielleicht hatte die Lützerath-Aktivist:innen auch genug Follower mobilisiert. 52 Prozent der Te­le­fon­an­ruf­e:innen stimmten nicht für die übliche Baggerwette oder den Fahrradakrobaten, sondern für Reiß. Ein Klimaaktivist als Wettkönig.

Gottschalk verkündete mit Blumen in der Hand: „Lützerath ist gerettet“. Leider ist bekannt, dass er des Öfteren mal Unsinn erzählt. Auf Twitter wurde dennoch gelobt, dass die Show mehr für die Klimabewegung getan habe als die Weltklimakonferenz. Andere sprachen gar von linksradikaler Fernsehgeschichte.

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32 Kommentare

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  • Ich bin ja eher ein Gegner von solch purer Symbolpolitik wie dem Gesummse um die völlig Klima-irrelevant, aber angeblich unverzichtbare Rettung eines menschenleeren, verfallenen Provinzweilers (wo auch nach geglückter Rettung eh niemand mehr wohnen wollen würde, wenn der Protestzirkus einmal weitergezogen ist). Aber genau sowas bei "Wetten dass..." zu platzieren, passt zum Horizont der Klientel und ist daher gute PR. Chapeau!

  • Trotzdem sind Gottschalks reaktionäre Witze und seine sexistische Behandlung von Frauen extrem schwer zu ertragen.



    Es gibt manchmal auch alte Männer, die geistig aufgeschlossen sind, Gottschalk gehört sicher nicht dazu und ist einfach nur peinlich.

    P.S. Die TAZ-Redaktion sollte vielleicht auch mal überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, auf das rechte Hassportal Twitter zu verlinken. Inzwischen ist die kritische Masse bei Mastodon groß genug, dass man auch da genügend Beiträge zu allen Themen findet.

    • @tazzy:

      Noch nie von Mastodon gehört. Könnte das eine von diesen ideologisch homogenen Blasen-Plattformen sein, wo man sich immer einbilden kann, die maßgebliche Meinung zu vertreten, und nicht von der abweichenden Meinung und Realität der Mehrheit der Bevölkerung belästigt wird?

      REAL ist halt auf Twitter weit weniger Hass als ganz normale Meinungsäußerung aus dem gesamten Spektrum zu finden. Und es hat nicht nur ein umfassendes Themenspektrum sondern auch Reichweite. Die Meinungen müssen einem natürlich nicht alle gefallen. Wer das nicht ertragen kann soll ruhig den Kopf in den ideologisch bereinigten Sand stecken. Aber medial relevanter sind halt schon Äußerungen, die auch Leute außerhalb der eigenen Blase lesen...

  • 6G
    650228 (Profil gelöscht)

    Coole Sache. Hoffentlich spendet er das Geld auch wirklich und hoffentlich kommt nicht in ein paar Tagen heraus, dass wie bei den Buntstiften nur getrickst wurde.

    www.spiegel.de/ges...ass-a-1143777.html

  • "Sie schmeissen ja auch mal gerne mit Hufeisen, wie mensch ein paar Beiträge weiter oben mal wieder begutachten kann."

    In der Regel weise ich Sie m.W. eher auf Das Gegenteil hin, z.B. dass wenn Sie im Rahmen von Berichterstattungen über linksextreme Gewaltereignisse Rechtsextremismus zur Relativierung ins Spiel bringen, dass solche Vergleiche öde und schrottig sind

    Auch muss ich die Stirn runzeln, dass bei ihnen bei den Namen Tazido Müller und Dobrindt gleich mit Hufeisen assoziieren. Das Greti & Pleti Spiel finde ich amüsant. IstD. nun der Rechtextreme und TM der Linksextreme? Oder denken Sie, wenn zwei den gleichen Unsinn reden, dann isses einmal falsch und einmal richtig?

  • @CERVO

    Danke, übrigens, für den Link!

  • @RUDOLF FISSNER

    Richtig geortet. Die SU war mir nie sympathisch.

    Diese feine Fähigkeit zur Differenzierung besitzen nun mal Lodenmantel und Gemsbart nicht immer.

    Sie schmeissen ja auch mal gerne mit Hufeisen, wie mensch ein paar Beiträge weiter oben mal wieder begutachten kann.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Sehr, sehr gute Aktion!



    .Gratulation für diese geniale Idee!



    Freue mich!

  • Ich war vo einigen Monaten vor Ort in Lützerath um mir eine eigene Meinung zu bilden. Den Ort Lützerath gibt es leider nicht mehr, denn die ehemaligen Einwohner sind schon vor Jahren weggezogen. Die Häuser verfallen und sind zum Teil verfallen. Um den Ort an sich geht es ja auch nicht.

    • @Nachtsonne:

      Um was geht es dann? Wieder eine reine Symbolaktion? Solche haben wir inzwischen genug. Das Geld könnte sinnvoller eingesetzt werden.

  • Ein Klimaaktivist als Wettkönig, super! Nix Klima-Raf, BILD, CSU und Co werden schäumen. Hoffentlich.

    vgl auch Katrin Höffler (Inhaberin des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie und Rechtssoziologie an der Universität Leipzig):

    „Klima-RAF“ herbeireden -



    Radikalisierung durch Labeling und Druck"

    verfassungsblog.de...a-raf-herbeireden/

    • @Cervo:

      Nach Dobrink (CSU / "Klima-RAF") wird ein Tazido Müller (Grüner Ende Gelände & Interventionistische Linke / "Grüne RAF") für immer gemeinsam mit diesem in der Hölle der Lächerlichkeit braten müssen

  • @LOWANDORDER

    Hier auch Bolle :-)

    @HOPEDRONE

    Leider nicht nur mittlerweile. Ich habe mir das Geschwafel von der "fünften Kolonne Moskaus" schon ende Siebziger mit anhören müssen. Lange vor Twitter.

    • @tomás zerolo:

      Wieso mussten Sie sich das speziell anhören? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Sie in den 70ern als Relativierer der SU mit gemacht haben oder in der DKP mitgemacht haben, wo man ja finanziell von Geldern von dort abhängig war.



      Ich habe Sie eher bei den Graswurzlern eingeordnet.

  • und das alles ohne Böhmermann? Ach, der ist ja auch beim ZDF.

    Gelungene Aktion. Kapern des linearen, staatstragenden TVs mit der vorgeblich älteren Zuschauergeneration und einem Moderator, der schon in Rente sein sollte.

  • Tausendfach mehr Wirkung als festkleben.

    Er hat auf ein akutes Problem aufmerksam gemacht, Medienwirksam, Gewaltfrei, ohne Rechtsbruch. Er hat die Sympathie von Millionen Zuschauern gewonnen, statt mehrheitlicher Ablehnung wie bei der "letzten Generation".



    So ganz nebenbei hat er auch noch seine 50.000€ für diesen Zweck zur Verfügung gestellt.



    Hut ab, so funktioniert es besser!

    • @Rudi Hamm:

      Ich würde sagen: Genau null Effekt. Kann man sich genauso gut festkleben.

      Oder werden wir in 6 Wochen eine Millionen Menschen in Lützerath demonstrieren sehen?

      Nein? Also Wirkung verpufft. Ich hoffe natürlich auf ein Ja. Aber mit SUV und Kohle lebt es sich halt leichter.

      • @Troll Eulenspiegel:

        "Aber mit SUV und Kohle lebt es sich halt leichter."



        Mich stört dieses pauschale SUV Bashing.



        - Es gibt "SUVs", die sind kleiner als ein Golf.



        - Es gibt "SUVs", die brauchen weniger Benzin als ein VW Käfer oder andere Mittelklasse-PKW.

        Klar, es gibt auch SUV, die reine Protzkübel sind, 20l schlucken und eigentlich in keiner Innenstadt was verloren haben sollten.

        Aber es alleine am Begriff "SUV" aufzuhängen stört mich dann schon.

        Mein "SUV" fährt zu über 3/4 rein elektrisch vom PV-Dach auf meinem Haus und hatte in 10.000km Laufleisting einen Benzinverbrauch von 1.7l/100km.

        Ich würde mal sagen die Realverschmutzung eines Fahrzeuges ist entscheidender als der Aufbautyp.

        Und wenn man wie ich den Platz auch wirklich braucht, dann geht es halt nicht mit einem Golf.

        • @Rudi Hamm:

          Ich würde sogar noch weitergehen: Egal wie groß, wie oft benutzt ist hier entscheidender.

        • 4G
          49732 (Profil gelöscht)
          @Rudi Hamm:

          In meinem grün wählenden Stadtteil stehen besonders viele extrem dreckige alte Wohnmobile aus entsprgten Bussen oder LKWs. Alle Besitzer sehen nicht Konservativ aus oder wie AfD Wähler. Von daher kann man ihnen nur Recht geben.

        • @Rudi Hamm:

          Sie brauchen den Platz, andere 400 PS oder den Trubel auf einem Basar auf einem anderen Kontinent, was lernt man daraus - Ausreden gehn immer.

        • @Rudi Hamm:

          Cool story, bro.

          Aber mein Einwand ist, dass angeblich mehr erreicht wird mit so einer Wette, als Festkleben.

          Ich meine, über Wetten Dass so ein Ding zu ziehen ist schon vorbildhaft. Doch ich bezweifle weiterhin, dass man mehr erreicht als mit Festkleben auf der Straße.

          Der Beweis ist dann erfüllt, wenn die Braunkohlebagger aufhören, Dörfer plattzumachen. Wollen wir mal in sechs Wochen nachsehen? Okay, ich gebe acht Wochen weil über die Weihnachtszeit Betriebsruhe herrscht. Aber dann wollen wir mal die Menschenmassen zählen. Du bist doch bestimmt auch dabei, wenn es "1000 mal mehr bringt", oder Rudi?

          • @Troll Eulenspiegel:

            Jung. Frauman kann bekanntlich Läuse &! Flöhe haben! Und gut is.



            Diese ganze subalterne Beckmesserei -



            Sorry - ist voll fürn Arsch •



            Die machen im crossing over ihr Ding & gut is! Bei vielen Sachen Aktionen etc. - ist doch vorher völlig unklar was draus wird! But. Sie riskierens halt.



            Das Gesabbel achteran der Vollzeitbedenkenträger & Intellülllies mit der Bescheißwisserbrille ist doch nix als Wind för de Hofdöör!



            “Done issen Ding! Snakken kunnt wi all!“



            Und - Ende Gelände -

            unterm—-



            Mal im Ernst - wa!



            Wenn ich bedenke - wie hier Erbsen mit Messer&Gabel und Handschuhen tranchiert werden.



            Aber die zwei Habie-Vollkriminellen -



            Lasset & Reul frei rumlaufen! Weil sich kein Staatsanwalt traut! Gegen sie ein Ermittlungsverfahren mit allem PipaPo zu eröffnen - was plan as plan can be ist & Diese Galgenvögel erst mal in U-Haft nehmen!



            Dann denk ich: Schlicht verkehrte Welt •

  • "Andere sprachen gar von linksradikaler Fernsehgeschichte"



    Schon interessant, was mittlerweile alles als linksradikal gilt und damit offensichtlich direkt als staatsfeindlich und indiskutabel abgekanzelt wird (nicht zuletzt dank 150-Zeichen Diskurs'kultur')

    „Die Frage heute ist, wie man die Menschheit überreden kann, in ihr eigenes Überleben einzuwilligen.“



    (Bertrand Russell)

    • @HopeDrone:

      Der betreffende, im Artikel verlinkte Tweet ist ein Jubeltweet von Sebastian Weiermann, Journalist bei der sozialistischen nd. Der wollte die Aktion bestimmt nicht als staatsfeindlich und indiskutabel abqualifizieren.

      Aber was an der Aktion "linksradikal" (oder gar staatsfeindlich) sein sollte, erschließt sich nicht.

      • @Budzylein:

        Den Link hatte ich nicht angeklickt. Danke für Info :-)

  • Naja dass wird das Dörfchen auch nicht retten. Der Gute sollte das Geld lieber vernünftig anlegen, anstatt es für eine unsinnige Aktion zu verbrennen...

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @Hennes:

      Was, soll er sich etwa lieber ein neues Auto kaufen, Sinn anstelle von Unsinn, naja?

      • 4G
        49732 (Profil gelöscht)
        @90118 (Profil gelöscht):

        Für die Rente zurücklegen? Oder spekuliert er auf BGE?

      • @90118 (Profil gelöscht):

        Oder er könnte es wie Grönemeyer machen und er könnte es der Tafel spenden

      • @90118 (Profil gelöscht):

        Zum Beispiel...oder wer es lieber mag ein gescheites Rad oder oder oder...aber am Ende ist es sein Geld und er kann damit machen was er will. Auch Unsinn und es in die Kampagne stecken.

  • Chapeau. Freu mich wie Bolle.



    Als ich die mail im Verteiler fand. Dachte ich stutzend “Huch“!



    Aber warum nicht!“ Helzrichen Gwücklunsch an die Community •



    m.youtube.com/watch?v=dIvqR6uS7ac



    ”Lützi bleibt“