Hohe Energiepreise: Dramatisch unterschätzt
Die Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen kommen viel zu spät. Und Endverbraucher:innen von Energie werden mit der Krise ganz allein gelassen.
B undeswirtschaftsminister Robert Habeck hat angekündigt, neben der Industrie auch kleine und mittlere Unternehmen angesichts der extrem steigenden Energiepreise unter die Arme zu greifen. Das ist richtig. Aber die Ankündigung kommt spät, denn viele Betriebe fahren ihre Produktion bereits herunter. Es ist ein Indiz dafür, dass in den vergangenen Wochen etwas mächtig schiefgelaufen ist im Bundeswirtschaftsministerium.
Die Verantwortlichen haben die Wucht der Energiepreiskrise dramatisch unterschätzt und versäumt, rechtzeitig gegenzusteuern. Jetzt greift die Furcht vor immensen wirtschaftlichen Schäden um sich. Greift die Bundesregierung beherzt ein, kommen die Unternehmen vielleicht mit einem blauen Auge davon. Private Energieverbraucher:innen sind ungeschützt.
Die 300 Euro brutto für Beschäftigte und die anderen bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, um die steigenden Preise für Energie zu kompensieren. Immer wieder kursieren Beispiele für die Vervielfachung von monatlichen Abschlagszahlungen auf viele Hundert Euro im Monat – denn das geschieht, etwa wenn Verbraucher:innen befristete Verträge hatten, weil sie über Internetportale billige Anbieter gewählt haben.
Und genau das haben Politik und Verbraucherschützer:innen in der Vergangenheit geraten. Wer dem gefolgt ist, hat jetzt ein möglicherweise existenzbedrohendes Problem. Auch für die übrigen ist es schwierig. Die Preissprünge sind durch Energiesparen nicht kompensierbar.
Die Bundesregierung unternimmt zu wenig, um Bürger:innen vor dem finanziellen Fiasko zu schützen. Was aus dem angekündigten Strompreisdeckel wird, ist völlig ungewiss. Andere Länder wie Spanien oder Belgien sind längst tätig geworden, während Deutschland auf Entscheidungen auf EU-Ebene wartet. Und von einem Gaspreisdeckel will die Regierung nichts wissen. Dabei ist er das beste Instrument, um Wirtschaft und Privatleute halbwegs unbeschadet durch die Krise zu bringen. Frappierend ist, dass der konservativen Regierung in Großbritannien das klar ist, der rot-grün-gelben in Deutschland aber nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken