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Krieg in der UkraineGegen Soldaten helfen nur Soldaten

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

Wer Investitionen in Infrastruktur und Soziales gegen notwendige Aufrüstung ausspielt, lebt in der Vergangenheit – und lenkt vom eigenen Versagen ab.

Katastrophe Krieg auf der internationalen Waffenmesse LAAD im April 2025 in Rio Foto: Nikita Teryoshin

D ie Zivilgesellschaft in Deutschland ist chronisch erfolglos. Autos beherrschen ungebremst den öffentlichen Raum, Kinder und Jugendliche sind eine mit Verachtung für ihre Rechte behandelte Gruppe, das Gesundheitssystem ist ein Klassenregime, das das Elementarste, die Lebenszeit, für die gesetzlich versicherte Hälfte verringert, Abtreibung ist immer noch nicht legalisiert, die Vermögensverteilung ist so, dass man von Verteilung gar nicht sprechen kann, am Anwachsen rechtsextrem-rassistischer Bewegungen und der Etablierung eines illegalen Grenzregimes hat kein noch so kreativer so­zia­ler Widerstand etwas geändert – und wenn mal eine Regierung am Ruder ist, die im mikroskopischen Maßstab linke Inhalte durchzusetzen gewählt worden ist, dann hält sie gegen den Lobbydruck noch nicht mal eine Legislaturperiode durch.

Das alles hat nichts mit dem russischen Überfall auf die Ukrai­ne und der seitdem anstehenden verteidigungspolitischen Umorientierung zu tun. Es sind alte Leiden einer schwachen Bewegung, die sich eben – Beispiel jetzt –, wenn es mit dem Abwenden der Klimakatastrophe unter dem Label „Letzte Generation“ nicht klappt, einfach in „Neue Generation“ umbenennt, als ob das nicht ein schwerwiegendes logisches Problem darstellte.

Insofern gilt unverändert, was Wiglaf Droste vor 30 Jahren in einem Zeit-Interview feststellte: „In Deutschland leben heißt knietief durch Kot waten.“

Dass der Kot durchaus noch höher stehen kann, hat kürzlich der russische Oppositionelle Oleg Orlow in einem Interview mit der linken italienischen Zeitung il manifesto festgehalten.

„Haben Sie den ganzen Nachmittag Zeit?“

Orlow wurde 2024 im Alter von 71 Jahren zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, von denen er sechs Monate absitzen musste. Auf die Frage des italienischen Kollegen, wie es in Putins Knast war, antwortet er:

„Haben Sie den ganzen Nachmittag Zeit? (lächelt) Verglichen mit den Erfahrungen der politischen Gefangenen in Russland war meine Erfahrung ziemlich leicht. Sie hielten mich in fünf verschiedenen Gefängnissen fest, aber bei mir haben sie nie das angewandt, was wir in Russland ‚Bespredel‘ nennen, das heißt jene kon­ti­nuier­lichen und systematischen Machtmissbräuche, die Beleidigungen, Demütigungen, bis hin zu Schlägen, Folter und so weiter beinhalten, die das tägliche Brot vieler politischer Gefangener sind. Wie auch immer, es ist sehr hart, es ist kein Fe­rien­haus (lächelt wieder).“

Hintergrund des Gesprächs mit Orlow ist der Versuch, die Menschenfeindlichkeit des Pu­tin’­schen Mafiaregimes ­einem linken, italienischen Publikum vor Augen zu führen, das in noch höherem Ausmaß als in Deutschland diese Gefahr nicht wahrhaben will beziehungsweise bewusst leugnet und die notwendigen analytischen wie materiellen Anpassungen ablehnt; wobei sich darin wie in der Verächtlichmachung des ukrainischen Freiheitskampfs auch in Italien die Ränder von ganz links bis ganz rechts innig einig sind.

Noch mal: Es sind nicht das 5-Prozent-Ziel und nicht die Hilfe für die gemarterte Ukrai­ne, die Deutschlands Infrastruktur zerbröseln lassen und vielen Menschen ihre Zukunftschancen beschneiden. Wenn man dafür partout die Schuld nicht bei sich selbst suchen möchte, muss man sich schon als erste Adresse an Frau Merkel wenden, denn sie war von November 2005 bis Dezember 2021 Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

Deutscher Sozialpazifismus

Ausgerechnet jetzt auf die Idee zu kommen, den Schutz des bisschen rechtsstaatlichen und zivilisatorischen Firnisses, den dieses Land seit der (militärischenyou remember?) Befreiung vom Nationalsozialismus dann doch bewahrt und entwickelt hat, gegen zu reparierende Brücke auszuspielen, kann nur bedeuten, dass man über diese Brücke russische Panzer fahren lassen möchte. Beziehungsweise französische, britische oder griechische oder wer sonst bereit sein wird, den sich ja zuletzt in der Eurokrise wieder einmal auf dem Kontinent höchst beliebt gemacht habenden Deutschen im Ernstfall zu Hilfe zu kommen.

Es ist diese arrogant-kolo­nia­le Attitüde, die am deutschen Sozialpazifismus besonders unangenehm ist und die, nicht ganz überraschenderweise, sich in Russland wiederfindet, wo auch ein Herrenvolk gern andere die Drecksarbeit machen lässt.

Orlow sagt auf die Frage, welche Menschen aus Russland eigentlich konkret in der Ukrai­ne kämpfen, töten und sterben, es seien solche aus „den ärmsten Regionen, wo der Krieg unterstützt wird, weil Krieg Geld bedeutet. Man entscheidet sich dafür, seine Kinder und seine Ehemänner an die Front zu schicken und dafür eine Geldsumme zu erhalten, die sie, glauben Sie mir, niemals in ihrem ganzen Leben sehen könnten. Der Krieg ist für einige eine sehr wichtige Einnahmequelle.“

Niemand hat Bock auf welche Form von Wehrdienst auch immer. Alle möchten lieber Geld für schöne Dinge ausgeben, anstatt für Killerdrohnen. Aber gegen Soldaten helfen nun mal nur Soldaten.

Aufgabe fortschrittlicher Kräfte in diesem Land ist es nicht, von vergangenen Versäumnissen und Niederlagen abzulenken, sondern den Prozess kritisch zu begleiten, der die Bundesrepublik als zentrale, solidarische Kraft der gesamteuropäischen Verteidigung etabliert. Denn die größte Schwäche von allem was links ist, ist derzeit: Friedrich Merz schützt die Freiheit von uns allen besser als sie.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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52 Kommentare

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  • Ich verstehe nicht so Recht was mir dieser Kommentar sagen will.



    Im letzten Abschnitt kommt der Begriff "gesamteuropäischen Verteidigung" vor.

    Wenn es die wirklich geben würde, dann müsste man sich über eine Bedrohung durch Russland überhaupt keine Gedanken machen: Die EU hat 2024 verglichen mit Russland



    - mehr als doppelt so hohe Militärausgaben (326Mrd vs 149Mrd)



    - dreimal so viel Bevölkerung (450Mio vs 145Mio)



    - Mehr als die siebenfache Wirtschaftsleistung (> 15 Billionen BIP vs 2 Billionen BIP)

    Ich habe gelesen, dass sich Militärexperten (wie zB Carlo Masala) vorstellen können, dass Russland die NATO vielleicht "testet", indem es begrenzte militärische Operationen in den baltischen Staaten durchführt und dass man deshalb Aufrüsten muss, zur Abschreckung.

    Wenn man wirklich eine echte Abschreckung will, dann müssten sich die Staatschefs der Länder in der EU nur hinstellen und überzeugend erklären, dass sie die "gesamteuropäischen Verteidigung" tatsächlich ernst nehmen und das nicht nur eine leere Beistandsverpflichtung in den Verträgen von Lissabon ist.

    Aber genau da ist das eigentliche Problem...

    • @lundril:

      Immer die gleiche Leier. Also:

      1. Ein Teil des russischen Haushalts ist geheim.

      2. Eine Geldeinheit kauft in Russland mehr Leistung als hier.

      3. Russland hat nicht die Reibungsverluste, die die Koordinierung von x nationalen Armeen mit sich bringt.

      4. Die EU investiert gerade um Defizite aufzuholen. Von daher fließt nicht jeder der Euros in mehr Kampfkraft.

    • @lundril:

      Doppelte Ausgaben heißen nicht doppelte Kampfkraft. Und sei es nur beispielhaft der Sold eines deutschen Berufssoldaten, dem eines russischen Wehrpflichtigen oder Häftlings gegenübergestellt.

      Hinstellen und erklären funktioniert bei so jemandem wie Putin nur wenn im Hintergrund auch genug Panzer und Raketen zu sehen sind.

  • Herr Waibel bringt es auf den Punkt.

  • Wer Investitionen in Soziales und Bildung gegen militärische Aufrüstung „auszuspielen“ nennt, ignoriert, dass Demokratien nicht nur mit Waffen verteidigt werden – sondern vor allem durch gerechte Gesellschaften. Wer Freiheit wirklich schützen will, muss sie zuerst für alle ermöglichen: durch gleiche Bildungschancen, gerechte Gesundheitsversorgung und demokratische Teilhabe – und das im gelebten Alltag.

    Der Verweis auf russische Kriegsverbrechen ist berechtigt – aber aus ihm folgt keine Blankovollmacht für ein Aufrüstungsnarrativ, das mit jeder Milliardenforderung mehr an der sozialen Substanz der Gesellschaft zehrt. Denn die Frage lautet nicht: „Wollen wir Brücken oder Panzer?“ – sondern: „Wie lange hält eine Gesellschaft das Auseinanderdriften aus, bevor ihr innerer Frieden bröckelt?“

    Wer die Debatte über Verteidigung zur moralischen Entweder-Oder-Frage zuspitzt, verschleiert die zentrale Herausforderung: Eine Demokratie verteidigt sich nicht nur an der Grenze, sondern auch im Klassenzimmer, im Krankenhaus, auf dem Wohnungsmarkt. Und wer dort zu spät kommt, gefährdet nicht weniger die Stabilität des Landes als ein schlecht ausgestattetes Heer.

    • @Stefan Schmitt:

      Wenn russische Raketen auf mein Dach prasseln, sind mir meine Bildungschancen egal.

      Wenn ich in einem Lager in Sibirien sitze, werde ich ohnehin keine Gesundheitsversorgung haben.

      Es geht nicht mal um Kriegsverbrechen.

      Es geht darum, dass ein faschistisches Imperium sich gerade ausbreitet.

      Wollten Sie jetzt wirklich unbedingt Herrn Waibel bestätigen?

      • @rero:

        Auch bei uns breitet sich gerade ein faschistisches Imperium aus, AFD genannt. Das ist die Gefahr und jene, kopflosen Narrativen hinterherzujagen. Lassen Sie sich nicht einschüchtern, Angst war schon immer ein schlechter Berater. Und einfache Lösungen auch.

  • "Denn die größte Schwäche von allem was links ist, ist derzeit: Friedrich Merz schützt die Freiheit von uns allen besser als sie."

    Die maximale Provokation der Linken mit dem Holzhammer! Doch die Fakten stimmen nicht! Gegenposition von Dr. Alexander Lurz, Greenpeace-Experte für Frieden und Abrüstung

    „Die russische Aggression gegen die Ukraine hat in Deutschland einen angstgetriebenen Aufrüstungsreflex ausgelöst, obwohl die Nato Russland militärisch deutlich überlegen ist. Das gilt selbst dann, wenn sich die USA unter Präsident Donald Trump wirklich aus Europa zurückziehen sollten. Verteidigungsminister Pistorius sollte daher die Angst in der Bevölkerung nicht weiter schüren. Die massiven Strukturprobleme der Bundeswehr löst er damit nicht“

    www.greenpeace.de/...eich-nato-russland

  • Es ist diese arrogant-kolo­nia­le Attitüde, die an deutscher bzw. westlicher Selbstherrlichkeit besonders unangenehm ist und die, nicht ganz überraschenderweise, Vorbild für alle Länder ist, wo auch ein Herrenvolk gern andere die Drecksarbeit machen lässt. Da scheint der Kant’sche Kategorismus hegemonialen Anspruchs durch: „Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.“

    Dieser Defintivartikel bestimmt die elitäre Herrschaft einer Oberschicht, die auf Kosten der anderen und der Umwelt lebt, als notwendige Ordnung der Welt und damit den Krieg gegen fremde Nationen und die eigenen unteren Schichten als status civils.

    „Bei dem Begriffe des Völkerrechts, als eines Rechts zum Kriege, läßt sich eigentlich gar nichts denken, es müßte denn darunter verstanden werden: daß Menschen, die so gesinnt sind, ganz recht geschieht, wenn sie sich unter einander aufreiben und also den ewigen Frieden in dem weiten Grabe finden, das alle Gräuel der Gewaltthätigkeit sammt ihren Urhebern bedeckt.“

    • @DemokratischeZelleEins:

      Wem dient das Recht –



      wenn es nur noch überlebt,



      indem es tötet?

  • "Man darf nicht Landesverteidigung gegen Soziales ausspielen" sagt der Autor - um dann Landesverteidigung gegen Soziales auszuspielen.

    Friedrich Merz als Vorbild, der das Bürgergeld durch seinen Bluthund Linnemann komplett streichen lassen will?

    Ein paar Anmerkungen:

    A Robuste Landesverteidigung ist selbstverständlich notwendig.

    B Worin genau besteht die Bedrohungslage durch Russland? Konventionell schaffen sie es nicht, die Ukraine zu besiegen. Würde das gegen ein verbündetes Europa einfacher? Große Gefahr besteht vielmehr in hybrider Kriegsführung, Drohpotenzial mit Atomwaffen und innerer Zersetzung.

    C Was schützt vor innerer Zersetzung und einem zerstrittenen Europa? Freiheit, Massenwohlstand, Bildung, individuelle Potenzialentfaltung, Wohnungen, Gleichheit.

    D Ich würde mich als "Linken" bezeichnen, sehe aber trotzdem die Notwendigkeit des Schutzes gegenüber Russland (wie übrigens auch die finnischen Linken). Wir senden aber fatale Signale, wenn wir Schulden nur für die Aufrüstung machen, aber kein Sondervermögen Bildung / Wohnen.



    So werden sich keine Soldat:innen motivieren lassen.

  • Seit 20 Jahren laufen mir jetzt in Deutschland ständig Leute über den Weg, für die das Jammern auf hohem Niveau anscheinend eine eigene nationale Disziplin darstellt.

    Der Autor sei doch einmal eingeladen ein britisches Krankenhaus zu besuchen. Wenn er allerdings nur über eine NHS Versicherung ohne private Zusätze verfügt, wird er weder den Chef- noch Stationsarzt zu Gesicht bekommen und er sollte sich auch nicht wundern, wenn in dem Raum noch 5 weitere Bettnachbarn untergebracht sind. Hat er dann noch das Pech, dass er aufgrund der Erkrankung arbeitslos wird, dann kann er sich beim JSA wöchentlich um die £90 abholen, aber auch nur maximal 6 Monate und wenn er vorher Arbeitslosenbeiträge bezahlt hat.

    Er kann auch gerne die ausgezeichnete Krankenversorgung in Skandinavien als Vorbild nehmen. Sollte aber berücksichtigen, dass wie in Norwegen bei einem Erstbesuch beim Hausarzt auch schon einmal 40€ fällig werden und das er, sofern nicht mittellos, für sämtliche Leistungen happige Zuzahlungen tätigen muss.

    Für mich bezeugen Aussagen, wie die des Autors oder von Wiglaf Droste lediglich eine Weltfremdheit. 90% der Weltbevölkerung würden darauf wohl nur mit Unverständnis reagieren.

  • Der letzte Satz tut weh, fasst es aber sehr gut zusammen. Leider.

  • Ein guter Beitrag!

  • Danke. Danke. Danke.

  • "Aber gegen Soldaten helfen nun mal nur Soldaten."



    Oder Technik!



    bei ingenieur.de



    "Der Roboter verfügt über Hände mit fünf Fingern, die insgesamt 20 Bewegungsfreiheiten bieten und durch einen „Tastsinn“ in der Lage sind, Objekte geschickt zu manipulieren. Sanctuary AI beschreibt Phoenix als universell einsetzbaren Allzweckroboter, der menschenähnliche Arbeiten verrichten kann. Das Carbon-Steuerungssystem basiert auf KI und integriert fortschrittliche Techniken, um natürliche Sprache in Aktionen umzusetzen. Es soll Phoenix ermöglichen, Aufgaben ähnlich wie ein Mensch zu erledigen, wobei intelligente Entscheidungen getroffen werden. Dafür nutzen die Entwickler Deep Learning, Reinforcement Learning und eine physikalisch-realistische Weltsimulation zur Schulung des Roboters."

  • Guter Kommentar. Sehe ich auch so.

  • Im Kern hat Herr Waibel absolut Recht.

    "von ganz links bis ganz rechts innig einig sind."

    Oder wie es in Deutschland heißt, von Weidel bis Wagenknecht.

    "Noch mal: Es sind nicht das 5-Prozent-Ziel und nicht die Hilfe für die gemarterte Ukrai­ne, die Deutschlands Infrastruktur zerbröseln lassen und vielen Menschen ihre Zukunftschancen beschneiden."

    Absolut richtig. Die 5% kommen nur zustande, weil Jahrzehnte gespart wurde und die 2% nicht einmal eingehalten wurden. Und obwohl gespart wurde, haben wir nicht für jeden eine bezahlbare Wohnung, volldigitale Schulen etc.

    "gegen zu reparierende Brücke auszuspielen, kann nur bedeuten, dass man über diese Brücke russische Panzer fahren lassen möchte."

    Ja, die neuen Schulen zu Staub gebombt, (was nicht so tragisch ist, da unsere Kinder dann eh in russischen Umerziehungslagern sind wie die ukrainischen Kinder) die neuen Wohnungen für jeden enteignet usw.

  • Genau so sieht es aus. Man kann eine Menge Kritik haben an dem, wie es in Deutschland und der EU aussieht. Ich möchte das trotzdem nicht gegen das russische Imperium eintauschen und das bedeutet, sich zu wehren. Sitzblockaden werden nicht ausreichen, um Panzer aufzuhalten.

    • @Claude Nuage:

      Stimmt – Panzer lassen sich nicht mit Sitzblockaden stoppen. Aber Panzer allein stoppen auch nicht das, was Demokratien wirklich bedroht: soziale Ungleichheit, politische Ohnmacht und das schleichende Gift der Entsolidarisierung. Die Wehrhaftigkeit Europas entscheidet sich nicht nur am Rand der Landkarte, sondern im Zentrum der Gesellschaft.

      Gerade wer autoritäre Regime wie Putins Russland ablehnt, muss verhindern, dass hier genau jene Brüche wachsen, aus denen Autokraten weltweit ihr Kapital schlagen. Freiheit verteidigt man nicht nur mit Waffen, sondern mit Würde – durch gerechte Bildung, bezahlbares Wohnen, demokratische Teilhabe.

      Wir brauchen Sicherheit, ja – aber nicht nur mit Marschbefehl, sondern auch mit Pflegepersonal, Schulplätzen und diplomatischer Intelligenz.



      Sicherheit ist mehr als Abschreckung. Es ist die Kunst, Gesellschaften krisenfest zu machen – von innen heraus.



      Hätten (Konditional) wir diesen Stand, wäre die Diskussion um die mit der Aufrüstung verbundene Wehrpflicht, ähnlich wie bei den Schweizern, obsolet. Und würde einer republikanischen Motivation entsprechen wie zu Zeiten des spanischen Bürgerkriegs.

  • "Ausgerechnet jetzt auf die Idee zu kommen, den Schutz des bisschen rechtsstaatlichen und zivilisatorischen Firnisses, den dieses Land seit der (militärischen – you remember?) Befreiung vom Nationalsozialismus dann doch bewahrt und entwickelt hat, gegen zu reparierende Brücke auszuspielen, kann nur bedeuten, dass man über diese Brücke russische Panzer fahren lassen möchte."

    Vielen Dank, Herr Waibel, für diese Einsichten in den ausführlich dargestellten Hintergrund TAZ'schen Bellizismus! Ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode! Dieser markante Meilenstein auf dem Weg, den die Zeitung offenbar nun einzuschlagen gedenkt, sollte man in gewisser Erinnerung behalten.

  • Sehe das zwiegespalten. Einerseits ist klar, dass sich die Aufrüstung nicht verhindern lässt. Es ist einfach die natürliche Reaktion des Bürgertums auf eine Bedrohung von außen, nach Waffen zu rufen und Krieg als Mittel der Wahl zur Verteidigung ihrer Besitzstände zu rechtfertigen. Da heute die große Mehrheit der Linken eben auch bürgerlich denken und handeln, überzeugen diese Argumente auch dort und Opposition gegen die Aufrüstung wirkt schwächlich. Von daher hat Waibel recht, wenn er auf die Selbstwidersprüche hinweist.



    Andererseits ist sein Plädoyer aber auch selbst widersprüchlich. Die Schilderung der schrecklichen russischen Verhältnisse zeigt unausgesprochen sehr klar, dass der russ. Kriegsmaschine nichts Gleichwertiges entgegengesetzt werden kann. Ein unerschöpfliches Reservoir an Unterdrückten, die ihre Kinder als Kriegssklaven an die Herrschenden verkaufen, gibt es hierzulande nicht, bei aller Ungleichheit, die auch hier herrscht. Und kompensieren kann man den Mangel an sterbewilligen Soldaten auch nicht durch Pathos oder Appelle wie diesen.

    • @Günter Picart:

      Und kompensieren kann man den Mangel an sterbewilligen Soldaten auch nicht durch Pathos oder Appelle wie diesen.

      Nun, ich denke wir brauchen nicht ganz so viele wie Russland.

      Klassische Faustregel zum Kräfteverhältnis:

      Angreifer braucht ca. 3:1 Überlegenheit gegenüber dem Verteidiger.



      Das heißt: Für jeden Verteidiger sollten mindestens drei Angreifer aufgeboten werden, um eine realistische Chance auf Durchbruch oder Sieg zu haben.

      Dazu technologischer Vorsprung bessere Wirtschaftsleistung.

      Ich denke, wenn es ein Umdenken in der Gesellschaft gibt und mehr Solidarität und Unterstützung für die, die uns und unsere Freiheit verteidigen (+ unsere Verbündeten) werden wir es schon schaffen.

    • @Günter Picart:

      Man kann einen Mangel an sterbewilligen Männern aber mit Material und Technologie kompensieren.



      Die Alternative wäre, sich umgehend auf den Rücken zu rollen, sobald eine hinreichend menschenverachtende Diktatur etwas will.

    • @Günter Picart:

      Da der russischen Armee nichts Gleichwertiges entgegengesetzt werden kann, sollten wir vielleicht den militärischen Konflikt vermeiden und uns frühzeitig freiwillig in Putins Reich eingliedern lassen.

      • @Volker Racho:

        Wer ist "wir"? Das ist der Knackpunkt bei allen Kriegen bzw. der Gewinnung von Menschenmaterial dazu. Wenn es erfolgreich geschafft ist, Ihnen zu suggerieren, Sie müssten sich an dem Kampf beteiligen, weil Sie zu einem bedrohten "Wir" gehören und sonst ein Verräter wären, ist das Kind schon im Brunnen versunken.

        • @Günter Picart:

          "Wir" wären in diesem sarkastisch gemeinten Fall die deutsche Bundesregierung, die in ihrer Funktion als Vertreter der deutschen Bevölkerung die Eingliederung ins Putinsche Reich beschließen würden.

          Der Sinn der Aufrüstung ist ja gerade das die EU nicht angegriffen wird, das es nicht zum Krieg kommt. Es sei denn sie denken die bösen Bellizisten planen einen Angriffskrieg auf Russland.

          Das mit dem Kind im Brunnen ist leicht gesagt, sollten sie aber bitte einmal konkret darlegen. Würden sie sagen das die europäischen Regierungen und Bevölkerung falsch liegen Russland aktuell als Bedrohung zu sehen? Würden sie auch sagen das die ukrainische Bevölkerung gerade falsch liegt sich als ein bedrohtes "Wir" zu sehen?

      • @Volker Racho:

        ...und damit die frz. Revolution rückgängig machen? Anders ausgedrückt, scheint mir das Einknickeen vor dem Despoten Putin als infantiler Pazifismus.

        • @Martin L.:

          Ich dachte der Sarkasmus wäre offensichtlich genug.

  • Alle Länder in Europa, die einmal eine starke linke Bewegung hatten können sich heute fragen: Wo sind diese Leute und was machen die eigentlich? Wie denken und fühlen sie heute? Wer heute ein gealterter Linker ist, ein westlicher(!), der wird sich vielleicht noch erinnern, mit wieviel Energie bestimmte Leute sowjetischen Doktrien folgten und etliche auch chinesischen. Allen gemeinsam war die Vietnamerfahrung und das Bedürfnis den Amerikanern in den Arm zu fallen, und den verbündeten Deutschen, beim Nachrüsten mit den Pershings. Und wer einigermaßen im Bilde war erkannte darin die russische Propaganda, die nach Deutschlan machtvoll hineinwirkte. Dies Propaganda wirkt noch heute in Gestalt des BSW, Sarah Wagenknecht, der LINKEN (aus dem Osten), und vielen anderen "Russlandbindungen" wie Münterfering, Stegner und andere aus der SPD. Es ist alles so wie früher auch, nur - Russland ist heute ein mörderischer, sadistischer Mafiastaat geisteskranker KGB-Leute, was aber die Linke nicht wahr haben will. Nur die Grünen haben verstanden. So waten wir hierzulande also weiter durch linken, konservativen und rechten Irrsinn und ein Ende davon ist nicht in Sicht.

  • Stimmt schon, allerdings sind die Deutschen auch sehr anfällig für die andere Gefahr, die autoritäre Tendenz - gehorchen zu wollen-. Das hat Putin geschickt vor allem im Osten nutzen können, indem dort ja die ruhmreiche Russische Armee im kollektiven Gedächtnis als die "Friedensarmee" verankert wurde. Durch gehorsam im NS, dann den Russischen und im Westen den US Freunden gegenüber, die ja nun auch autoritär sind,wird die autoritäre Vereinigung der Gehorchenden leider mit den irgendwie gegen Millitarismus seienden Resten der BRD ex Friedensbewegung zusammen geschweisst. Der Unterschied sollte aber genutzt werden: die Autoritären sind einig gegen Frauen und LGBTI Rechte und für Fossiles weiter so.Es bräuchte also einen Gesellschafts Dienst, der sich den Zukunfts Themen annimmt: Verteidigung gegen autoritäre Dominanzen, Hilfe bei Klimakatastrophen und Hilfe beim Umbau auf nachhaltiges Überleben. Dies sollte Gender-demokratisch-freiwillig sein,also Frauen - Männer & Diverse können wählen, ob Sie Soldat, Umweltsoldat ( Moore vernässen helfen, Umweltgifte ebntsorgen)soziale Dienste Zivis für Inklusion aller (Schulen reparieren, oder ideologische Aufklärung für Abrüstungsverträge werden.

  • Erinnert ein bisschen an die Reaktion der bürgerlichen Sozialdemokratie beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs, als auf einmal alle gemäßigten Sozialdemokraten ihre pazifistisch-internationalistischen Ideale vergaßen und mit Begeisterung in den Krieg zogen, nur weil sie die Verhältnisse in Russland so schrecklich fanden und es der Regierung erfolgreich gelungen war, Russland als den Aggressor hinzustellen.



    Ludwig Frank war schon Anfang September 1914 tot.



    de.wikipedia.org/w..._(Politiker,_1874)

    • @Günter Picart:

      Nicht der schlechteste Versuch, aber würden sie sagen dass Russland 2025 zu unrecht als Aggressor hingestellt wird?

      • @Volker Racho:

        Nein, natürlich nicht (damals übrigens auch nicht völlig zu Unrecht, auch wenn die Lage ganz anders war und das deutsche Reich genauso aggressiv und völkerrechtsvergessen). Vergleichpunkt sind vor allem die schrecklichen Verhältnisse in Russland, die die Linken aufwühlten und als Rechtfertigung für den Krieg akzeptierten, und in dem Punkt ist es heute ähnlich.

  • Man könnte sich tatsächlich parallel um mehrere Dinge gleichzeitig kümmern.



    Fakt ist, dass diese Gesellschaft weiter auseinander driften wird, wenn die politischen Institutionen nichts dagegen tun werden. Und dazu bräuchte es nunmal massive Investitionen in die Daseinsfürsorge, die Jugendhilfe, einen Mindestlohn, der den Namen auch verdient und ganz allgemein auch in sozialen Infrastruktur.



    Passiert das nicht, wird das Vertrauen in eben jene Institutionen weiter verschwinden (was nicht schlecht wäre, wenn es eine starke linke Bewegung gäbe, die hier eine Alternative bieten würde). Und dann werden die wenigen Freiheiten, die die Menschen haben, am Ende nicht von russischen Soldaten, sondern von deutschen Faschisten zu Grabe getragen.



    Und davor schützt ein Friedrich Merz eben nicht.

    • @Piratenpunk:

      Die deutschen Faschisten warten doch gerade ab, dass ihre russischen Brüder das Zu-Grabe-Tragen übernehmen.

      Und die linke Alternative steht daneben und schwenkt ebenfalls begeistert Fähnchen.

    • @Piratenpunk:

      Einer der wenigen, vernünftigen Kommentare hier.

  • "Friedrich Merz schützt die Freiheit von uns allen" Ha, ha, der war gut!

  • Zwei Weltkriege im letzten Jahrhundert sollten eigentlich Beispiel genug sein, dass Soldaten nichts gegen Soldaten bringen. Alle europäischen Staaten waren vor beiden Weltkriegen bis an die Zähne hoch gerüstet. Verhindert hat das überhaupt nichts!



    Was Kriege verhindert, ist diplomatischer Austausch und ein Ausgleich von Interessen. Gerade letzteren lehnen Europa und die USA gegenüber Russland jedoch seit über 25 Jahren strikt ab. Und genau das hat zu der heutigen Situation geführt.



    Der Westen hat es nie für nötig erachtete, Russland in die europäische Sicherheitsarchitektur einzubinden. Warum auch? Denn dann wäre die NATO ja obsolet geworden. So konnte der Russe immer als bleibende Bedrohung herhalten, erst hinter vorgehaltener Hand, jetzt ganz offen.



    Eine srlbstbewahrheitende Prophezeiung!

    Der Autor blendet die Geopolitik des Westens komplett aus, die mit zu der aktuellen Lage geführt hat.



    Dass Minsk 2 von der Ukraine zu keiner Zeit umgesetzt wurde, ohne dass die EU hier Druck gemacht hätte, auch.



    Rechtfertigt dies eine 4+ jährigen Krieg? Aus meiner Sicht auf keinen Fall. Aber es erklärt, wie es dazu kommen konnte. Die Anzahl der Soldaten, hat damit halt überhaupt nichts zu tun.

    • @TeeTS:

      Wenn Sie aus 1933-1945 glauben gelernt zu haben, dass alliierte Soldaten nichts gegen Wehrmachts-Soldaten brachten, und dass diplomatischer Austausch und Ausgleich von Interessen mit Hitlerdeutschland den WKII verhindert hätte, müssten Sie vielleicht nochmal zurück auf die Schulbank ...

    • @TeeTS:

      " Alle europäischen Staaten waren vor beiden Weltkriegen bis an die Zähne hoch gerüstet. Verhindert hat das überhaupt nichts!"



      Doch. Weder der deutsche Kaiser noch der deutsche Führer wurden Anführer der restlichen Welt.



      Kann man jetzt ignorieren oder auch doof finden, ist aber so.

    • @TeeTS:

      Russland war bis 2014 voll in die europäische Sicherheitsarchitektur eingebunden und hat sich dann entschieden, diese aufzukündigen und seine Nachbarn zu überfallen. Das hat zu der heutigen Situation geführt.

    • @TeeTS:

      Und was machen Sie, wenn die Gegenseite nicht auf Interessenausgleich sondern auf knallharte Interessendurchsetzung setzt? Und deren Interessen mit Ihrer Lebensgrundlage oder Ihrem Leben generell unvereinbar sind?

      Sie gehen davon aus, alle anderen seien wie Sie.

  • "Denn die größte Schwäche von allem was links ist, ist derzeit: Friedrich Merz schützt die Freiheit von uns allen besser als sie."

    Nein, Herr Waibel. Das Hinterherlaufen hinter der Politik von Merz ist ein unfehlbares Kriterium dafür, dass man falsch liegt.

    Merz steht in jeder Hinsicht für eine deutsche Politik, die sich ausschließlich aus den schlechtesten deutschen Traditionen speist und keineswegs aus aktuellen Situationen.

    Das heißt auch: Die Politik der Merz-Regierung geht völlig an den aktuellen Herausforderungen vorbei und wird nichts anderes hinterlassen als ein Desaster - wirtschaftlich, sozial und mental.

    • @Uns Uwe:

      Auch Sie gehen nicht auf Herrn Waibels Argumente ein, sondern sagen, dass alles was von Merz kommt grundsätzlich schlecht sei.

      Sorry, aber das ist eine äusserst schwache und armselige Diskursbasis, die eher von Schaum vor dem Mund zeigt.

  • So geht Diskurs nicht: "Gegen Soldaten helfen nur Soldaten!"

    Auf was für einem Niveau ist die einst friedensbewegte taz angekommen? Sicher, alle in diesem Artikel zugeschriebenen Fakten in Bezug auf Russland stimmen, aber das heißt nicht, dass sich damit der Diskurs in Bezug auf das 5-Prozent Ziel erledigt hat!

    Fakten wie: welcher Rüstungskonzern hat wieviel aus dem Topf der Bundesregierung bekommen sind geheim, genauso wie Verträge. Der Bürger solls Maul halten!

    Die Bundeswehr ein Bürokratiemonster mit einem Überhang an Generälen, die vollkommen überflüssig sind

    Keine mediale Diskussion der wahren Stärke Nato versus Russland. Passt auch ganz gut zu einem Journalismus, der sich nicht wehrt embeded bei der Bundeswehr zu berichten, immer mit einem Aufpasser der Bundeswehr an der Seite, der Klartext von seiten der gemeinen Soldaten unmöglich macht.

    Neoliberale Wirtschaftsweise freuen sich auf den Tag, an dem die finanziellen Unsumen für die Bundeswehr aus dem Haushalt finanziert werden müssen, was heißt: Kahlschlag im Sozialstaat wie in den USA!!!! Italiens Linke ist nicht weltfremd, im Gegenteil!

    Immer dieselben Militärexperten in den Talkshows, die alternativlos predigen.

    • @Lindenberg:

      Sehr gut, ich hatte schon den Glauben verloren.

      • @Stefan Schmitt:

        Das Problem ist, dass es keine Glaubensfrage ist.

    • @Lindenberg:

      "Die Bundeswehr (...) mit einem Überhang an Generälen, die vollkommen überflüssig sind"

      Sie scheinen ja ein echter Experte zu sein - bitte gehen Sie doch mal etwas ins Detail, welche Generäle welcher Einheiten überflüssig seien??? Oder spricht einfach die Ideologie aus Ihnen ?

    • @Lindenberg:

      "Keine mediale Diskussion der wahren Stärke Nato versus Russland."



      Wollen wir das wirklich? Ahnungslose die die sich über Dinge den Schädel einhauen, den nichtmal die Experten vollständig ergründet haben? So wie anno 2020? Oder wie bei der Klimakatastrophe?

  • Danke!

    • @Maxhamburg:

      Für nichts….