Junglandwirtin über die Bauernproteste: „Das Fass war voll!“
Statt rechtsextremer Parolen seien konstruktive Lösungen gefragt, so Inka Baumgart von der Jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft.
taz: Inka Baumgart, als Junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (Junge AbL) haben Sie vor einigen Tagen ein Video veröffentlicht, das viral ging. Darin sagen junge Landwirt*innen, welche Forderungen der bäuerlichen Proteste legitim sind und welche nicht. Wie kam es zu dem Video?
22, hat eine Ausbildung zur Landwirtin gemacht. Dieses Jahr will sie den Bachelor in ökologischer Landwirtschaft abschließen und dann eine landwirtschaftliche Existenz aufbauen. Sie ist in der Jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft aktiv.
Inka Baumgart: In der letzten Woche wurde die öffentliche Diskussion um die Streichung der Agrardieselsubventionen sehr von rechtsextremer Hetze dominiert. Wir hatten das Gefühl, dass wir konstruktive Inhalte produzieren müssen, die Leute als Antwort auf rechtsextreme Positionen in eine Chatgruppe stellen oder in den sozialen Medien teilen können. Außerdem war es uns wichtig, klarzumachen, dass auch progressive Landwirt*innen die Beschlüsse kritisieren.
Welche Forderungen der Protestbewegung sind problematisch?
Alle rechtsextremen Umsturzfantasien und Gewaltaufrufe sind abzulehnen. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Auch Forderungen gegen Klimaschutz im Ganzen bringen uns nicht weiter. Wenn wir in der Landwirtschaft arbeiten, sind wir eigentlich eh schon Klimaschützer*innen, oder wir werden es, weil Klimaschutz, also der Erhalt unserer Lebensgrundlagen, so existenziell notwendig ist, dass wir daran nicht vorbeikommen werden.
Machen Ihnen die rechten Eskalationen Angst?
Wenn wir sehen, wie die extreme Rechte versucht, uns zu vereinnahmen, bereitet uns das massiv Ängste und Sorgen. Ich bin aber sehr froh und positiv überrascht, dass auch der Deutsche Bauernverband und die einzelnen Landesverbände immer wieder versuchen, sich ganz klar davon abzugrenzen. Das macht mir auch ein Stück weit Mut, dass mein Berufsstand zu den Rechtsextremen sagt: „Ey, hört auf, das sind unsere Probleme, nicht eure. Mit eurem Murks da haben wir nichts zu tun!“
Insgesamt versuche ich mich aber darauf zu konzentrieren, in den konstruktiven Dialog zu gehen, damit wir am Ende aus diesen Wochen rausgehen können und etwas gewonnen haben – nämlich einen gesellschaftlichen Diskurs über die Landwirtschaft, wie wir sie haben wollen und was dazu notwendig ist.
Was ist an den Forderungen oder auch dem allgemeinen Unmut berechtigt?
Die ganze Wut, die wir gerade sehen, ist jahrelange Enttäuschung, die jetzt umgeschlagen ist. Die Streichung der Agrarsubventionen war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Weshalb sind die Landwirt*innen enttäuscht?
Die Situation in der Landwirtschaft ist immer prekär. Die finanzielle Situation ist quasi immer schwierig. Und dazu kommt die Arbeitsbelastung. Ich habe in der Ausbildung über 60 Stunden die Woche gearbeitet. Das ist ganz normal in der Landwirtschaft. Das gilt für die Angestellten genauso wie für die Betriebsleiter*innen. Deshalb fühlt sich so eine Kürzung scheiße an, auch wenn sie vielleicht vom Umfang nicht so groß erscheint.
Sie sagen es. Wissenschaftler*innen haben errechnet, dass die Kürzungen im Schnitt nur etwa 1.700 Euro pro Jahr pro Betrieb betragen.
Wir müssen die Probleme, die historisch gewachsen sind, angucken und können uns nicht damit begnügen zu sagen: „Das kann ja gar nicht so schlimm sein, wenn das nur 1.700 Euro pro Jahr und Betrieb sind.“ Das geht an unserer Realität vorbei und es bringt die gesellschaftliche Diskussion nicht weiter. Im Gegenteil treiben solche Aussagen die Spaltung zwischen Umwelt- und Klimaschutz und der Landwirtschaft voran. Und genau das müssen wir vermeiden.
Aber halten Sie die Streichung der Agrardieselsubventionen aus ökologischer Sicht nicht für sinnvoll?
Ich bezweifle, dass die Streichung dieser Beihilfen dazu führt, dass Emissionen in der Landwirtschaft eingespart werden. Uns fehlen im Moment die Alternativen. Wie sollen wir ohne Trecker unsere Felder bewirtschaften? Wieder mit Hacke und Spaten? Die Streichung der Beihilfen wird nur dazu führen, dass die Regierung weniger Geld ausgibt. Es gibt viel größere Töpfe wie Dienstwagenprivilegien oder Kerosinsteuern, bei denen wir klimaschädliche Subventionen streichen können. Wenn wir unsere Landwirtschaft zukunftsfähig und klimafreundlicher machen wollen, müssen wir in ihren Umbau investieren.
Was fordern Sie von der Bundesregierung?
In der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission haben sich Umwelt- und Bauernverbände auf Beschlüsse und Empfehlungen geeinigt. Die Vorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch. Sie müssen umgesetzt und finanziert werden. Wenn dafür gerade vermeintlich kein Geld da ist, können mindestens die Vorschläge aus dem 6-Punkte-Plan der AbL umgesetzt werden, die kosten nichts. Ein anderer wichtiger Punkt ist, die Verhandlungsposition von Landwirt*innen gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel zu stärken, sodass die Produzent*innen faire Preise für ihre Produkte kriegen.
Was steht der Umsetzung Ihrer Forderungen im Weg?
Seit Jahren und aktuell ganz besonders ist die Politik nicht bereit, in den Umbau der Landwirtschaft zu investieren. Aber wie jede Landwirtin und jeder Unternehmer weiß, brauchen wir Investitionen, um unsere Arbeit gut zu machen. Wir müssen also über die Schuldenbremse oder eine einmalige Vermögensabgabe reden.
Die Ökobauern protestieren ja seit Jahren mit der „Wir haben es satt“-Demo – warum, glauben Sie, ist es nicht gelungen, damit ähnliche Wucht auf die Straßen zu bringen?
Bei der „Wir haben es satt“-Demonstration demonstrieren nicht nur Bio-Bauern. Das ist ein großes Missverständnis, das wir jedes Jahr zu begradigen versuchen. Auch dort treten wir für eine bäuerliche Landwirtschaft ein. „Bäuerlich“ ist für uns ein Wertbegriff, der regional unterschiedlich auslegbar ist. Vor allem geht es dabei um den Umgang miteinander und mit dem Land, was einem anvertraut ist. Und zu Ihrer Frage: Manchmal braucht es für eine große Mobilisierung einen Kipppunkt. Den haben wir jetzt gerade erreicht, das wird sich auch bei der diesjährigen „Wir haben es satt“-Demo zeigen.
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