Inflationsbonus-Plan: Lohnpolitik geht Scholz nichts an
Eine Einmalzahlung für Beschäftigte ist keine schlechte Idee. Doch sie ist Sache der Tarifpartner. Scholz bringt sie nur wegen Lindner ein.
O laf Scholz regiert. Aber der Bundeskanzler regiert auch hinein – aktuell in die Lohnpolitik, die nicht primär ihn etwas angeht, sondern die Firmenverbände und Gewerkschaften. Deren Spitzen lehnen Scholz’ neuen Vorschlag deshalb auch ab. Die Zurückweisung ist zwar folgerichtig, aber zur Wahrheit gehört auch: Die Idee der steuerfreien Einmalzahlung an die Beschäftigten hat durchaus Vorteile.
Das Kanzleramt strebt offenbar an, mit Arbeitgebern und Gewerkschaften eine Vereinbarung zu schließen. Diese sollen sich auf Tariferhöhungen einigen, die deutlich unter der Inflationsrate liegen. Während die Inflation 5 oder 6 Prozent erreichen könnte, erhielten die Beschäftigen im kommenden Jahr beispielsweise nur 3 Prozent mehr Lohn. Zusätzlich soll es steuerfreie Einmalzahlungen von vielleicht 800 Euro pro Kopf geben, die nicht in den Tarif eingerechnet werden.
Die Logik des Plans: Er kann dämpfend auf die Inflation wirken. Die Tarifanhebung, die jeweils die Basis für die Erhöhungen der kommenden Jahre darstellt, fiele so gering aus, dass sie nicht zu einer dauerhaften Lohn-Preis-Spirale beitrüge. Höhere Löhne führten also nicht zu weiteren Preissteigerungen. Moderate Lohnabschlüsse schützen außerdem die Unternehmen, die unter den galoppierenden Energiekosten leiden. Mit den Einmalzahlungen erhielten die Beschäftigten aber trotzdem eine Unterstützung, um mit den hohen Gas-, Benzin- und Strompreisen zurechtzukommen.
Allerdings sind auch die Nachteile von Scholz’ Vorhaben nicht zu übersehen. Vor allem muss man sich darüber im Klaren sein, dass es sich bei den Einmalzahlungen vermutlich nicht um einen Bonus zugunsten der Beschäftigten handelt. In der Summe aus geringer Tariferhöhung und Einmalzahlung erhalten sie wahrscheinlich weniger, als wenn IG Metall und Verdi ihre volle Kraft auf die Straße bringen, um den Ausgleich der Inflation durchzusetzen.
Zudem müssen viele Arbeitenden auf die Einmalzahlung verzichten, weil deren Firmen nicht tarifgebunden sind. Und drittens kommen breite Bevölkerungsgruppen nicht in den Genuss, die ebenfalls unter den Energiepreisen leiden – Rentnerinnen und Rentner, Haushalte, die staatliche Unterstützung wie Grundsicherung erhalten, Studierende.
Deshalb sollte die Regierung Menschen mit niedrigen Einkommen einen wirklichen Bonus auszahlen. Dieser Inflationsausgleich dürfte allerdings seine Grenze in der Schuldenbremse finden, die FDP-Finanzminister Christian Lindner 2023 unbedingt wieder einhalten will. Der Spielraum im Bundeshaushalt verringert sich damit drastisch. Deshalb wählt Scholz den holprigen Umweg der Tarifvereinbarung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“