Hungerstreik vor dem Reichstag: Lassen Sie sich erpressen!

Gehen die drei Kanz­ler­d­an­di­da­t*in­nen auf die Hungerstreikenden ein, könnten sie einen Präzedenzfall schaffen. Doch es geht um Menschenleben.

Ein Klimaaktivist und eine KLaimaktivistin im Hungerstreik

Lea Bonasera und Jacob Heinze im Hungerstreik im Berliner Regierungsviertel Foto: Wolfgang Borrs

Seit drei Wochen haben die Hungerstreikenden in Berlin jetzt nichts mehr gegessen. Sie fordern ein ehrliches, öffentliches Gespräch mit den drei Bun­des­kanz­ler­kan­di­da­t*in­nen über ihre Sorgen bezüglich der Klimakrise. Stattfinden soll es noch vor der Wahl. Wenn sie das bekommen, wollen sie wieder anfangen zu essen. An Tag 22 haben sie noch immer keine Zusage für ein solches Gespräch. Was, wenn sie sie nie bekommen? Sie sagen: Dann bleiben wir im Hungerstreik. Unbefristet.

Die drei Kanz­ler­kan­di­da­t*in­nen sind in einer schwierigen Lage. Wenn sie auf die Forderung der Hungerstreikenden eingehen, schaffen sie vielleicht einen Präzedenzfall für diese Form des Protests – machen sich erpressbar. Diese Sorge ist verständlich. Aber sie sollte nicht größer sein als die Sorge um die jungen Menschen, die im Hungerstreik sind.

Es ist vielleicht schwer vorstellbar, dass es wirklich dazu kommt, dass direkt neben dem Bundestag ein Mensch im Hungerstreik stirbt. Und ja, drei Streikende haben nach gesundheitlichen Problemen abgebrochen. Die anderen drohen hingegen, den Streik noch zu verschärfen: Ab Donnerstag wollen sie auch die Aufnahme von Flüssgigkeit einstellen, wenn sie kein Gespräch bekommen. An Tag 22 des Streiks muss man also langsam die Frage zulassen: Was, wenn hier wirklich jemand stirbt?

Die Last, die die Streikenden auf ihren Schultern tragen, ist groß. Da ist diese riesige Angst vor der Klimakrise, vor einer Zukunft in Chaos. Da ist die Angst, im Hungerstreik zu sterben. Und da ist die Verantwortung weiterzumachen. Es geht den Streikenden darum, die Dramatik zu vermitteln, die sie angesichts des Klimawandels verspüren. Dass sie jung sind und eigentlich nicht sterben wollen, heißt nicht, dass sie dafür nicht wirklich den eigenen Tod in Kauf nehmen werden.

Selbst wenn sie letztlich zu der Überzeugung kommen sollten, dass die Aktion fehlgeschlagen ist und sie doch lieber auf Demos weiterkämpfen wollen als zu sterben: Wer sagt, dass nach drei Wochen des öffentlichen Streiks nicht der Druck gewinnt, sich für die Sache und gegen das Leben zu entscheiden?

Frau Baerbock, Herr Laschet, Herr Scholz, nehmen Sie diesen jungen Menschen die Last dieser Entscheidung! Und wenn das heißt, dass Sie sich damit erpressen lassen, dann lassen Sie sich eben erpressen. Wenn Sie die Streikenden schon nicht ernst nehmen, dann seien Sie wenigstens die Erwachsenen hier. Die Streikenden wollen ein Gespräch. Sie haben echte Ängste, echte Sorgen.

Man mag sie übertrieben finden, aber man kann sie deswegen nicht ignorieren. Geben Sie diesen Menschen angesichts der Klimakrise einen Grund, keine Angst mehr zu haben – oder wenigstens etwas weniger verzweifelt zu sein. Sie haben nicht genug in der Hand, um sich darauf zu verlassen, dass sich die Streikenden am Ende noch für ihr Leben entscheiden.

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