Inflation und Gierflation: Und der Staat unternimmt nichts

Ja, die Regierung kann nichts gegen die Ursachen von teurem Olivenöl tun. Aber sie hätte die Mittel, die Inflation ingesamt besser zu bekämpfen.

Eine Frau mit einem Weini vor dem Gesicht

Die Stimmung im Land ist schlecht: Alles bleibt teuer Foto: Andrea Warnecke/picture alliance

Jetzt ist es amtlich: Im Juni war die Inflation mit 2,2 Prozent wieder auf dem Niveau, das die Öko­no­m:in­nen der EZB für wünschenswert halten. Das Statistische Bundesamt hat nun die vorläufigen Zahlen bestätigt. Die sogenannte Kerninflation – dabei werden die Kosten für Lebensmittel und Energie herausgerechnet – liegt nach Angaben der Statistiker aktuell bei 2,9 Prozent, damit steht sie erstmals seit Februar 2022 unter 3 Prozent. Die Zeit der galoppierenden Inflation scheint vorbei zu sein. Das ist schon deshalb wichtig, weil Geldentwertung in Deutschland stets mit der Hyperinflation der Weimarer Republik assoziiert wird. Dieses Szenario immerhin ist gebannt. Ist jetzt also alles wieder gut? Nein.

Die Stimmung im Land ist schlecht. Das hat auch mit den erheblichen Preissteigerungen in der Vergangenheit zu tun. Gerade Lebensmittel und Energie sind erheblich teurer geworden. Jetzt sind die Preise dafür stabil – das dämpft die Inflation. Aber das Preisniveau bleibt hoch, selbst wenn die Kosten für einzelne Produkte zwischenzeitlich etwas zurückgegangen sind. Die Geldentwertung erscheint vielen nahezu täglich vor Augen, wenn sie an der Supermarktkasse bezahlen. Denn für das gleiche Geld gibt es deutlich weniger Waren.

Es trifft die Ärmeren

Dabei hat ein Teil der Bür­ge­r:in­nen heute durchaus mehr Geld zur Verfügung, als die Inflation verschlungen hat. Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat ausgerechnet, dass die Preissteigerungen in den vergangenen fünf Jahren bei 20 Prozent lagen, der Anstieg der Nettolöhne aber bei 24 Prozent. Allerdings: Ausgerechnet bei denen am unteren Ende der Lohnskala ist nicht genug hinzugekommen. Der Mindestlohn liegt bei 12,41 Euro pro Stunde und steigt 2025 auf 12,82 Euro.

Nach Berechnungen des DGB müsste er jetzt mindestens 14 Euro betragen, um die Inflation auszugleichen. Menschen mit geringen Einkommen treffen Preissteigerungen besonders hart, weil sie einen größeren Teil ihres Geldes für den Grundbedarf wie Nahrung und Wohnkosten ausgeben müssen. Die Mindestlohnkommission ist offensichtlich nicht dazu in der Lage, für einen angemessenen Inflationsausgleich zu sorgen – und die Bundesregierung lässt sie gewähren.

Die Mindestlohnkommission ist nicht in der Lage, für einen Ausgleich zu sorgen

Die von Bundeskanzler Olaf Scholz in Aussicht gestellte Erhöhung für das übernächste Jahr ist bislang nicht mehr als ein leeres Versprechen. Für Bür­ge­r:in­nen mit wenig Geld, deren Konto permanent im Minus ist oder die gerade so über die Runden kommen, ist jede Preiserhöhung ein Schlag. Flacht die Inflation ab, wird die Misere nicht größer, aber auch nicht kleiner. Und auch Leute mit einem mittleren oder hohen Einkommen ärgern sich über Preissteigerungen, einfach, weil sie sich abgezockt fühlen. Sie ärgern sich zurecht darüber, dass der Staat nichts gegen die „Gierflation“ unternimmt: überzogene Preissteigerungen, mit denen Unternehmen die Inflation als Vorwand nutzen, um ihre Gewinne zu steigern.

Selbst EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Gierflation als Problem ausgemacht – weil die EZB gegen diesen Preistreiber nichts ausrichten kann. Die Bundesregierung könnte das aber mit einer Übergewinnsteuer, die auch vorbeugenden Charakter hätte. Eine solche Gewinnabschöpfung mag unterm Strich finanziell nicht viel bringen, politisch aber schon: Sie würde von vielen Bür­ge­r:in­nen als gerecht empfunden.

Die Bundesregierung kann nichts daran ändern, wenn eine schlechte Ernte im Mittelmeerraum dafür sorgt, dass die Olivenölpreise um 47 Prozent steigen. Aber das heißt nicht, dass sie der Preisentwicklung ansonsten tatenlos zuschauen muss. Mit einer klugen Steuerpolitik könnte der Staat dafür sorgen, dass gute und gesunde Lebensmittel dauerhaft preiswert sind. Die Regierenden müssen das nur wollen. In der Energiepreiskrise hat die Bundesregierung mit den Preisbremsen für Strom und Wärme gezeigt, wie sie explodierende Kosten für Bür­ge­r:in­nen dämpfen kann. Solche Instrumente müssen für Menschen mit geringem Einkommen grundsätzlich eingesetzt werden. Wer wenig Geld hat, befindet sich in einer Dauekrise.

Ein Megaproblem, das bis weit in die Mitte der Gesellschaft reicht, sind die hohen Mieten. Sie steigen nicht nur in Ballungsräumen und sind ein großer Treiber der Inflation. Die Bundesregierung unternimmt dagegen zu wenig. Ihre Mietpreisbremse ist quasi wirkungslos, von den versprochenen neuen Wohnungen wird nur ein Teil fertig. Ohne Eingriffe, wie es Preisfestsetzungen in Form eines Mietendeckels wären, ist dieses Megaproblem nicht in den Griff zu bekommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben