Hamburger Prozess um „Schülerlotsen“: Zu Recht beleidigt?
Weil er einen Polizisten als „Schülerlotsen“ bezeichnet hatte, ist Ale Dumbsky wegen Beleidigung angeklagt. Am Dienstag hat der Prozess begonnen.
Der Vorfall ereignete sich bei einer Kontrolle der verhängten Coronamaßnahmen: Weil Betreiber:innen des Anarchisten-Ladens in der Balduinstraße auf St. Pauli Crêpes durch die Eingangstür nach draußen verkauft haben, entstand der Eindruck, dass diese nicht eingehalten würden. Rund 20 Beamt:innen waren bald vor Ort, sagte Dumbsky der taz im Oktober. Der beleidigte Polizist soll vor dem Ausspruch „Schülerlotse“ dadurch aufgefallen sein, dass er verkündet habe: Was Recht ist und was nicht, entscheide die Polizei.
Der Prozess begann mit einer 45-minütigen Erklärung des Angeklagten. Mit bloßem Auge sei nur schwer die „Ehrverletzung“ in der Verwendung des Begriffs „Schülerlotse“ zu erkennen, sagte er – völlig unabhängig davon, ob und wer denn nun den Begriff tatsächlich in Anwendung gebracht habe. Die Verteidigung führte im Anschluss aus, dass es sich um eine „sehr verquere Selbstwahrnehmung“ seitens des Polizisten handeln müsse, wenn dieser sich durch die Begrifflichkeit des „Schülerlotsen“ persönlich beleidigt fühle.
Die Beweisaufnahme brachte am ersten Prozesstag erst einmal nicht viel Neues: Der betroffene Polizeibeamte G. sagte lediglich, dass der Angeklagte Dumbsky in die damalige Situation hinein – also nicht individuell zuzuordnen – den Begriff „Schülerlotsen“ gesagt haben soll. Und, dass der Angeklagte sehr laut gewesen sein soll.
Auf die Frage, warum er beleidigt sei, antwortete der Beamte, dass man über den Begriff sicherlich streiten könne. Aber im Kontext der damaligen Situation habe er sich beleidigt gefühlt, weil er die Begrifflichkeit als Degradierung empfunden hätte: Er sei damit zu einer Art Hilfsangestellten gemacht worden.
Die Zeugenvernehmung konnte am Dienstag nicht beendet werden. Der Prozess geht am Freitag, den 10. Dezember weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trump und Krypto
Brandgefährliche Bitcoin-Versprechen