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Fremdsprachen bald verboten?Man spricht Deutsch

Ist der Erwerb einer Fremdsprache kulturelle Aneignung? Ja, meint Kevin Kühnert und entfacht den nächsten Streit um Identitätspolitik. Eine Satire.

Als die Welt noch in Ordnung war: Gerhard Polt in „Man spricht deutsh“ (1987) Foto: United Archives/Imago

Ja lubię gotować bigos.“ „Ich liebe es, Bigos zu kochen.“ Jeder Pole würde sich freuen, wenn er hören würde, dass ein Deutscher den polnischen Eintopf aus Sauerkraut und Fleisch gerne zubereitet. Doch Kevin Kühnert, SPD-Kandidat aus Tempelhof-Schöneberg für den Deutschen Bundestag, hat mit dem Satz, der in dem deutsch-polnischen Schulbuch „Porozumienie“ (Verständigung) steht, seine Probleme. „Bigos ist ein polnisches Nationalgericht, das sollten wir unseren Nachbarn nicht wegnehmen“, sagt der ehemalige Juso-Chef dem Portal queer.de. „Wir können es gerne essen, wenn wir in Warszawa in ein Restaurant gehen, aber vielleicht sollten wir darauf verzichten, es selbst kochen zu wollen.“ Auf Nachfrage antwortete Kühnert: „Unsere Nachbarn könnten sich beleidigt fühlen, wenn wir ihr Nationalgericht nicht richtig kochen. Vielleicht empfinden sie das als eine Art Germanisierung der polnischen Küche.“

Eine Posse, möchte man glauben, hätte der 31-Jährige in dem Interview nicht noch die Frage gestellt, ob es überhaupt nötig sei, Fremdsprachen zu lernen. „Wenn ich eine Sprache lerne, eigne ich mir die Kultur eines Landes an“, betonte Kühnert. „Nolens volens begebe ich mich in einen fremden Diskursraum, und die Leute, die ihre Sprache sprechen, sind nicht mehr unter sich und fühlen sich womöglich bedrängt.“ Vorsorglich warnte Kühnert davor, dass die Polen den Erwerb ihrer Sprache 82 Jahre nach Kriegsbeginn als „eine Art linguistische Panzer­attacke“ ansehen könnten.

Hat die Kritik der Cultural Appropriation, also der Aneignung einer fremden Kultur, auch die Berliner Schulpolitik erreicht? Ganz so weit will Kühnert nicht gehen. „Natürlich ist es wichtig Fremdsprachen zu sprechen, sonst könnte man sich auf internationaler Ebene nicht mehr verständigen“, sagt er. „Aber man muss versuchen, dies so diskriminierungsfrei wie möglich zu machen.“

Kühnert schlägt deshalb vor, dass Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) eine Kommission einsetzt, die neue Standards für den diskriminierungsfreien Spracherwerb formuliert. „Vielleicht sollten wir in Schulbüchern besser darauf verzichten, Rezepte vorzustellen oder die jeweilige Literatur des Landes.“ Auf keinen Fall, so Kühnert, „dürfen sich Po­l*in­nen verletzt fühlen, wenn wir mit ihnen in ihrer Sprache reden.“

Grüner Wigwam

Ist die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch zu früh eingeknickt? Indianerhäuptling wollte sie als Kind werden, hatte sie jüngst gesagt und sich später für diesen Akt kultureller Aneignung entschuldigt. Nun springen ihr in einer Anzeige andere Grüne zur Seite. Ich hab als Kind in einem Wigwam geschlafen, bekannte Renate Künast. Wolfgang Wieland räumte gar ein, davon geträumt zu haben, Eberhard Diepgen an einen Marterpfahl binden zu wollen. (wera)

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Vonseiten der polnischen Botschaft hieß es, man begrüße es, wenn die „nihilistische Linke“ endlich beginne, nationale Werte zu würdigen. Allerdings lasse man sich von deutschen Politikern nicht verbieten, Deutsch oder Englisch zu lernen. „Als Wirtschaftsnation wollen wir zu den Top 5 in Europa aufschließen“, betonte Botschafter Andrzej Przyłębski. „Dazu gehört auch die Lingua Franca Englisch.“ Przyłębski selbst spricht neben Englisch auch fließend Deutsch, er hat es beim Studium in Heidelberg und seiner Beschäftigung mit Heidegger kennengelernt. Eine Anfrage der taz bei Kühnert, ob das auch ein Fall von Cultural Appropriation sei, ließ dieser unbeantwortet.

Während Kühnert in den sozialen Medien gefeiert wurde, sah sich die Berliner SPD bislang nicht zu einer Stellungnahme in der Lage. Man müsse erst die Sitzung des Landesvorstandes abwarten, sagte eine Sprecherin des Landesverbandes. Allerdings kommentiere man in der Regel nicht die Aussagen eines einzelnen Mitglieds. Zustimmung kam unterdessen von der AfD. „Jede Kultur und jede Sprache ist ein Unikum“, sagte die frisch gewählte Landesvorsitzende Kristin Brinker. „Durch Sprachvermischung droht diese Einzigartigkeit nivelliert zu werden und verloren zu gehen.“

Justizsenator Dirk Behrendt begrüßte Kühnerts Vorstoß. Der Grünenpolitiker brachte dabei ein mögliches Konzept von Mehrheits- und Minderheitensprachen ins Spiel. „Wer einer Spre­che­r*in­nen­grup­pe angehört, die kleiner ist als eine andere Sprecher*innengruppe, darf deren Sprache in der Regel lernen.“ Als Beispiel führt Behrendt an, dass er als Deutscher das Recht habe, Englisch zu lernen, weil es als Weltsprache von nationalen und kulturellen Kontexten weitgehend abgekoppelt sei. „Wenn ich aber Polnisch lernen würde“, pflichtete er Kühnert bei, „eigne ich mir eine Minderheitensprache an, und da muss ich sehr sensibel sein.“

Behrendt schlägt für solche Fälle ein sogenanntes „Mutter*sprachler*innenzertifikat“ vor. „Wenn sich eine Person in einer Diskussion in ihrer Sprache mit Sprecher*innen, die keine Mutter*sprachler*innen sind, nicht wohlfühlt, können sie auf dem Vorzeigen des Mut­ter*sprach­ler*innen­zertifi­kats bestehen. Das soll ihnen garantieren, dass sie sich in einem geschützten Raum befinden.“

Allerdings hat die Bildungssenatorin eine Kommission für diskriminierungsfreien Sprach­erwerb abgelehnt. „In einer multikulturellen Stadt wie Berlin ist die Fremdsprachenkompetenz unerlässlich“, findet Scheeres. Sie verweist zudem auf die 35 Prozent der Berlinerinnen und Berliner mit Migrationshintergrund. „Was ist mit den Bilingua­len?“, fragt sie. „Soll ich die etwa zwingen, sich für eine Sprache zu entscheiden, damit sie wenigstens eines dieser Muttersprachlerzertifikate erhalten?“

Zur Seite sprang Scheeres auch Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). „Ich bin Kevin Kühnert dankbar für seine Forderung“, sagte Thierse der taz, „denn sie zeigt, dass der Wahnsinn der Identitätspolitik nicht bei Forderungen haltmacht, dass weiße Übersetzerinnen keine schwarzen Autorinnen übersetzen dürfen.“

Der Club der polnischen Versager kommentierte den Streit gewohnt humorvoll. „Wenn ein junger weißer Mann wie Herr Kühnert kein Sauerkraut mag, soll er es sagen“, twitterte Club-Legende Adam Gusowski. „Ich habe jedenfalls nichts gegen die Germanisierung der polnischen Küche. Hätte ich als Kind nicht so viel Bigos essen müssen, hätte es in unserer Wohnung weniger gestunken.“ Und noch einen Ratschlag hat Gusowski für Kühnert. „Bei der Panzerattacke der Deutschen vor 82 Jahren haben die Polen schnell gelernt, was ‚Hände hoch‘ bedeutet. Besiegt haben sie die Deutschen mit dieser sprachlichen Aneignung nicht.“

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52 Kommentare

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  • das proplem ist dass oft wörter verwendet werden die nur die hälfte der bevölkerung oder noch viel weniger verstehn ansonsten ich liebe bigos paste flafel spätzle usw,

  • Gelungener Aprilscherz

  • Große 1.-April-Literatur, auf die ich gerne reingefallen bin!

  • Uff, schwieriges Thema. Ja, die Vermischung von sprachen nimmt einiges weg, deshalb sollte man in der schule "reines" deutsch lernen und mMn auch Dialekte. Letztere gehören einfach dazu. Eine sache die ich an Deutschland liebe ist der Föderalismus mit seiner Ansammlung verschiedener Kulturen, da gehören die Dialekte einfach dazu. Ich bin jedes mal stolz wenn man aufgrund mancher wörter und meiner Aussprache erkennt, dass ich franke bin. Gleichzeitig wünschte ich, ich könnte viel flüssiger fränkisch sprechen.



    Bin bissl abgeschweift, zurück zum Thema: ich selbst spreche deutsch, englisch, französisch, spanisch, bissl arabisch und möchte noch italienisch (und wenn möglich japanisch) lernen. Ich sehe das keinesfalls als Aneignung dieser kulturen an, sondern als Gewinn für mich und meiner erfahrung nach freuen sich einheimische wenn Touristen die sprache zumindest teils beherrschen. Es ist ein Kompliment. Sprache öffnet Türen und kann for Demenz schützen, von daher finde ich diese Diskussion unsinnig. Wir nehmen die Sprache ja net weg und sagen die gehört jetzt zu Deutschland. Des weiteren kann man ja auch als Muttersprachler schlecht/respektlos mit meiner sprache umgehen.



    Grüße, ein Oberfranke mit migrationshintergrund

    • @Karim Abidi:

      Du solltest deine Pläne, weitere fremde Sprachen zu lernen, auf Latein, klassisches Griechisch, Gallisch und Hethitisch beschränken. Damit kannst du nix falsch machen.

  • Wie man hier an den vielen Kommentaren sehen kann, ist das lustig gemeint, wir stehen aber vor der Gefahr, dass es an einem Punkt leider doch übertrieben wird. Das sollte uns sehr nachdenklich stimmen.

    • @Heinz Strunk:

      Ja da sollten wir sehr sensibel mit umgehen

  • Das Problem ist eigentlich, dass, selbst wenn man es weiss, dass es ein Scherz ist, ein großer Anteil an Zweifel bleibt. Es ist für den mündigen Bürger nicht einfach zwischen Aprilscherz und Politik zu unterscheiden.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Der passt auf's Auge!



    Hab vor drei Wochen erst die Diskussion mit meinem Vater geführt, ich meinte, vor der nächsten Tour nach Tschechien sollte ich etwas tschechisch lernen, er meinte, dass die Tschechen doch deutsch lernen sollten.



    Speak German or Die!



    www.youtube.com/watch?v=c_q9HV9otUM

  • Die Online-Ausgabe hat einen eigenen Aprilscherz?!



    Jedenfalls ist in der Angelegenheit lustig, dass Gerhard Polt damals in Italien an seinem Drehort von Einheimischen vorgeworfen wurde, er sei (antiitalienischer) Rassist... (vgl. taz vom 21.4.1988)

  • Erster April - Schnarch. Hat man schon besser gesehen, leider nicht in der taz....

  • Ein guter Aprilscherz zeichnet sich dadurch aus, dass er glaubhaft daher kommt.

    • @Rudolf Fissner:

      Bloß keinen Leistungsdruck aufbauen!

  • Genau... der verdammte Deutsche soll wieder schön Kartoffen fressen...

    Ach na, stimmt ja, die kommen aus Mexiko.



    Getreideanbau kommt aus dem Nahen Osten...

    Essen wir halt Regenwürmer. Schnecken sind zu französisch.

    • @danny schneider:

      Kartoffeln kommen ursprünglich nicht aus Mexiko, sondern vielmehr aus dem Andenhochland, also aus der Gegend von Peru und Bolivien.

  • Aprilscherz oder wahr?



    Sollte es tatsächlich wahr sein, ist dies ein sehr trauriger Tiefpunkt und Verrat der Europäischen Idee.

  • Hauptsache - frauman hat nicht diesen metallischen Geschmack im Schnorchel auf Malle - 🤮 - 🏖⛱🏝🏕 -

  • Scheibe, habe erst daran geglaubt.



    Erschreckt doch einen alten Mann nicht so sehr...........



    War kurz davor meine taz-Genossenschaftsanteile zurückzuholen und den Pulver komplett zu versaufen. Denn bei sowas gäbe es keine Rettung mehr....................

  • Kann man/frau/etc. die Nationalen mit solchem Zeug stressen?

    • @aujau:

      Respekt TAZ. Fleischhauer hat unrecht- Linke haben doch Humor;)

  • Scherz?



    Oder nicht?



    Also wie jetzt Kevin?

    Mein persönliches Tagestief war ja, als mein Freund mich mit der Meldung in den April schickte, dass die Schwiegereltern einen Impftermin hätten. Als ich begriffen hab, dass es nur ein Jux war, kamen mir glatt die Tränen.



    Wenn ich aber begreife, dass das hier KEIN Spaß ist, kommt mir das kalte Grausen...

  • Der Film heisst natürlich "Man spricht deutsh".

    Wer zuletzt lacht, hat den Witz nicht verstanden.

  • sehr, sehr schön gemacht. Beinahe drauf reingefallen, Empörungsnerv zuckte schon gefährlich (KEVIN!!!). Dann gemerkt, puh, ist doch bloß 1. April, ein Glück.

    • @kditd:

      Psst, nicht weitersagen ... in anderen Foren, etwa in der ZEIT oder der FAZ, glauben die User diese Aprilente am Ende noch.



      Der Name Kevin Kühnert ist dort noch ein richtiges Reizwort, das regelmäßig und zuverlässig Pawlowsche Reflexe auslöst.

  • heute ist 1.April, nicht wahr?

    • @nutzer:

      Gut gemerkt, auf queer.de gibt es dazu keinen Artikel! Dort stehen ehrlich gesagt auch eher die LGBT-freien Zonen in Polen im Fokus der kritischen Berichterstattung. Die LGBT-freien Zonen in Polen sind leider kein Aprilscherz!

  • Das muss der diesjährige Aprilscherz sein.

    Jedenfalls sollte man dann auch überlegen, ob man Pasta kocht...

  • Illustriert gut, wie weit es bereits ab dem 2. April tatsächlich kommen könnte.

  • Fremdsprachen bald verboten?

    Nein - sicher nicht! In Berlin arbeitet bereits eine Task-Farce mit breiter Amerika Erfahrung fieberhaft an einem „Fremdsprachen-Führerschein“, der es allen, die in einem speziellen Prüfungsverfahren nachweisen können, dass sie eine Fremdsprache beherrschen, erlaubt, diese in Gegenwart anderer qualifizierter Fremdsprachen-Führerschen-Besitzer zu sprechen.

  • Hier gilt Poe's Law



    [de.wikipedia.org/wiki/Poes_Gesetz]:



    Jeder Versuch, die politisch korrekte "Schämt euch"-Kultur zu parodieren, scheitert daran, dass ernst gemeinte Beiträge von Redend*Innen noch abstruser sind als jede denkbare Parodie.

  • Ich habe meine Nichte mit dem Artikel in den April geschickt.

    Er ist einfach klasse.

    Mal sehen, ob wir in zwei Jahren immer noch so entspannt darüber lachen.

  • Och Leute, löst doch Aprilscherze nicht in den Kommentaren auf, die Diskussion derjenigen, die es geglaubt hätten, wäre sicher sehr unterhaltsam gewesen.

    Wobei man ja an sich schon denken sollte, die Idee einer linken Identitätsideologie, die kulturelles Aneignen für etwas Schlechtes hält, sei schlechte Satire.

    • @Ruediger:

      Sie haben recht, das wär sehr geil gewesen. Sorry.

  • Was heute ist ein Scherz, ist morgen schon ein Gefühl und übermorgen ein Diskurs.

  • Ich habe es tatsächlich für "real" gehalten. Erst als ich mich richtig aufregen wollte und sofort den Parteiausschluss von Dirk Behrendt beantragen wollte kam ich auf "Aprilscherz". Ich hoffe inständig, dass es auch so ist.

  • damn, reingefallen

  • Großartiger Aprilscherz, wenn auch mit angezogener Handbremse (die Polen kann man ja durch den Kakao ziehen) ;)

  • Viel fehlt ja nicht, dass es genau so sein könnte.

  • Verdammt, mich habt ihr auch erwischt - herrlich. Beim Panzer war ich kurz skeptisch, hat aber nicht gereicht.

  • Scheisse, ich bin auch reingefallen und habe mich innerlich empört!!



    Dabei war doch Polt abgebildet......

  • April, April - mir fällt ein Stein vom Herzen. Das Schlimme ist, dass man anfangs glaubt, es könnte wirklich wahr sein. Mein armer Blutdruck. Jetzt kann ich mich entspannen ... :-)

  • 1G
    13566 (Profil gelöscht)

    Stimmt, heute war ja etwas...



    Das traurige ist doch:

    Es hätte tatsächlich so sein können.

  • Als wenn die Wahrheit-Redaktion jetzt alle Resorts der taz infiltriert hätte - oder hat sie?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    1. april

  • Ich hab das tatsächlich geglaubt bis ich unten die Kommentare gelesen habe!

  • Wirklich gut geschrieben. Hab das Anfang fast geglaubt

  • Spinnt der?

  • Das ist doch hoffentlich eine Art von satirischer Glosse? Oder hat der Kevin tatsächlich derartige Äußerungen von sich gegeben? Schlimm genug, dass ich das für möglich halten und nicht weiß, ob dies nun ein Artikel ist, der reale Sachverhalte wiedergibt oder ob der Artikel nur in satirischer Form die Auswüchse der Identitätspolitik auf die Schippe nehmen will.

  • :D

  • Ihr hättet mich beinahe gekriegt...