Hindenburgstraße in Hamburg: Keine Ehre mehr, wem keine gebührt

Linke, Grüne und SPD wollen den Namen von Hitlers Steigbügelhalter aus einem Straßennamen streichen. An­woh­ne­r*in­nen sollen mithelfen.

Hitler und Hindenburg sitzen nebeneinander im "Reichsehrenmal" in Tannenberg, dem heutigen polnischen Olsztynek am 27. August 1933

Wer will denn nach ihm heute noch eine Straße benennen? Hamburg will die letzte Hindenburgstraße abschaffen Foto: dpa

HAMBURG taz | 1917 wurde Paul von Hindenburg Ehrenbürger Hamburgs, 1926 wurde eine Straße nach ihm benannt. Jetzt soll sie nach knapp 100 Jahren umbenannt werden – das fordern die Fraktionen von Grünen, SPD und Linken in ihrem Antrag, der am heutigen Donnerstagabend in der Bezirksversammlung Nord diskutiert wird. Die Straße verläuft durch die Stadtteile Alsterdorf und Winterhude. Auf ihrer Strecke befindet sich auch die Hindenburgbrücke, die ebenfalls umbenannt werden soll.

Die Linke hatte Ende vergangenen Jahres einen ersten Antrag in der Bezirksversammlung gestellt, die Hindenburgstraße nach dem Hamburger Schriftsteller Wolfgang Borchert zu benennen. Dieser konkrete Vorschlag ist im jetzigen, gemeinsamen Antrag von Grünen, SPD und Linken nicht mehr enthalten. „Wir finden, dass es Zeit für eine Frau wäre“, sagt Timo Kranz von der Grünen-Fraktion Nord.

Nur 474 Straßen in Hamburg sind nach Frauen benannt, das entspricht 14 Prozent aller nach Personen benannten Straßen. In 66 Fällen davon sind Frauen allerdings nur nachträglich mitgenannt worden, sie teilen sich den Straßennamen also mit Männern.

Das erste Mal waren die Grünen 1988 mit einem Antrag auf Umbenennung der Hindenburgstraße gescheitert. 2013 hatten die Grünen den Vorschlag erneut eingebracht, unterstützt von SPD und FDP im Bezirk. Die Umsetzung scheiterte jedoch am Veto des Hamburger Senats. Der damalige SPD-Fraktionschef und heutige Finanzsenator Andreas Dressel sagte dazu dem Hamburger Abendblatt: „Das Eliminieren von Geschichte ist ahistorisch.“

CDU will gegen den Antrag stimmen

In Hannover wurde die Hindenburgstraße im vergangenen Jahr in Loebensteinstraße umbenannt. Die Namensgeberin ist Lotte-Lore Loebenstein, ein jüdisches Mädchen, sie wurde im KZ Sobibor ermordet.

Die Umbenennung dauerte mehrere Jahre, da Anwohner*innen gegen den Beschluss des Stadtbezirksrats zur Umbenennung geklagt hatten. Das Lüneburger Oberverwaltungsgericht entschied jedoch, dass eine Umbenennung rechtmäßig sei.

In Clausthal-Zellerfeld, einer Gemeinde in Niedersachsen, ging das deutlich schneller: Bereits im Jahr 2004 wurde dort der Hindenburgplatz in „An der Marktkirche“ umbenannt.

In vielen anderen norddeutschen Städten gibt es die Hindenburgstraße bis heute immer noch. Etwa in Bad Oldesloe, Bremen, Delmenhorst, Lüneburg und auf der ostfriesischen Nordseeinsel Borkum.

Der Kompromiss: Der 1,3 Kilometer lange Teil der Hindenburgstraße zwischen Borgweg und Jahnring wurde nach dem sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Otto Wels benannt. Wels hatte 1933 trotz Anwesenheit von SA-Männern im Saal gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt, welches das Ende der parlamentarischen Demokratie besiegelte. Ab dem Jahnring blieb der Name Hindenburgstraße, deren Namensgeber als Steigbügelhalter Hitlers gilt. Als Reichspräsident hatte Paul von Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt.

Den Gegensatz zwischen beiden Namen findet die CDU-Fraktion im Bezirk Nord erhaltenswert. „Wir glauben, dass die Teil-Umbenennung von 2013 das richtige Signal für eine historische Einordnung setzt“, sagt Fraktionschef Andreas Schott. Wenn auch der verbliebene Rest der Hindenburgstraße umbenannt würde, würde das den Kontext für die Otto-Wels-Straße wieder entfernen, sagt Schott. Die CDU will deshalb gegen den Antrag stimmen.

Die grundsätzliche Frage ist, ob Personen, nach denen Straßen benannt sind, regelmäßig auf die heutige Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüft werden müssen. Schott findet das nicht. „Straßennamen müssen im Kontext ihrer Zeit verstanden werden“, so der Fraktionsvorsitzende. Sie zu ändern, gleiche einer „historischen Säuberung der Stadt“.

Chancen auf Erfolg stehen besser

Kranz rechnet trotzdem mit einer Mehrheit für den Antrag. Bei der Namensfindung soll die Nachbarschaft einbezogen werden. „Wenn der Antrag angenommen wird, können An­woh­ne­r*in­nen dem Bezirksamt per E-Mail Vorschläge für künftige Namen zukommen lassen“, sagt Kranz. Anschließend würden diese in den Regionalausschüssen Winterhude und Alsterdorf diskutiert, da die Straße in beiden Stadtteilen liegt. Im Frühjahr soll dann der endgültige Namensvorschlag in der Bezirksversammlung Nord abgestimmt und dem Senat vorgelegt werden.

Timo Kranz schätzt die Chancen auf einen Erfolg deutlich besser ein als 2013. „Wir sind noch mal zehn Jahre weiter“, sagt Kranz. Auch wenn von den An­woh­ne­r*in­nen Gegenwind zu erwarten sei. „Klar ist es nervig, seine Adresse zu ändern, das betrifft bei einer so langen Straße auch viele“, sagt er. Diesen Aufwand mit den inhaltlichen Argumenten abzuwägen, sei allerdings wie „Äpfel mit Birnen vergleichen“. Eine Straßenbenennung sei eine Ehrung, so Kranz, und diese könne man im Falle Hindenburgs nicht stehen lassen.

Einige Male wurde der Name Hindenburg bereits aus dem Hamburger Straßenregister entfernt – wenn auch nicht aus politischen Gründen, sondern um Verwechslungen zu vermeiden. Acht Straßen mit seinem Namen gab es einst, wie ein Adress­buch von 1949 belegt. Nun ist nur noch eine übrig. Womöglich nicht mehr lange.

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